Von adminZoZuBo ‒ 27. Februar 2015
Der 1. März ist der Tag der Kranken. Um die Seele der Patienten kümmert sich im Spital Zolilkerberg ein dreiköpfiges Spitalseelsorger-Team, zu welchem der reformierte Pfarrer Stefan Morgenthaler gehört. Ein Gespräch mit ihm über die Bedeutung einer Krankheit, seine Arbeit am Spitalbett und die Rolle der Konfession.
Wir sind für die Betreuung von Patienten, Personal und Angehörigen zuständig. Das machen wir, in dem wir aktiv auf die Patienten zugehen, das heisst, wir besuchen sie in ihren Zimmern. Teils hören wir uns auch in den Stationszimmern um. Sieht ein Pflegender einen Gesprächsbedarf bei einem Patienten, gehen wir gezielt auf diesen zu. Grund für einen solchen Bedarf kann beispielsweise eine schlechte Diagnose sein.
Die Konfession ist sozusagen ein Arbeitsinstrument. Angestellt sind wir von den Landeskirchen, dementsprechend ist die Erwartung eines reformierten oder katholischen Patienten auf einen Besuch eines Pfarrers im Spital wahrscheinlich höher als bei einem Konfessionslosen. Für die Gespräche aber ist die Konfession unabhängig für den Bedarf.
Wir führen nicht ausschliesslich geistliche Gespräche. Es sind Gespräche über die Krankheitsgeschichte, aber auch andere Probleme, die den Patienten beschäftigen wie beispielsweise Beziehungsprobleme. Das ganze Spektrum von psychosozialen Fragestellungen wird abgedeckt. Was einen Patienten beschäftigt oder gar belastet, ist der Einstiegspunkt in ein Gespräch. Die Spiritualität schwingt natürlich über unsere Rolle als Spitalseelsorger mit.
Die Frage „Warum gerade ich?“ taucht häufig auf, auch wenn sie nicht immer explizit gestellt wird. Viele stellen sich die Frage selber, reflektieren das eigene Leben und suchen nach Gründen. Wenn jemand ständig Unfälle hat durch Stürze, fragt er vielleicht nach dem Sinn. Lebe ich zu abwesend, bin ich zu wenig bei der Sache? Eine Krankheit zwingt einen häufig zur Entschleunigung und zum Herunterfahren, diese Chance wird oftmals für einen Perspektivenwechsel genutzt. Den Sinn einer Krankheit kann sich der Patient nur selber geben, wir bieten lediglich eine Orientierungshilfe.
Genauso wie die Natur nie stetig blüht, darf es – wie jetzt im Winter – auch mal Brachland sein. Eine Blume wächst und reift langsam und auch eine Verletzung braucht ihre Zeit. Eine Krankheit ist eine Wunde und diese wiederum eine Öffnung. So schmerzhaft eine Krankheit auch sein kann, sie kann ebenso helfen, den Zugang zu sich selber wieder zu gewinnen. Sie kann eine Chance sein, sich selber neu oder auf eine andere Art kennenzulernen. Eine Krankheit kann zu einer Verwandlung führen. Wer es wagt hinzuschauen, entdeckt oftmals neue Facetten, die er zuvor vielleicht gar nicht wahrgenommen hat. Ich will nicht sagen, dass eine Krankheit immer einen Sinn hat, doch sie kann mit einem persönlichen Wachstum einhergehen. Diesen Punkt versuchen wir in der Seelsorge ebenfalls zu thematisieren.
Ja. Ein Spitalaufenthalt ist eine Zäsur im Alltag, er wirft einen aus dem gewohnten Ablauf, häufig völlig unerwartet. Dieses «Aus-der-Bahn-geworfen-Werden» wird häufig für eine Reflexion des eigenen Lebens genutzt. Wir Seelsorger sind sozusagen Resonanzraum: Wir hören zu, geben Feedback, fragen nach. Durch das Erklären und Erläutern der eigenen Situation wird dem Patienten häufig auch selber klarer, was genau ihn beschäftigt. Wenn jemand da sitzt und zuhört, kann der Erzähler klarer denken.
Psychologische Kompetenzen braucht es bestimmt, auch wenn wir keine Therapeuten sind. Der Therapeut wird von einem Patienten aufgesucht, bei uns ist der Fall genau umgekehrt, wir gehen auf die Patienten zu. Eine Therapie hat den Anspruch nach einer Veränderung, in der Seelsorge steht diese jedoch nicht im Vordergrund. Eine Veränderung kann, muss aber nicht das Ziel sein. In erster Linie möchten wir einem Patienten oder auch den Angehörigen Raum für die eigene Person und für die Umstände geben, in denen er sich gerade befindet. Die Verletzlichkeit soll ihren Platz erhalten. Dies soll geschehen, indem die eigenen Schwächen wahrgenommen und auch akzeptiert werden. Die heutige Gesellschaft ist extrem leistungsorientiert. Dass wir funktionieren, es uns gut geht und wir glücklich sind, wird beinahe schon vorausgesetzt. Das ist aber weder menschlich noch entspricht es der Realität. Im Spital wird einem das tagtäglich vor Augen geführt. Es darf sein, was ist. Das stärkt!
Die Weiterbildung zum Spitalseelsorger beinhaltet oft Persönlichkeitstrainings. Auch wir sollen uns unserer Person bewusst werden, die eigenen Stärken und Schwächen kennen und uns auch den eigenen Schattenseiten bewusst sein, damit diese nicht unreflektiert in eine Begegnung getragen werden.
Die Tatsache, dass wir in der Rolle des Pfarrers und nicht als Privatperson kommen, hilft von der Distanz her und schützt einen auch. Aber natürlich gibt es Situationen, die einen sehr nahe gehen. Ich nehme mir dann bewusst Zeit für mich, halte inne und reflektiere das Erlebte.
Ich gehe zu Personen, nicht zu Krankheitsfällen – diesen Satz sage ich mir selber immer wieder. Natürlich muss man seine eigenen Grenzen kennen und sie sich vor Augen führen. Wir können die Patienten nicht gesund pflegen, wir können keine Heilung bringen. Der theologische Gedanke, dass die letzte Macht bei Gott liegt, hilft für die eigene Relativität. Dieses Bewusstsein um die eigenen Grenzen fassen wir häufig auch in Gebete, die im Idealfall Gelassenheit und Akzeptanz bringen.
Mit dem Gebet werden die eigenen Wünsche und Bedürfnisse vor Gott getragen. Diese Bitte um Kraft oder Gelassenheit kann helfen und Ruhe bringen. Um Heilung bete ich eigentlich nie, weil falsche Erwartungen geweckt werden könnten. Das Gebet gibt eine eigene Atmosphäre, diese Intimität kann hilfreich sein. Bei jemandem, der überhaupt keinen Bezug zur Religion hat, ist ein Gebet aber in den Wind gesprochen. Einige Patienten wünschen lieber, dass im Stillen für sie gebetet wird oder vielleicht jemand eine Kerze für sie anzündet.
Es ist ein klassischer Gottesdienst mit einem Segnungsteil, bei dem jeder Teilnehmende sich persönlich segnen lassen kann.Wer möchte, wird mit etwas Öl auf der Stirn und den beiden Handflächen berührt und gesegnet mit einem persönlichen Zuspruch – dieses Ritual steht sowohl kranken als auch gesunden Menschen offen. Die Idee unseres bewusst ökumenisch gehaltenen Gottesdienstes ist es, sich mit seiner ganzen Geschichte, die vielleicht auch Krankheiten beinhaltet, in den Segen Gottes zu stellen. Bei der Segnung kommt die Zuwendung Gottes zum Menschen sinnlich zum Ausdruck. So kann Stärkung, Aufrichtung oder auch Trost erfahren werden. Der Tag der Kranken soll auch in Erinnerung rufen, dass praktisch niemand zu hundert Prozent gesund ist, jeder seine Schwachstellen hat, die sich oftmals in Stresssituationen zeigen, seien sie psychisch oder körperlich. Krank zu sein, ist ein Bestandteil des Lebens, der auch seinen Raum einnehmen darf und soll. Bei der Segnung öffnet man sich in einem gewissen Sinn in diese Richtung, man anerkennt seine Krankheit. (mmw)
Der Segnungsgottesdienst findet am Sonntag, 1. März um 09:45 Uhr in der Kirche des Diankoniewerks statt.
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