03/2016 Mit einem kaputten Motor fing alles an

Von adminZoZuBo ‒ 22. Januar 2016

Mit einem kaputten Motor fing alles an

Der Zumiker Ferdinand Stemmer hat sich den Orgeln verschrieben – und Ausbildungsplätze in Siebenbürgen geschaffen.

Wenn Ferdinand Stemmer zu einem Kulturvortrag lädt, dreht sich alles um die Orgel. Und so hatte dieses Instrument am vergangenen Samstag im reformierten Kirchgemeindezentrum Hottingen auch das «erste Wort»: Christian Scheifele an eben dieser Orgel und Markus Meier an der Schalmei boten einen beschwingten Auftakt zu einem informativen Kultur-Vormittag. Die bespielte Orgel übrigens ist von Orgelbauer Ferdinand Stemmer selber restauriert und steht ansonsten in der Erlöserkirche Zürich. Diese Restaurierung alter Orgeln war auch das Thema des Tages, allerdings ging es nicht um heimische Instrumente, sondern um historische Orgeln in Siebenbürgen. Im Jahr 1993 fuhr der Zumiker erstmals in das heutige Rumänien. Er begleitete einen Hilfstransport und sollte eine Orgel vor Ort mit einem neuen Gebläse ausstatten. Doch eine Orgel ist kein Motorrad oder Rasenmäher, wo mal eben der Motor ausgetauscht werden kann. Ferdinand Stemmer nahm sich das alte Instrument vor und zwei Wochen später konnte es wieder bespielt werden. Damit könnte die Geschichte zu Ende sein, doch das war erst der Auftakt. «Ich wusste natürlich vorher, dass es im Osten schöne alte Orgeln gibt, sie aber vor Ort zu sehen – manche in einem desolaten Zustand – tat weh», so der passionierte Handwerker.

Stationärer Aufenthalt

Während seines ersten Besuchs in Siebenbürgen reiste er unter anderem auch nach Kronstadt und besichtigte die «Schwarze Kirche». Er wurde auf eine kleine Chororgel aufmerksam, die dort seit zwölf Jahren unbespielbar stand. Diese «Patientin» musste zum stationären Aufenthalt in seine Zumiker Werkstatt gebracht werden. Zur Einweihung der restaurierten Orgel in Kronstadt brachte Stemmer im Jahr 1997 gleich den Dietliker Jodelchor mit. «Es war ein wunderschönes Fest», erinnerte er sich am Samstag vor vielen Zuhörern und Zuhörerinnen. Auch die grosse Buchholz-Orgel nahm sich Stemmer damals vor, unterstützt wurde er dabei von Studenten. Bald stellte sich die Frage, ob er nicht junge Menschen aus Siebenbürgen in der Schweiz in seinem Handwerk ausbilden könne. Konnte er nicht: Für eine Ausbildung gibt es keine Aufenthaltsbewilligung. «Da dachte ich mir, wenn die Schüler nicht zu mir kommen können, gehe ich zu ihnen», befand Ferdinand Stemmer. Und so gründete er als Hilfe zur Selbsthilfe im Jahr 1999 die «Stiftung für Orgeln in Rumänien». Doch eine Stiftung braucht nicht nur einen Visionär – wie Ferdinand Stemmer – sie braucht auch Geld und Unterstützung. Und so holte Ferdinand Stemmer die damalige Zumiker Nationalrätin Trix Heberlein mit der Drehorgel ab und erhielt einen Fördertopf aus Bern. Auch die Gemeinde Zumikon zeigte sich grosszügig, und die Arbeit vor Ort konnte beginnen. Tatkräftige Hilfe leistet seitdem auch Barbara Dutli, die von Ferdinand Stemmer als Orgelbauerin ausgebildet worden war und in Siebenbürgen die Schüler unterrichtete.

Ein langer Weg

Stemmer selber ruhte sich auf dem Erfolg nicht aus, er plante weiter und bald konnte sogar ein Internat eingeweiht werden, in dem die Auszubildenden leben. 18 Orgelbauer und acht Schreiner konnten im Lauf der Zeit in Siebenbürgen ausbildet werden. «Heute tönt das alles so einfach. Doch es war ein langer Weg, der auch manchmal holprig war. Aber im Rückblick kann ich sagen, dass ich wirklich stolz bin», so Stemmer in seinem Vortrag, zu dem er von der Gemeinde eingeladen worden war.

Ferdinand Stemmer hatte aber nicht nur Musik und Worte mitgebracht, sondern auch zwei Filme. Er nahm das Publikum mit auf eine Reise nach Rumänien, das nach der Wende fast ausschliesslich durch traurige Bilder aus Kinderheimen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Die Besucher und die Besucherinnen gingen mit auf eine Zeitreise. Sie besuchten unterschiedlichste Kirchen, hörten die verschiedensten Orgeln, lauschten den Geschichten und fast waren die Bilder zu verführerisch. Sie zeigten ein einfaches Leben, das beinahe anmutig wirkt. Aber dort zu leben, ist nicht anmutig. Es waren zauberhafte Eindrücke einer langen Geschichte – schon vor 300 Jahren kamen die ersten Orgeln nach Siebenbürgen. Gezeigt wurde aber auch der Verfall. Über die Leinwand flimmerten Bilder von zerstörten Orgeln, verbogenen Pfeifen. Und es wurde gezeigt, wie die «Königin der Instrumente» wieder instand gesetzt wird. Schnell wurde klar, dass die Orgel ein recht kompliziertes Instrument ist – sie ist ja auch feminin. (bms)

 

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