Von adminZoZuBo ‒ 15. September 2016
Wenn die beiden Häuser an der Bahnhofstrasse 3 und 5 reden könnten, was würden sie erzählen? Wer hat hier gelebt, gestritten, gekocht? Warum hat es hier gebrannt vor hunderten von Jahren?
Der Bürger oder die Bürgerin kann die Häuser vielleicht nicht reden hören, aber Roland Böhmer vom kantonalen Denkmalschutz kann ihnen Geschichten entlocken. Und die erzählte er nun am Tag des offenen Denkmals. Viele Zolliker waren am vergangenen Sonntag vor Ort, um mit ihm und seinem Kollegen Christian Muntwyler in die 500 Jahre alte Geschichte einzutauchen. Vor mehr als 25 Jahren stand die Zukunft der historischen Gebäude auf der Kippe. Ein Neubauprojekt samt Abriss war geplant. Doch innert weniger Monate hatten mehr als tausend Bürger unterschrieben und den Abbruch verhindert. Die Häuser wurden unter Denkmalschutz gestellt.
Nun steht die sanfte Renovierung der Gebäude an, die einem Zürcher Architekturbüro gehören. Und Roland Böhmer konnte die Skeptiker beruhigen, dass viele historische Aspekte dem Umbau zu einem Bürogebäude zum Opfer fallen würden. «Es wird so vorsichtig wie nötig renoviert. Vieles kann erhalten bleiben», betonte er. Der Rundgang beginnt im unteren Haus, das früher direkt am See stand. Die Strasse gab es noch lange nicht. Vom gleissenden Sonnenlicht geht es in den dämmrigen, modrigen Keller. Strom und Licht gibt es nicht mehr. Hier die erste Überraschung: Eine Steinmauer, die freigelegt werden konnte, stammt aus dem 13. Jahrhundert. Ganz regelmässig sind die Steine gelegt. Die Holzbalken weiter vorne sind immerhin im Jahr 1447 gefällt worden. Das weiss Roland Böhmer anhand der Jahrringe im Holz. Er zeigt auf einige wenige rote Stellen im Mörtel. Diese verraten ihm, dass es einmal gebrannt haben muss.
Es bleibt spannend: Das Haus ist nämlich nicht – wie man zunächst vermutet – ein reines Steinhaus. Insgesamt zwanzig Holzständer führen vom Keller bis in den Dachstuhl. «Das heisst, dass es erst später den Steinmantel gab und das ist einzigartig in der Region.» Den Grund kennt auch Roland Böhmer nicht. Es könnte ein Zeichen von grossem Wohlstand sein oder vielleicht sollte das Haus nur solider gemacht werden. Ganz klassisch die Zimmeraufteilung mit zwei Wohnungen. Das bedeutete damals aber nicht, dass auch zwei Familien hier lebten. Damit es im Erbfall nicht zum Streit kam, wurden gleich zwei Wohnungen gebaut. Weiter geht es über Bretter in das obere Labyrinth. Immer wieder ist um- und angebaut worden. Die rauchgeschwärzte Decke verrät: Hier war die Küche. Direkt daneben wohl das Kinderzimmer. Die Wandschranktüren sind mit Aufklebern bedeckt. «Spiel und Spass mit der Blockflöte» heisst es da. In den Schränken lieg noch buntes Wachspapier. Welches Kind hat hier regelmässig Blockflöte gespielt, was wurde in der Küche gebacken und gekocht? Fragen werfen auch die unterschiedlichen Deckenhöhen auf. Hat man die Decken nur abgehängt, damit es schneller warm wird? Alles kann auch der Denkmalschützer nicht beantworten.
Ganz oben im Dachstuhl hinter den ganzen Spinnweben verweist Roland Böhmer auf die Dachbalkenkonstruktion, die 1728 geändert wurde, um mehr Platz zu schaffen. Durch den grossen Raum zieht sich auch der Abzug vom Cheminée. Ein weiteres Anzeigen für Wohlstand? Das Nachbarhaus hat so einen nicht. Dort ist die Decke im Dach schwarz vom Feuer. Neben den Dachbalken sind viele Haken in das Holz gedreht. Was hat hier gehangen? Fleisch zum Räuchern? Wäsche zum Trocknen? Mit interessierten Nachfragen drangen die Besucher in die Vergangenheit der Häuser ein. Wer glaubte, dass sich nur ältere Mitbürger für die Geschichte interessieren, der wurde getäuscht. Auch viele Familien und Jugendliche wandelten auf den alten Spuren. Viele Hauseigentümer haben immer wieder neue Spuren hinterlassen. Das ist der Stuck unter der Decke oder die Fenstersäule aus Sandstein. Aber der Charakter der beiden «Bruchbuden», wie sie liebevoll bezeichnet werden, ist immer erhalten geblieben. Das wünschen sich die Zolliker auch für die Zukunft, wenn in den Räumen gearbeitet wird. Die Zukunft als modernes Bürogebäude trifft auch die Scheune nebenan, die jüngst noch als Stätte für moderne Kunst zur Verfügung gestellt wurde. Sie wird bald abgerissen. (bms)
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