Von adminZoZuBo ‒ 22. September 2016
Alle zusammen und doch jeder für sich. Was passiert, wenn unterschiedliche Menschen ein gemeinsames Projekt verfolgen? Beim Baum eines Traumhauses fallen schnell die Masken, wie die neuste Produktion der Theatergruppe Zollikon zeigt.
Manchmal ist das Leben unter einem Dach ja schon für eine einzige Familie schwierig, weil es zum Beispiel unterschiedliche Auffassungen über Musik-Lautstärke gibt. Wenn aber sechs verschiedene Parteien zusammen leben wollen, muss es einfach knallen. Und das tut es bei der aktuellen Produktion des Zolliker Theatergruppe. «Richtfest» heisst das Stück, das heute Abend Premiere hat.
Die Idee klingt ja eigentlich wundervoll. Alt und Jung leben unter einem Dach, jeder für sich natürlich, aber doch mit Gemeinschaftsräumen. Fast hysterisch euphorisch starten die zukünftigen Nachbarn in ihr Projekt. Da ist der stets dozierende Professor (Thomas Lips) mit Gattin Vera (Tina Kym). Besonders sie versteht es herrlich, durch eine nur leicht gehobene Augenbraue ihren Snobismus zur Schau zu stellen. Ihre Mimik verrät sofort, dass sie so etwas eigentlich nicht nötig hat. Ihr Wein muss stets teuer sein. Basta. Latent unter Zeitdruck dagegen das junge Ehepaar (Sevi und Carole Winkler). Ihr Kind will nie schlafen und der Babysitter kommt stets zu spät. Der Zuschauer riecht fast den Babybrei, den die Mutter auf der Bluse kleben hat.
Dann wäre auch noch die Familie mit Brigitte (Susanne Gröbli), die ein Jugendamt leitet. Und genau so spricht sie auch. Sie hat das gesamte Sozialvokabular eingeatmet und spricht stets mit tiefer Falte auf der Stirn. Herrlich auch ihr Mann (Beat Schwab) und die pubertierende Tochter Jessica (Annina Benz), die wunderbar motzig gucken kann. Ihr ist alles eigentlich nur peinlich. Musikerinnen gelten gemeinhin ja als kreativ und spontan. Doch die Musiklehrerinnen (Xenja Saldarriaga und Katja Minikus) fallen sich höchstens immer wieder spontan ins Wort und zeigen schnell ihren Konservatismus. Ähnlich wie die alte Dame (Sabine Wyss-Kohl), die «mit Menschen unter zwölf Jahren nichts anfangen kann». Und zum Abschluss ist da noch der Architekt (Ralph Flösser), der optisch als Lagerfeld-Imitator daher kommt und still und heimlich von einer Auszeichnung für sein Haus an der Goethestrasse 28 träumt.
«Wir sind eine Familie. Nur mit dem Unterschied, dass wir einander aussuchen können», heisst es noch ganz am Anfang. Doch dann prallen sie schon aufeinander, die verschiedenen Welten. Arroganz auf Mitleid, Herzlichkeit auf Distanz. Und überhaupt: Wie lange darf eine Raucherpause sein, wenn der Babysitter so teuer ist? Es gibt zahlreiche wirklich komische Momente zu erleben: der Architekt, der sich für seine Wohnung mobile Badewannenanschlüsse legt. Die Musikerin als Leihmutter für ein schwules Paar. Das alles kommt ans Tageslicht und schon lange wird nicht mehr miteinander, sondern übereinander gesprochen. Und gelästert. Jedes Treffen wird peinlicher, aggressiver und obskurer. Die Masken verrutschen erst nur, schnell werden sie fallen. Und schon stellt sich die Frage nach den Idealen, nach der Moral.
Regisseurin Karin Benz hat mit Monika Baumann an ihrer Seite herrliche Arbeit geleistet und das bis ins kleinste Detail. Die leicht gerümpfte Nase, die wegwerfende Handbewegung, die verdrehten Augen: Alles sitzt. Was zum Schluss bleibt? Unter anderem ein verzweifelter Architekt: «Die einzigen Phantasien, die ich entwickle, sind Gewaltphantasien.»
Ein besonderes Highlight der Aufführung ist die Musik. Es ist fast nicht zu glauben, wie viele Songs es zum Thema «Haus» gibt. Absolut erwähnenswert auch das Bühnenbild. Es ist leicht, verwandelbar und wird jeweils so schnell umgebaut, dass der Spannungsbogen nicht abfällt. (bms)
Freitag/ Samstag, 23./24. September, 28. September bis 1. Oktober, 20 Uhr, Gemeindesaal, Theater-Bistro ab 18 Uhr. Tickets auf www.theatergruppe-zollikon.ch, 079 858 7990, in der Apotheke Zollikon an der Bergstrasse und im Blumen-Café Verde an der Forchstrasse.ANMELDEN
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