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38/2016 Erst die Kinder, dann die Kuns

Von adminZoZuBo ‒ 23. September 2016

Erst die Kinder, dann die Kunst

Gesang, Schauspielerei, Malerei – die Zumikerin Beatrice Jud ist ein künstlerisches Talent. Doch nicht nur die Künste spielen eine grosse Rolle in ihrem Leben, viel wichtiger ist ihr ihre grosse Familie.

Vielleicht hätte sie eine ganz grosse Sängerin werden können. Vielleicht eine grosse Künstlerin. Wahrscheinlich sogar. Doch Beatrice Jud ist zu wenig egoistisch. «Und ich bin viel zu viel und zu gerne Mutter und Grossmutter», lacht sie. Sie hadert dabei gar nicht mit Chancen, die sie nicht genutzt hat. Vielmehr verwendet sie die freie Zeit nun, um zu malen, sich ganz den Farben hinzugeben. Am Anfang war da allerdings die Musik. «Ich habe schon als kleines Kind immer gesungen», erinnert sie sich. Die Neigung zur Kunst ist auch genetisch bedingt: In der väterlichen Linie finden sich Maler, Musiker, Schauspieler. Ihre italienische Mutter beschreibt die Tochter als eher kopflastig. Interessanterweise hatte Beatrice Jud aber kaum Kontakt zu ihrem Vater. Die Eltern trennten sich, als die Tochter noch keine drei Jahre alt war. Drei- oder viermal habe sie den Vater nur gesehen, so die Zumikerin. Und doch: Die DNA war wohl stärker. Nach der Schule folgte ein Gesangsstudium am Conservatorio in Parma, das sie am Internationalen Opernstudio in Zürich abschloss. Sie gab Konzerte, liebte es, als lyrischer Sopran in verschiedene Rollen zu schlüpfen und diese zu interpretieren. Sie gab Gastspiele im In- und Ausland, war im Fernsehen zu sehen und just, als die Karriere steiler wurde, wurde Beatrice Jud das erste Mal schwanger. Es war keine Frage für sie, nun Vollzeit-Mutter zu sein. «Wahrscheinlich, weil meine Mutter viel gearbeitet hat und ich als Kind sehr oft alleine war», überlegt sie.

Hungrig nach Farben

Drei Söhne bekam Beatrice Jud und in dem wunderschönen alten Haus in Zumikon, das in der neunten Generation von der Familie bewohnt wird, wurde es lauter und wilder. Erst als der dritte Sohn zwei Jahre alt war, erinnerte sich die Mutter wieder an die Kunst und ihre Talente. Denn auch die Malerei hatte sie schon immer fasziniert. Sie richtete sich einen kleinen Raum als Atelier ein und liess sich in verschiedenen Techniken an Kunstschulen in Zürich und in Italien ausbilden. Und seitdem malt sie mit einer solchen Energie und Leidenschaft, dass ihre Bilder fast zu pulsieren scheinen. Es sind vor allem die kräftigen Primärfarben, denen sie eine besondere Tiefe gibt. Mal sind es die grossen Flächen, dann wieder das dynamische Mit- und Gegeneinander, das den Betrachter fast in die Leinwand zieht. «Ich bin hungrig nach Farben, denn eine Welt ohne Farben ist trostlos», erklärt die lebensfrohe Frau. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen hatte sie in den vergangenen Jahren, so nahm sie 2007 auch an der «Art Zurich» teil. Doch eigentlich steht sie selber nicht gerne im Rampenlicht. Das war auch als Sängerin schon so. Vor jedem Auftritt hatte sie mit Lampenfieber zu kämpfen. Und auch jetzt noch ist sie für grosse Schlagzeilen zu bescheiden. Was sie mehr interessiert als der Erfolg, ist der Austausch mit anderen Kunstschaffenden. Deswegen stellt sie gerne auch andere Maler in ihrem grosszügigen Haus aus. Was sie nicht mag, ist die Konkurrenz oder gar der Neid. Es gehe doch nicht darum zu vergleichen, wer mehr verkauft hat. Es geht nicht um die roten Aufkleber neben den Exponaten. Beatrice Jud geht es um den intellektuellen Austausch, um anregende Gespräche. Auch sie – als abstrakte Künstlerin – kennt diesen fürchterlichen Satz eines Betrachters: «Das könnte ich auch.» Sie weiss natürlich selber, wieviel Technik, Anstrengung und Arbeit in jedem ihrer Werke steckt. Und trotzdem kann dieser Satz sie noch kurz ärgern.

Fern vom Klischee

Neben der Malerei und dem Gesang – und natürlich der Familie mit drei Söhnen, drei Schwiegertöchtern und drei Enkeln – gibt es eine weitere Leidenschaft der Beatrice Jud: ein altes Haus in der Toskana nahe bei Pisa. Alle zwei Monate versucht sie dort zu sein, alleine oder mit Freunden. Nein: Sie steht dann nicht mit der Staffelei vor dem Haus, lässt den Blick gen Meer schweifen, um die typische Landschaft auf die Leinwand zu malen, diesem Klischee entspricht sie nicht. «Ich nehme die Natur einfach auf, geniesse und speichere vielleicht die Farben», entgegnet sie. Gemalt wird dann wieder zuhause in Zumikon. Wenn die Familie ihr gerade die Zeit dazu lässt. Dann taucht sie ganz in die Farben ab. Zurzeit arbeitet sie viel mit Acryl auf Holz. Und dieses Material lässt sie nicht los. «Ich weiss, dass ich mich dem mal ganz widmen werde. Aber der Moment ist noch nicht gekommen», ahnt sie. Noch haben Kinder und Enkelkinder auch viel zu viel Angst, dass sie sich in die Finger sägen und als Mutter und Oma ausfallen könnte. Und diese Karriere ist Beatrice Jud eben noch wichtiger als alles andere.

 

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