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44/2016 Das Bild passend zum Sofa

Von adminZoZuBo ‒ 3. November 2016

Das Bild passend zum Sofa

Wenn Kunst nicht mehr wahrgenommen wird, muss sie ausgetauscht werden. Mit gemieteten Werken bringt Rita Cedraschi Abwechslung in den Alltag.

Warum will man gleich alles besitzen? Braucht man ein eigenes Haus, ein eigenes Auto? Braucht man eigene Kunst oder kann man die auch mieten? Diese Frage beantwortet Rita Cedraschi eindeutig mit Ja. Die Hobby-Künstlerin hat im Jahr 2000 mit drei anderen Künstlerinnen den «Kunst-Ausleih» ins Leben gerufen. Wer möchte, kann sich ihre Bilder für ein Jahr mitnehmen und dann wieder zurückbringen. «Als wir das allererste Mal zur Kunst-Vermietung einluden, kam eine Dame und nahm ein Bild mit. Seitdem ist sie jedes Jahr gekommen, hat sich immer wieder etwas Neues ausgesucht», so die 76-Jährige.

Sie selber ist eigentlich erst spät zur Malerei gekommen. 40 Jahre alt war sie bereits, als ihr damaliger Partner keine Zeit für gemeinsame Ferien hatte. Spontan meldete sich Rita Cedraschi für einen Aquarell-Kurs in der Toskana an. «Wir haben die ganze Zeit in einem Wald gesessen und sind von den Mücken zerstochen worden», lacht die Seniorin. Und trotzdem habe es ihr unendlich viel Spass gemacht. Sie habe zum ersten Mal in ihrem Leben von Farben geträumt. Einfach nur von Farben. Seitdem ist sie ihrem Hobby treu geblieben, hat sich in Kursen weitergebildet und immer wieder den Austausch mit anderen Künstlerinnen gesucht. «Oft sieht man selber ja gar nicht, was nicht stimmig ist, erkennt den Fehler nicht. Da braucht es einen zweiten kritischen Blick.» Ihren eigenen Stil umschreibt sie mit ­«reduziertem Naturalismus». Dabei unterstreicht sie sofort, dass sie ­Bilder male, die gefallen sollen. Die man einfach gerne ansieht. «Meine Bilder sind eigentlich keine Kunst im klassischen Sinn. Sie sollen nicht zu einer ständigen Auseinandersetzung anregen, setzen sich nicht mit ideologischen Fragen ­auseinander.» Rita Cedraschi betrachtet ihre eigenen Werke streng, vielleicht zu streng.

Mit dem Gesicht zur Wand

Dabei hat ihr die visuelle Arbeit schon immer Spass gemacht. Nach einer kaufmännischen Ausbildung arbeitete sie lange als Fotoredaktorin, durfte sogar ihr eigenes kleines Magazin erstellen. Nun dreht sich eben alles um die Malerei, nicht mehr um Fotos. Und die stehen en masse in ihrer hellen Wohnung – aber fast alle mit dem «Gesicht zur Wand». Der Besucher bekommt als erstes nur die Rücken der Leinwände zu sehen. Die eigenen Bilder zu zeigen, ist auch immer einen Blick auf die Gefühle zuzulassen. Vorsichtig stellt die Zollikerin ein Bild auf die Staffelei, geht einen Schritt zurück. Die langstieligen Blumen darauf sind noch ganz frisch. Ursprünglich war da mal ein ganz anderes Motiv verewigt. Doch das habe ihr nicht mehr gefallen. Also wird kurzfristig die Acryl-Farbe neu gemischt und es wird übermalt. Ob sie den Moment genau erkennt, wann ein Bild fertig ist? Sie lacht laut. Das wäre wohl der Augenblick, in dem ein anderer ruft: «Hör auf. Hör auf. Es ist genug.» Aber zu diesem Moment muss man auch erst mal kommen. Rita Cedraschi kennt auch das Gegenteil, die absolute Leere im Kopf. Ende des vergangenen Jahres war es so weit. Da war keine Vision, keine Idee. So konnte sie nicht an der Frühlingsmietausstellung teilnehmen, die traditionell in Zug stattfindet. Alte Werke an die Wand zu hängen – das geht nicht. Alle Teilnehmer müssen neue Arbeiten präsentieren. Im schlimmsten Fall würde ja sonst jede Ausstellung gleich aussehen. Rita Cedraschi hat sich ein bisschen unter Druck gesetzt, unbedingt wollte sie jetzt in Zollikon wieder mit von der Partie sein. Und das ist sie: mit geometrischen Werken unter anderem. Sie hat sich von den kleinen Häusern an der Mosel inspirieren lassen, die ihre Dächer tief ins Gesicht gezogen haben. Frisch und leicht kommen die Bilder in Sommertönen daher. «Leider kommen fast ausschliesslich ältere Leute, um ein Bild für ein Jahr zu mieten», bedauert sie. Dabei wäre es ja auch für jüngere Familien geeignet, die sich teure Kunst nicht leisten können oder wollen. Schon ab 200 Franken ist ein Bild für ein Jahr zu haben. «Ich finde, der Kunst-Verleih ist eine gute Gelegenheit, ein bisschen Abwechslung ins eigene Leben zu bringen», unterstreicht Rita Cedraschi. Schliesslich würde man ja auch nicht zeitlebens die gleiche Musik hören oder immer wieder dasselbe Buch lesen. Der Moment, sich für ein neues Kunstwerk zu entscheiden, sei schnell gefunden: Wenn man es nicht mehr wahrnimmt, wenn es wie ein Möbelstück zum Alltag gehört.

Beratung vor Ort

Gerne berät sie unschlüssige Kunden auch bei der Auswahl des passenden Werks, denn in der Ausstellung wirken die Bilder oft ganz anders als im heimischen Wohn- oder Esszimmer. Natürlich gibt es da auch mal frustrierende Momente. Wenn nach langen Diskussionen, Auswahlverfahren, Überlegungen dann doch kein Bild genommen wird. Aber lange ärgert sich die Zollikerin darüber nicht. Dazu ist sie einfach zu gerne gut gelaunt.

«Selten mieten auch Firmen bei uns einige Bilder, doch die meisten wollen da nicht investieren. Im besten Fall stellen sie uns Fläche zum Ausstellen zur Verfügung», erläutert Rita Cedraschi. Aber immerhin: ­Einige Anwälte und Ärzte gehören zum Kundenstamm. Und ihre eigene Familie auch. Selber hat sie keine Kinder, aber Neffen und Nichten zu Genüge. «Und die gehen dann auch in die Ausstellung und mieten hinter meinem Rücken ein Bild von mir. Natürlich könnten sie auch zu mir nach Hause kommen. Aber sie wollen, dass ich mich über den roten Punkt neben dem Bild freue. Und das ist doch einfach süss.» (bms)

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