Von adminZoZuBo ‒ 15. Dezember 2016
Für Shannon Glaser bedeutet soziales Engagement sehr viel. Bereits zwei Mal reiste die 21-Jährige nach Griechenland, um Flüchtlingen vor Ort zu helfen. Doch auch zuhause möchte die Abteilungsleiterin der Maitlipfadi Zollikon etwas bewirken: Flüchtlingskinder, die in der Gemeinde untergebracht sind, sollen in die Pfadi integriert werden.
Seit einigen Jahren bestimmen verheerende Konflikte das Leben im Nahen Osten und unzählige Menschen sind auf der Flucht. Sie versuchen, dem Krieg und der Armut in ihrem Heimatland zu entkommen und nach Europa zu fliehen. Unter welch erschütternden Umständen die Flüchtlinge auf ihrer Reise leben müssen, ist unvorstellbar. Jedoch nicht für jeden – Shannon Glaser, die in Zollikon aufgewachsen ist, weiss, wie die aktuelle Lage der Flüchtlinge auf der griechischen Insel Chios aussieht.
Bereits zwei Mal ist die 21-Jährige nach Chios gereist, um im Rahmen der ehrenamtlichen Organisation «Chios Eastern Shore Response Team» CESRT zu helfen. Woher sie ihre soziale Ader hat, weiss die im Kreis 4 wohnhafte Studentin aber selbst nicht. «Seit ich mich erinnern kann, wollte ich Ungerechtigkeiten nicht einfach so hinnehmen.» So eben auch bei den Flüchtlingen. Die Idee, nach Griechenland zu reisen, hatte Shannon Glaser letzten Winter. «Um die aktuelle Situation vor Ort zu verfolgen, surfte ich wieder einmal im Internet und las einige Artikel zum Thema. Dabei ärgerte ich mich über die Flüchtlingspolitik Europas», erinnert sich die Psychologie- und Politikstudentin. Doch statt sich nur aufzuregen, beschloss sie, aktiv etwas dagegen zu unternehmen.
Danach ging alles ziemlich schnell. Im Internet informierte sie sich über diverse Hilfsprojekte und entschied sich dann für das Chios-Projekt. Vergangenen August empfing und versorgte die lebhafte junge Frau während drei Wochen zusammen mit anderen Freiwilligen täglich die auf der Insel angekommenen Flüchtlinge, die mehrheitlich aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan stammen – eine Aufgabe, die sie nie vergessen wird. «Jeden Tag kamen Boote gefüllt mit Männern, Frauen und Kindern an. Ich hätte mir die Situation nie so krass vorgestellt», berichtet sie, «sobald sie angekommen waren, musste alles immer schnell gehen, da es sonst Probleme mit der Polizei gegeben hätte.» Die Freiwilligen versorgten die Flüchtlinge mit Essen und Kleidern, bevor die Grenzpolizei sie in eines der Camps brachte, wo sie registriert wurden Vor allem die Art und Weise, wie die Ankömmlinge später behandelt wurden, sei erschreckend gewesen. «Die Menschen leben in den Camps auf engstem Raum und ungefähr 1000 Menschen teilen sich zwölf Duschen.»
Im Sommer hatte es noch drei Flüchtlingscamps auf der Insel gegeben, mittlerweile sind es noch zwei. Die Einheimischen hatten gegen die Aufnahme so vieler Flüchtlinge protestiert, was die Schliessung von einem der Lager zur Folge hatte. Vor einigen Wochen hat sich die Lage noch mehr zugespitzt: Die Camps der Insel waren derart überfüllt, dass die Menschen in Zelten am steinigen Strand übernachten mussten.
Deshalb beschloss Shannon Glaser kurzerhand, Ende Oktober nochmals für eine Woche nach Chios zu reisen. «Ich hatte das Gefühl, dass ich gebraucht werde.» Zudem freute sie sich auf die anderen Helfer und die Flüchtlinge, zu denen teilweise enge Beziehungen entstanden waren. So auch zu Ahmed, der von Syrien nach Griechenland geflüchtet war. Die Eltern des 19-Jährigen seien von der Terrormiliz Islamischer Staat ermordet worden, weshalb er alleine und ohne Geld nach Europa reiste. «Obwohl er nur arabisch gesprochen hat, haben wir uns super verstanden. Ahmed hat in mir eine Bezugsperson gefunden», erzählt die junge Frau.
Diesmal war ihre Hauptaufgabe, einfach für die Flüchtlinge da zu sein. «Viele der Geflüchteten sind bereits seit Monaten in diesen Camps. Sie haben weder etwas zu tun, noch die Sicherheit, tatsächlich in Europa aufgenommen zu werden.» Vor einem Monat ist die Situation auf Chios eskaliert. Rechtsradikale Gruppen griffen in der Nacht auf den 17. November das grösste Flüchtlingslager der Insel an, warfen Steinbrocken und Molotowcocktails, welche die Zelte in Brand setzten und damit das Camp grösstenteils zerstörten. Dieses Ereignis zog schreckliche Folgen nach sich: Ein syrischer Mann wurde schwer verletzt, eine irakische Frau erlitt eine Fehlgeburt und verlor dabei ihre ungeborenen Zwillinge und unzählige Menschen mussten in den darauffolgenden Nächten in der Kälte übernachten.
Doch nicht nur in Chios, sondern auch in der Schweiz möchte die Studentin etwas bewirken. Vor genau einem Jahr hat sie gemeinsam mit Sina Grossmann aus Zollikon die Abteilungsleitung der Maitlipfadi Zollikon übernommen. «Schon als ich diese Aufgabe angenommen habe, war es mein Ziel, neue Ideen umzusetzen.» So auch das Vorhaben, Flüchtlingskinder, die in Zollikon untergebracht sind, in die Pfadi zu integrieren. Zusammen mit sieben anderen Pfadfindern aus dem Kanton Zürich gründete Shannon Glaser letzten Februar die Projektgruppe «Fugitiv». Die Idee ist es, den Abteilungen im Kanton Zürich bei der Integration von Flüchtlingskindern in die Pfadi zu helfen. Mit Hilfe von Infoabenden, Flyern und Factsheets unterstützt «Fugitiv» die verschiedenen Abteilungen bei diesem Prozess. Mit dem Projekt wolle sich die Pfadi aber keineswegs zu einer politischen Einstellung bekennen. «Die Pfadi ist einfach ein sozialer Verein, bei dem alle mitmachen können. Die Hautfarbe oder Herkunft spielen dabei keine Rolle.» Bereits seit 2001 ist die heutige Abteilungsleiterin in der Pfadi. Deshalb bedeutet ihr dieses Hobby auch dementsprechend viel: «Die Pfadi ist meine Familie. Sie hat mich extrem weitergebracht. Man lernt, jeden so zu akzeptieren, wie er ist.»
Doch nicht nur die Pfadi, sondern auch andere Hobbys bestimmen Shannon Glasers Freizeit. So spielt die Studentin freizeitmässig Fussball, Gitarre und Saxophon. Die ersteren beiden brachte sie sogar den Flüchtlingskindern in Chios bei. Doch auch das Snowboardfahren ist Shannon Glaser wichtig. Seit sie ein kleines Mädchen ist, verbringt sie jeden Winter in Laax und unterrichtet dort seit drei Jahren auch angehende Snowboarder. «Die Zeit in den Bergen macht mir jedes Mal unheimlich Spass», schwärmt sie. Shannon Glaser ist Feuer und Flamme für ihre Hobbys. Doch die damit verbundenen Verpflichtungen sowie ihr Studium hindern sie daran, für eine längere Zeit nach Griechenland zu gehen. Der Gedanke, mehrere Monate bei einem Hilfsprojekt dabei zu sein, sei auf jeden Fall schon da gewesen. Doch was nicht ist, kann ja noch werden: «Ich kann mir gut vorstellen, später einmal sogar beruflich etwas gegen das Leid auf dieser Welt zu unternehmen.» (cdv)
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