7/2014 Ohne den Willen geht es nicht

Von adminZoZuBo ‒ 16. Februar 2017

«Ohne den Willen geht es nicht»

Knifflige Matheaufgaben lösen, Aufsätze schreiben und beweisen, dass sie einen Text ver­stehen: Nach den Sportferien stehen die Gymiprüfungen an. Leo Fall bereitete seit den Herbstferien dreizehn Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse der Schule Oescher auf die Prüfung fürs Langzeitgym­nasium vor. Der Vorbereitungs­lehrer über Ansprüche an die Gymikandidaten und warum zwei verschiedene Kurse Kinder erdrücken.

Herr Fall, woran «feilen» Sie in den Vorbereitungsklassen ganz besonders?

An der Prüfung werden die Kinder 60 Minuten Zeit für Mathe, 60 Minuten für die Aufsätze und 45 Minuten fürs Textverständnis und die Grammatik haben. Mein Schwerpunkt liegt ganz klar bei den Matheaufgaben und der Deutschprüfung und weniger bei den Aufsätzen, da diese erfahrungsgemäss von den Lehrpersonen bereits gut abgedeckt werden. Für mich ist zentral, dass die Kinder die Art und Weise der Prüfungsaufgaben kennen, sie also mit den verschiedenen Typen vertraut sind. Sie müssen erkennen können, was beispielsweise eine Bewegungsaufgabe ist und wie diese angepackt werden soll. Ich bin ziemlich sicher, dass es selbst für jemanden, der wirklich top ist in Mathematik, unter dem Zeit- und dem generellen Prüfungsdruck schwierig wird, die Prüfungsaufgaben zu bewältigen, wenn er sie noch nie zuvor gelöst hat.

Sie sagen also, ohne gezielte Vorbereitung versucht es kein Kind ans Gymnasium?

Ich vermute tatsächlich, dass dies ein seltener Fall ist. Nicht auszuschliessen natürlich, aber doch eher selten. Ich persönlich kenne keinen, der dies versucht hat.

Was raten Sie Kindern, die Prüfungsangst haben?

Ganz gezielt auf Prüfungsangst einzugehen, würde den Rahmen der Vorbereitungskurse sprengen, da diese glücklicherweise nicht oft vorkommt. Vor wenigen Wochen haben wir aber Probeprüfungen gelöst und beim Korrigieren stellte ich fest, dass gewisse Fehler durch vergleichbare Blockaden entstanden sind. Viele erleben bei einer solchen Probeprüfung unter realen Bedingungen das erste Mal in ihrem Leben den Zeitdruck, werden entsprechend nervös und begehen dann Fehler. Häufig ist es aber so, dass es dafür an der richtigen Prüfung umso besser klappt.

Eine vermasselte Hauptprobe ist eine gelungene Vorstellung.

Genau, was in der Theaterwelt gilt, gilt auch in der Schule. Mit jenen, die die Probeprüfung vermasselt haben, führte ich nach dem Austausch mit den Klassenlehrern Einzelgespräche, um sie wieder aufzubauen. Als ich die Probeprüfung vor vielen Jahren eingeführt habe, war es eigentlich schon meine Idee, dass die Kinder diese möglichst gut lösen können sollten, um positiv gestärkt an die richtige Prüfung gehen zu können. Es zeigte sich aber schnell, dass dies nicht der Fall war. Für viele ist sie ein Warnschuss: all die blöden Fehler, die vielen Flüchtigkeitsfehler, wie das Vergessen des Punktes am Ende eines Satzes. Oder dass in der Mathematik Sachen ausgerechnet werden, die zwar korrekt sind, nur dummerweise hat niemand danach gefragt. Lesefehler passieren enorm häufig. Besonders, wenn der Faktor Prüfungsdruck mitspielt.

Zu welchem Zeitpunkt setzen Sie die Probeprüfungen an?

Meistens lasse ich die Kinder sie kurz nach den Weihnachtsferien lösen. So bleibt noch genügend Zeit für die Nachbesprechung, das Ausfeilen der allenfalls aufgedeckten Defizite und dafür, dass sich die Kinder wieder sammeln und mit einem guten Gefühl an die Prüfung gehen können.

Wie herausfordernd ist der Umgang mit Eltern, die ihren Nachwuchs unter allen Umständen ans Gymnasium bringen möchten?

Da ich nicht der Klassenlehrer bin, sondern nur die Vorbereitungskurse gebe, habe ich wenig mit den Eltern zu tun. Wenn ich aber merke, dass ein Kind im Kurs sitzt, das gar nicht ins Gymi möchte oder dafür wirklich nicht geeignet ist, suche ich das Gespräch mit dem Klassenlehrer und den Eltern. Denn eines ist klar: Der Wille muss da sein, sonst bringt alles nichts.

In Zollikon besuchen viele Kinder auch private Vorbereitungskurse. Haben Sie auch Kinder in Ihrer Gruppe, die neben dem von der Schule offerierten Kurs, den Sie unterrichten, auch noch private Kurse besuchen?

Ich hatte tatsächlich schon Gruppen, bei welchen der Grossteil auch noch in einen anderen Vorbereitungskurs ging. Häufig am Samstagmorgen. Da mussten wir die Notbremse ziehen und haben im Infoschreiben der Schule darauf hingewiesen, dass zwei verschiedene Kurse für die Kinder nicht zu bewältigen sind. Der Druck wird zu gross, nur schon der Zeit- und Hausaufgabendruck. Mit zwei Kursen erdrückt man die Kinder nur.

Das Bestehen der Aufnahmeprüfung ist ja auch nur ein Anfang.

Sie sagen es! Wer die Aufnahmeprüfung nur knapp besteht, wird es in der Probezeit nicht einfach haben. Ich gebe den Schülern manchmal auch weiter, dass es wohl das kleinere Übel ist, die Aufnahmeprüfung nicht zu bestehen, als nach der Probezeit in eine bestehende Klasse in die Sekundarschule zurückwechseln zu müssen.

Was sollen Gymikandidaten neben Schulwissen mitbringen?

Wie gesagt: Die Motivation ist absolut zentral. Wissensdurst, das Interesse, Neues zu erfahren, sind dieser natürlich sehr zuträglich. Sie ist der wichtigste Punkt. Egal, wann man ans Gymnasium will, ob ab der sechsten Klasse oder der zweiten Sek: Die Erwartungen sind hoch, der Druck gross, vor allem in der Probezeit. Auch brauchen sie die nötige Selbstständigkeit, denn im Gymi wird ihnen niemand mehr nachrennen. Ebenso sollten die Kinder wissen, wie man lernt, wie man den Schulalltag im Allgemeinen anpackt. Gerade Kandidaten aus der Hochbegabtenförderung haben hier unter Umständen Probleme: Sie mussten während ihrer Schulkarriere noch nie wirklich lernen, weshalb sie die dazu nötigen Fähigkeiten gar nie erwerben konnten.

Buben sind besser in Mathe, Mädchen im Deutsch. Stimmt dieses Bild?

Nicht unbedingt, nein. Einen Unterschied gibt es aber in der Arbeitshaltung. Auch wenn ich gleich vorwegnehmen möchte, dass ich jetzt vielen Buben unrecht tue. Tendenziell sehe ich aber schon, dass Mädchen fleissiger und strebsamer sind. Gerade wenn die Vornoten nicht so klar sind, ist es bei den Mädchen häufig so, dass sie sich mit Fleiss und Willen hocharbeiten. Bei den Buben mag vielleicht auch die Reife eine Rolle spielen, bei vielen ist die Motivation einfach noch nicht ausreichend vorhanden.

Wir sind mitten in den Sportferien. Was raten Sie Ihren Schülerinnen und Schülern: Nochmals Vollgas geben beim Büffeln oder lieben den Kopf auf der Skipiste auslüften?

Das ist natürlich ganz individuell. Aber auch hier spielt der Wille nochmals eine Rolle: Die Kinder wollen ja ans Gymi und deshalb werden viele während der Ferien nochmals Gas geben. Viele haben mich um Zusatzmaterial gebeten für die Ferien, das taten sie auch bereits für die Weihnachtsferien. Ich musste also niemandem sagen, er solle nochmals lernen, sondern vielmehr, dass sie die Ferien auch geniessen sollen. Einfach mal ausspannen und abschalten. Denn der Druck – auch ohne Gymi – ist für die jungen Menschen wirklich nicht zu unterschätzen.

Und was raten Sie den Kindern am Tag X?

Sie haben im Verlauf der ganzen Vorbereitungszeit dermassen viel Arbeit geleistet, dass alle mit dem positiven Gefühl «ich schaffe es» antreten können. Ein ganz banaler, aber nicht zu unterschätzender Tipp ist ganz bestimmt der Zeitpunkt des Ins-Bett-Gehens am Vorabend respektive in der Vorwoche. Die Kinder sollen genügend Schlaf haben, möglichst ausgeruht und entspannt zur Prüfung erscheinen. Nächtliches Büffeln bringt nichts mehr. Dies wäre sogar kontraproduktiv. Ich rate ihnen davon bereits eine Woche zuvor ab, um nicht in einen Teufelskreis zu geraten. Und für die Prüfung rufe ich ihnen nochmals in Erinnerung, dass sie die Prüfung ruhig angehen, die Aufgaben erst durchsehen und sie erst dann in der selber festgelegten Reihenfolge anpacken, wobei sie dabei auf keinen Fall die Zeiteinteilung vergessen dürfen.

Mit Leo Fall sprach Melanie Marday-Wettstein

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