Von adminZoZuBo ‒ 31. August 2017
Vom Ballett über den Modern Dance zur Choreographin und von Zumikon über New York wieder nach Zumikon: Anne Sophie Fenner steht kurz vor der Premiere.
Mit Anne Sophie Fenner sprach Birgit Müller-Schlieper
Am 13. September wird Anne Sophie Fenner die Premiere ihres neuen Tanztheaterstückes «Diary of a Hermit» im Theater Rigiblick zeigen. Im Interview äussert sich die Choreographin und ehemalige Tänzerin zu den letzten Tagen vor der Premiere, zum Überleben in der freien Tanzszene und zu ihrer Beziehung zu Zumikon.
Ja. Der Wunsch war tief in mir. Meine Grossmutter mütterlicherseits hatte auch immer gerne getanzt – in der damaligen Zeit war das jedoch keine Option. Vielleicht hat sie das an mich weitergegeben. Allerdings habe ich auch schon mit sechs Jahren geäussert, dass ich doch lieber «Tanzchefin» werden wollte.
Anfangs schon. Mit sechs Jahren habe ich mit Ballett begonnen, die Lehrerin war aber sehr streng und das passte mir, die extrem freiheitsliebend ist, gar nicht. Mit zwölf habe ich nochmals angefangen, doch die Pubertät und damit das Interesse für Jungs verhinderten erneut eine kontinuierliche Tanzkarriere. Aber später gab es ein Schlüsselerlebnis: Ich besuchte einen Workshop mit Ausdruckstanz und wusste sofort – das ist es. Das will ich machen. Ich musste nur noch die Matura bestehen, was auch gelang, obwohl ich mehr tanzte als lernte, und ging zu einer Vorausbildung nach London.
Absolut. Vor allem mein Vater. Meine Mutter hätte vielleicht ganz gerne gesehen, wenn ich Literatur oder Musik studiert hätte, was mich durchaus ebenfalls gereizt hätte. Aber nach zwei Monaten an der Uni wusste ich: Stillsitzen und studieren ist nichts für mich: Ich muss tanzen!
Natürlich gab es die. Ich habe Probleme mit der Lendenwirbelsäule, ein Meniskus ist operiert, an dem anderen doktere ich herum. Irgendetwas ist halt immer.
Einige der ganz grossen Choreographen des 20. Jahrhunderts haben dort ihre Compagnien ins Leben gerufen und die gesamte Tanzwelt mit ihren Visionen beeinflusst: Merce Cunningham, Alvin Ailey, Martha Graham, José Limon, um nur einige zu nennen. Dass New York geographisch auf einem Kraftfeld liegt, mag einer der Gründe dafür sein. Auch heute noch spriessen unaufhörlich neue Tanzcompagnien aus dem Boden und ziehen junge Tänzer aus der ganzen Welt an. Die Stadt und ihre Menschen sind immer in Bewegung. Diese Kraft und Kreativität sind ansteckend, man kann sich dem Sog nicht entziehen. Dazu kommt: Wer in New York überleben will, muss kämpfen. So wie beim Tanzen. Nur wer diesen inneren Drang hat, sich jeden Tag neu zu erfinden, hat als Tänzer überhaupt eine Chance.
Ich habe, bis ich 33 war, noch aktiv getanzt, aber schon mit 25 Jahren angefangen zu unterrichten und bin dann meiner pädagogischen Berufung als Dozentin an der ehemaligen Zürich-Tanz Theater Schule zehn Jahre lang ernsthaft nachgegangen. Seit 2007 konzentriere ich mich auf das Choreographieren. Ich wusste ja offenbar schon als junges Mädchen, dass ich «Tanzchefin» werden wollte.
Das ist ein langer Weg. Am Anfang steht eine Idee, ein Thema, vielleicht ein Bild. Damit gehe ich sehr lange schwanger, sammle Impressionen, Visionen und Gedanken dazu. Ich schreibe und zeichne mir alles auf und fast die Finger wund. Manchmal ist es eine Szene, die ich sehe. Manchmal ist es eine Melodie. Das neue Stück «Diary of a Hermit» handelt vom Eremiten-Dasein. Dazu habe ich unzählige Bücher gelesen. Tagebücher, Biografien und auch viele Gedichte. Das Thema des Rückzugs wollte ich schon lange verwirklichen. Als ich mein Notizbuch vollgeschrieben hatte, war ich bereit für den Probeprozess im Studio zusammen mit den Tänzerinnen. Durch Improvisation recherchieren wir gemeinsam Bewegungsmaterial, aus welchem ich die klar definierte Choreographie komponiere. So wächst langsam ein Ablauf zusammen und die Szenen fügen sich sinnvoll zu einem Ganzen.
Nicht auf Anhieb. Gerade beim aktuellen Stück habe ich immer wieder neu gepuzzelt, Musikstücke verworfen, Abläufe umgestellt, aber manchmal ist es geradezu magisch: Plötzlich fügt sich alles, was eben noch chaotisch war, zu einem Ganzen. Gerade weil es ein poetisches und leises Thema ist, darf die Musik nicht zu präsent sein. Daran feile ich noch. Diese Umwege gehören eben auch zum Weg, den man geht. Im Rückblick erscheint alles ganz logisch. Wenn man jedoch gerade auf dem Umweg ist, fühlt es sich fürchterlich an. Wir haben in den ersten fünf Wochen fast schon «basisdemokratisch» gearbeitet, jetzt habe ich aber die Fäden wieder fest in der Hand und spüre, dass meine Vision sichtbar wird.
Manchmal über Auditions, obwohl die sehr aufwendig und teuer sind. Da kommen bis zu 100 Leute zum Vortanzen. Meistens aber über Mund-zu-Mund. Oder ich kenne die Tänzerinnen aus anderen Produktionen. Die freie Tanzszene ist ein hartes Pflaster. Die Tänzer verdienen sehr wenig, bei der Kunst wird immer zuerst gespart.
Bei der Premiere bin ich immer wie benommen da und wirke völlig emotionslos. Es ist fast so, als würde ich neben mir sitzen.
Ich bin mit 20 von Zumikon weggezogen, doch jetzt wohne ich wieder hier und spüre, dass hier meine Wurzeln sind. Mein Vater kommt aus einer der alteingesessenen Bauernfamilien vom «Chaltenstein». In jungen Jahren hätte ich mir niemals vorstellen können, wieder zurück ins Dorf zu gehen. Ich brauchte die Rastlosigkeit der Grossstädte. Aber wenn ich heute aus New York oder nur schon aus Zürich zurückkomme, geniesse ich die Ruhe, meinen verwunschenen Garten, die Spaziergänge mit meinen Hunden. Ausserdem meditiere ich regelmässig. Wenn ich das mal vergesse, spüre ich es sofort.
Auf der Bühne stand ich 2013 zum letzten Mal. Ich würde liebend gerne auch in meiner Freizeit mal wieder tanzen. Aber es gibt so wenige Gelegenheiten. Wenn es mal passiert, bin ich die Erste und Letzte auf der Tanzfläche.
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