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38/2017 Brillante Darstellung der Bösartigkeit

Von adminZoZuBo ‒ 22. September 2017

Brillante Darstellung der Bösartigkeit

Die Theatergruppe Zollikon bringt mit ihrer 30. Produktion Bertolt Brechts «Die Klein­bürgerhochzeit» auf die Bühne des Gemeindesaales. «Hoch­ziit», wie das Stück im Dialekt genannt wird, setzt Brechts Anhäufung von Böswilligkeiten gekonnt um und hält der Gesellschaft ein Spiegelbild vor. Heute ist Premiere.

Da hat Regisseurin Karin Benz eine grossartige Leistung vollbracht. Sie hat die Truppe dazu gebracht, die einzelnen, so unterschiedlichen Protagonisten des Stückes so detailgetreu und echt dar­zustellen, dass einem manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Denn gelacht werden darf in diesem Stück mit seinen absurden Wendungen, die durchaus auch in Kleinholz enden können. Wenn zum Beispiel zu Beginn das Theater-Urgestein Paul Hintermann im Stil des Butlers James im klas­sischen Neujahrs-Sketch «Dinner for One» als Kellner dem restlichen Service-Personal hinterherschlurft und der Zuschauer eigentlich nur das Tigerfell sucht, über dessen Kopf er springen oder stolpern könnte. Oder wenn die zickige Giftspritze Tina Kym Stühle und Sofa zerlegt, die krachend unter ihr zusammenbrechen, während sie ihren schusseligen Mann (Roman Ribi) bei jeder Gelegenheit verbal blossstellt und fertigmacht. Und wenn die Mutter des Bräutigams (Brigitte Gebs) mit sauer­töpfischer Miene ganz in Schwarz am Tisch sitzt. Wie bei einer Beerdigung, die es für sie auch ist, verliert sie doch ihren geliebten Sohn (Sevi Winkler) an diese nichtsnutzige junge Frau, die nicht einmal richtig kochen kann und die ihn nie so behüten wird wie sie.

Gut gespielte Spiessbürger

Brillant gibt Thomas Lips den senilen Brautvater, der ständig seine grauslichen Geschichten erzählen will, ob denen es seiner Tochter (Xenia Saldarriaga) kalt den Rücken herunterläuft. So nimmt das Geschehen seinen Lauf. Bei der Hochzeit wird gespart, denn es kommt Selbstgekochtes auf den Tisch, der vom Bräutigam selbst gezimmert wurde. Überhaupt hat der Bräutigam alle Möbel selbst geschreinert und zusammengebaut und das rächt sich im Laufe des Stückes bitter. Zum Beispiel beim Freund der Familie (Ralph Flösser), der sich auf dem Stuhl einen Splitter in den Allerwertesten holt und deshalb nach der Feier einen Arzt aufsuchen muss. Die junge Schwester der Braut (Katja Minkus) bandelt ganz ungeniert mit einem weiteren Freund (Alban Mazrekaj) an und das junge Paar verschwindet ganz unauffällig, um sich näher kennenzulernen.

Peinlichkeiten Schlag auf Schlag

So beschreibt Bertolt Brecht Situationen, die das Leben schrieb, wie beispielsweise das Service-Team (Sabine Wyss-Kohl, Annina Benz, Adi Holzmann und Paul Hintermann), das verzweifelt bemüht ist, Leben und Stimmung in die Runde zu bringen. Mit lächerlichen Fingerhandschuhen und einem «Chörli», das, passend zum Anlass, den Song «Ewigi Liebi» zum Besten gibt, gekonnt unterstützt von der Musikerin Betti Hildebrandt. Nachdem die Gäste dann das Brautpaar verlassen haben, ertränkt dieses den Kummer über das misslungene Fest in Schnaps und begibt sich dann ins Bett, das … – aber das müssen Sie sich im Gemeindesaal selbst anschauen. Genau so, wie Sie das lange, gequälte Schweigen erleben müssen, dem sich die Gesellschaft nach jeder Peinlichkeit hingibt. Und das wirkt wie der ertappte Hund, der die Wurst vom Teller stibitzt.Karin Benz hat die Komödie mit viel Witz und Klamauk gekonnt umgesetzt und sich bei ihrer 15. Regiearbeit in Zollikon selbst übertroffen. «Ich bin sehr zufrieden mit dem Stand, wir sind gut im Programm mit noch drei Proben, an denen wir an Feinheiten schleifen können», sagt die Regisseurin. Sie sei gespannt, wie das Publikum die Bankett-Bestuhlung mit Tischen aufnehmen wird, und freue sich auf die heutige Premiere.

Für Brigitte Gebs, die sauertöpfische Mutter des Bräutigams, besteht die Herausforderung ihrer Rolle darin, das Klischee der bösartigen Schwiegermutter glaubhaft darzustellen: «Ich leide darunter, dass mein Sohn mich verlässt, und hoffe bis zum bitteren Ende, dass er zu mir zurückkehrt.» Das sieht man in jeder Minute ihres Spiels. Auch Thomas Lips als Brautvater ist überzeugt vom Stück. Obwohl er am Anfang etwas skeptisch war, gefällt ihm seine Rolle sehr. «Man kann sich austoben», und das mache Spass. (wn)

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