Von adminZoZuBo ‒ 8. Dezember 2017
Drei und nicht wie geplant fünf Prozent mehr Steuern werden die Zolliker im nächsten Jahr zahlen müssen: Der Steuerfuss sorgte für stundenlange Diskussionen an der Gemeindeversammlung – und für über ein Dutzend Anträge.
350 Stimmberechtigte – im Verlauf des langen Abends verringerte sich die Zahl auf 340 – fanden am Mittwochabend den Weg in den Gemeindesaal, und sie zeigten sich debattierfreudig. Ganze fünf Stunden lang diskutierten sie, zu reden gaben das Budget und der Steuerfuss. Bei Letzterem reichten am Schluss die Anträge von der Beibehaltung bei 82 Prozent bis zur Erhöhung auf 90 Prozent.
«Aufrufe zum Masshalten reichen nicht mehr, jetzt müssen Nägel mit Köpfen her», mahnte Finanzvorstand Urs Fellmann gleich zu Beginn der Diskussionen ums Budget. Er wies darauf hin, dass ohne die beantragte Steuerfusserhöhung nun nicht wie bis anhin ein Defizit aus den Investitionen, sondern aus den laufenden Ausgaben resultieren würde. «Wenn wir das durchlassen, führt es unweigerlich und rasch in eine Schuldenwirtschaft», mahnte der Finanzvorstand. Auch sei es eine «fahrlässige Spekulation», wenn darauf gehofft werde, dass die Rechnung wie 2016 dank Sondereffekten anstatt mit einer Null mit einem satten Überschuss abschliessen werde. Das heutige Leistungsangebot könne sich die Gemeinde mit den zu erwartenden Einnahmen ohne Korrekturen nicht mehr leisten. Ohne Anpassung drohe ein Defizit von 5,8 Millionen Franken, das nach geltendem Recht nicht mehr gedeckt sei.
Doch wie diese Korrekturmassnahmen aussehen sollten, darüber schieden sich im Anschluss an die Ausführungen des Finanzvorstandes die Geister. Urs Fellmann rechnete vor, dass mit der vom Gemeinderat beantragten Steuerfusserhöhung von fünf Prozentpunkten zwar ein ausgeglichenes Budget resultiere, jedoch ohne den für den Schuldenabbau dringend nötigen Überschuss. Mit den von der RPK zurecht bemängelten Doppelzählungen – die im späteren Verlauf des Abends von der Versammlung dann auch gutgeheissen wurden –, würde das Defizit auf 358 500 Franken steigen. Mit der Steuerfusserhöhung auf 87 Prozent solle eine stärkere Verschuldung verhindert und mehr Eigenkapital für die nötigen Investitionen sichergestellt werden.
«Der Gemeinderat will unter allen Umständen vermeiden, dass die Fremdmittel die Grenze von hundert Millionen Franken übersteigen.» Das sei etwa fünfmal mehr als die Gemeinde flüssige Mittel habe. Die geplanten Investitionen werden auf 14,9 Millionen veranschlagt. Ursprünglich hatte der Gemeinderat 20,8 Millionen geplant, die dann aber gekürzt wurden. An der Spitze der Investitionsrechnung steht die Bildung mit knapp vier Millionen Franken, wobei hierfür der grösste Teil die Schulanlage Rüterwies ausmache.
Schulpräsidentin Corinne Hoss erklärte zum 25,5-Millionen-Budget der Schule, dass 95 Prozent davon gebundene Kosten seien, über 23 Millionen also, auf die kein Einfluss genommen werden kann. An konkreten Beispielen wie der Streichung der Begabtenförderung, von Klassenlagern oder Gymivorbereitungskursen zeigte die Gemeinderätin auf, wo der Rotstift bereits angesetzt wird, wo weitere Kürzungsmöglichkeiten bestehen könnten und was diese bedeuten würden: Betroffen wären Angebote, die schlicht zu einer guten Schule gehörten. «Wir sind eine gute Schule, wir wollen diese Streichungen nicht», unterstrich die Gemeinderätin. Die drei Hauptgründe für das höhere Budget seien die unerwartet stark gestiegenen Schülerzahlen, der neue Lehrplan 21 und mit diesem die anzuschaffende Informations- und Kommunikationstechnologie, die einen ganz neuen Stellenwert erhalte.
Nägel mit Köpfen machte dann auch die RPK: Sie lehnte die Erhöhung um fünf Prozent ab und beantragte eine Anpassung um lediglich drei auf 85 Prozent. Ihr Präsident Viktor Sauter führte das Unverständnis der Kommission über den weiteren Kostenschub aus. Der Anstieg der Kosten im Bereich der Bildung oder die Zahlungen, die an die KESB zu leisten sind, seien nachvollziehbar, nicht aber der Kostenanstieg in anderen Abteilungen. «Insgesamt sollen die Aufwendungen gegenüber 2016 um 10 Millionen ansteigen und trotz der geplanten Steuerfusserhöhung soll nur ein ausgeglichenes Ergebnis ausgewiesen werden», kritisierte er das vorliegende Budget. Aus Sicht der RPK müsse ein Masterplan erarbeitet werden, der eine Kosten-Leistungs- sowie Angebotsüberprüfung vorsieht, die entsprechenden Ergebnisse daraus müssten konsequent umgesetzt werden. Unter diesem Gesichtspunkt sollten auch die Streichungsanträge (Infos hierzu siehe Box) gesehen werden, meinte Viktor Sauter: «Was wir heute betreiben, ist Symptombekämpfung, nicht Heilung», aber die Streichungen müssten vorgeschlagen werden, weil sonst das Budget 2020 auf demjenigen von 2018 basiere und dann abermals keine Kosteneinsparungen initiiert worden seien.
Eine Erhöhung auf 85 Prozent verlangten auch die GLP, die ein «klares Sparprogramm» vom Gemeinderat will, und die FDP, für die eine vorausschauende und faire Finanzpolitik nicht nur auf Steuererhöhungen, sondern auf einen ausgewogenen Mix von Mehreinnahmen und Minderausgaben setzt. Auch sie wartete mit Kürzungsanträgen auf, so führte Parteipräsident Marco Weber aus, dass die Ausgaben für Strassen- und Gebäudekosten im Umfang von über einer Million zu kürzen seien. Weitere «Budgetverbesserungen» in dieser Höhe präsentierte auch die SVP, die sie zusätzlich zu den Streichungen der RPK anregte und ebenfalls für einen Steuerfuss von maximal 85 Prozent plädierte.
Esther Meier als Vertreterin der SP und Felix Wirz von der EVP unterstützten hingegen den Antrag des Gemeinderats. Die Steuerfusserhöhung sei nötig und sinnvoll, noch mehr sparen im Schulbereich oder noch mehr Schulden auf dem Buckel der nächsten Generation seien verantwortungslos. Das Forum 5W empfand die Vorwürfe an den Gemeinderat, dass dieser keine Sparbemühungen zeige, als unfair und warnte davor, dass Sparen in einem Leistungsabbau resultiere und nicht nur das eigene Portemonnaie betrachtet werden sollte. Auch weitere Wortmeldungen aus der Versammlung zielten in diese Richtung, «Pflästerlipolitik» führe zu Mehrkosten und bei den Kürzungen sei unklar, was diese konkret bedeuten würden.
Das anschliessende Abstimmungsprozedere dauerte mitunter lang, da über jeden der gestellten Anträge einzeln abgestimmt werden musste, was über zwei Stunden in Anspruch nahm. Neben dem Dutzend Budgetkürzungsvorschlägen waren es auch fünf Steuerfussvorschläge, über welche die Versammlung zu bestimmen hatte. Die Anträge reichten von der Beibehaltung des aktuellen Steuerfusses bei 82 Prozent auf die Erhöhung von 85, 86, 87 oder gar 90 Prozent. Im Cupsystem wurde abgestimmt und schlussendlich mit 210 gegen 108 Stimmen der Steuerfuss von 85 Prozent angenommen. Das um die angenommenen Kürzungen (siehe Box) bereinigte Budget sieht nun einen Aufwandüberschuss von 1,1 Millionen Franken vor.
Abgestimmt wurde auch über die neue kommunale Gebührenverordnung, welche die allgemeinen und Verwaltungsgebühren der Gemeinde festlegt, sowie über die Bauabrechnung zum Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain. Wegen günstigeren Voraussetzungen für die Bauarbeiten und dem Verzicht auf eine betriebseigene Kinderkrippe fällt diese mit 53,3 Millionen Franken rund 3,4 Millionen tiefer aus als budgetiert. Beide Vorlagen wurden einstimmig angenommen. Angenommen wurde auch die Totalrevision der Bestattungsritual- und Friedhofsverordnung. Nein sagten die Stimmberechtigten jedoch zum Verzicht auf Reihenbestattungsgräber auf dem Friedhof Zollikerberg. (mmw)
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