35/2018 Filmkritik Normandie nue

Von adminZoZuBo ‒ 30. August 2018

Zollikon nackt?

«Normandie nue» ist eine charmante französische Komödie, die Ende August in unsere Kinos kommt und unter anderem das scheinbar einfache und gesunde Leben auf dem Land aufs Korn nimmt.

Würden Sie sich nackt ausziehen und zusammen mit anderen Zollikerinnen und Zollikern auf der grossen Wiese der Zolliker Allmend neben den alten Bäumen «ganz ohne» für ein Bild posieren? Wenn Sie unsicher sind, können Sie sich vielleicht von der neuen französischen Komödie «Normandie nue» inspirieren lassen, die Ende August in die Zürcher Kinos kommt. Denn die Bauern eines normannischen Dorfes wissen sich nicht mehr anders zu helfen, als mit einer spektakulären PR-Aktion auf ihre wirtschaftliche Misere aufmerksam zu machen. Auf die Idee bringt sie der amerikanische Star-Fotograf Blake Newman (Toby Jones), der sich auf der Durchreise befindet und sich weltweit einen Namen gemacht hat mit dem gruppenweisen Ablichten von nackten Menschen. Später erfährt der Zuschauer, dass er damit auf seine Art aus seiner klaustrophobischen Erziehung ausbricht, die alles Körperliche tabuisierte. Mit Newmans Ankunft wittert Balbuzard (François Cluzet), der pfiffige Bürgermeister des Ortes, genau die politische Chance, um Medien und Politik jenseits von Strassenblockaden und Mistgabeln auf die tragische Lage der französischen Bauern aufmerksam zu machen. Es bleibt einzig die Aufgabe, die anderen Dorfbewohner von seiner Idee zu überzeugen.

Das Dorf mit den Verrückten

Natürlich hat sich der Star-Fotograf in eine ganz spezielle Wiese verguckt und das Bild kann einzig und allein dort geschossen werden. Und ebenso selbstverständlich ist der Besitzer besagter Fläche von Anfang an vollständig dagegen, dass dieses Bild auf seiner Wiese gemacht wird. Seiner Wiese? Dafür gibt es nämlich keine Beweise! Denn bei der Invasion von 1944 sind das Dorfarchiv und sämtliche Dokumente durch Bomben und Granaten in Rauch und Flammen aufgegangen.

Der Bürgermeister versucht derweil, die Einwohner des Dorfes für seinen Plan zu gewinnen. Und die sind alle bis auf ein aus Paris zugezogenes Paar der Idee gegenüber ziemlich reserviert. Da ist der stattliche Metzgermeister, der nicht will, dass seine Frau, eine ehemalige Miss Normandie und «noch immer die schönste Blume des Dorfes», sich vor aller Augen nackt auszieht. Da sind all die alten und neuen Intrigen und Querelen des Dorfes, die der geplanten Solidaritätsaktion im Wege stehen. Und da sind all die Ressentiments gegenüber dem fremden amerikanischen Künstler von Weltruhm und dessen spleeniger Idee.

Charmant auch, wie der Film mit dem Klischee vom gesunden Leben auf dem Lande spielt. So entwickelt besagter Grossstädter, der aus Paris aufs Land gezogen ist, weil es hip und angesagt ist, psychosomatische Krankheiten, da er die ländliche Idylle schlecht verträgt. Zu guter Letzt führen die Kapriolen, die das Nackt-Bild-Projekt im Dorf auslöst, dazu, dass der Bürgermeister sich fragt, ob er sich aus wirtschaftlicher Not oder aus Frust über seine Dorfgemeinschaft aufhängen soll.

Stimmungsvolle Bilder

Der Film spart nicht mit stimmungsvollen Bildern der normannischen Landschaft. Neben der Reiselust, die einen dabei ergreift, bekommt man während dem Betrachten des Films auch immer mehr Durst. Denn die Bauern und Dorfbewohner trinken regelmässig «un petit Calva», den berühmten aus Äpfeln hergestellten Branntwein. Und je länger je mehr fühlt man sich unweigerlich an die Streitereien im uns wohlbekannten kleinen gallischen Dorf erinnert, wo sich der Schmied und der Fischer auch keine Antwort schuldig bleiben. «Normandie nue» ist amüsante komödiantische Unterhaltung, wenn auch stellenweise leicht durchsichtig, mit einer Prise Nostalgie, einem Spritzer Tragik und einem Schuss Calvados.

Daniel Frey meint:  3,5 von 5 Sterne

 
«Normandie nue», Komödie, läuft seit dem 30. August in den Zürcher Kinos.
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