Von adminZoZuBo ‒ 20. September 2018
Das Gespräch mit Niklaus Forrer findet mitten in den Reben statt. Bereits am 6. September ist es Zeit für den Wümmet im Zolliker Rebberg Buechholz. Der Winzer erklärt, weshalb an der diesjährigen Traubenlese das Höchste der Gefühle erreicht ist – bei den Erntehilfen, wie auch bei ihm selbst.
Wir sind fast einen Monat früher dran als gewöhnlich. Bis vor vier Jahren fand die Weinlese stets Anfang Oktober statt. Doch die Intervalle sind immer kürzer geworden. Der Termin der Ernte hat sich aufgrund klimatischer Veränderungen stets ein wenig nach vorne verschoben. Südwest-Winde, die Wärme zu uns bringen, sind häufiger geworden. Das heisst aber nicht, dass wir nicht immer wieder mit kalten Phasen – wie wir sie letzten Frühling erlebten – rechnen müssen. Und sicherlich sind weitere Hitzesommer zu erwarten.
Der Blust war bereits am 10. Mai vorüber. Das ist unglaublich früh! Aufgrund der anhaltenden Wärme wollten die Reben vorwärts machen. Früh trugen sie schöne Beeren, die aber lange klein blieben. Der Regen der letzten Tage hat die Beeren nun gefüllt. Sie sind gross und saftig geworden. Zudem sind die Beeren ungewöhnlich makellos! Sie sind einfach schön! Es gibt keine verletzten, und praktisch nichts, was wir aussondern müssten. Entsprechend klein ist der Leseaufwand.
Ja, das haben sie ihrem Alter – sie wurden 1958 gepflanzt – zu verdanken: In all den Jahren wuchsen die Wurzeln und reichen daher tief in die Erde, wo sie auch an trockenen Tagen Wasser finden. In den vergangenen Wochen haben die Reben jedoch vereinzelt gelbe Blätter bekommen. Das ist ein Zeichen für Kalium- und Magnesiummangel. Die aufgenommene Flüssigkeit war also nicht immer reichhaltig genug, um auch Nährstoffe aus dem Boden in die Pflanzen zu transportieren. Glücklicherweise verzeichneten wir kaum Tropennächte. So konnten sich die Stöcke in den Nächten besser ausdünsten. Das heisst, sie konnten besser atmen, indem sie Wasser aussonderten. Auf diese Weise erholen sie sich von «der Arbeit» am Tag.
Den Öchslegrad haben die Trauben heuer sicher früher erreicht. Heute Morgen betrug er 82 Grad, was im Vergleich zur Erntemenge in anderen Jahren gut ist. Die Beeren hatten früh im Jahr überdurchschnittlich viel Sonne. Wir dürfen sie jedoch nicht zu lange hängen lassen. Erstens damit sie nicht anfangen zu faulen, und zweitens benötigen wir auch Säure, damit der Wein haltbar bleibt. Unser Riesling-Sylvaner ist nicht mit einem Solaris vergleichbar, der hundert Öchslegrad aufweist und wenig Säure enthält. Trotzdem schaffen wir es mithilfe der Kelterkünste Erich Meiers, für die Gemeinde einen fruchtigen, recht lieblichen Wein herzustellen.
Ich schätze, wir werden bis zum Mittag rund zwei Tonnen* ernten – ähnlich wie vor zwei Jahren. Im vergangenen Jahr pflückten wir aufgrund der Frostschäden lediglich 500 Kilogramm. Jeweils im Frühling bestimme ich, wie viele Trauben ich an einem Stock hängen lasse. In diesem Jahr liess ich jeweils drei Trauben an den sogenannten «Ruten», dem Tragholz der Rebe, hängen.
Der Zustand der Pflanzen sowie die Ausbeute im Vorjahr. Ich werde mir beispielsweise im nächsten Frühling überlegen, ob ich nur zwei Trauben an den einzelnen «Fruchtruten» hängen lasse, damit sich die Stöcke von der Arbeit in diesem Jahr erholen können – und wir Winzer und Lesehelferinnen und -helfer ebenfalls.
Im Winter, sobald die Reben im Ruhezustand sind, ist der Schnitt die erste Handlung und zugleich die wichtigste Vorbereitung für den Stock. Denn je nach Schnitt können die Reben im Sommer bis ans Ende der «Strecker» – das sind die stehen gelassenen Ruten, die mit Drähten festgebunden wurden –, hinaus «Fruchtruten» tragen. Im Winter bringen wir zudem wieder Ordnung in den Rebberg, indem wir die Stützstangen gerade neben die Stöcke in den Boden schlagen und Drähte ersetzen. Im Februar folgt der Streckerschnitt, damit die Reben wieder Kraft für neue Triebe haben. Diese ordnen wir anschliessend mit Hilfe der Drähte, damit im Sommer nicht zu viele Trauben am selben Ort wachsen. Ab Frühling müssen wir immer wieder «läuble», also Laub entfernen, damit die Beeren genügend Licht erhalten. Auch die Bodenpflege gehört dazu: Unter den Reben lassen wir verschiedene Pflanzen wie Gras oder Brennnesseln wachsen, welche den Wurzeln der Reben Schatten und Feuchtigkeit spenden. Diese Bodenpflanzen dürfen aber nicht alles zuwuchern, weshalb wir sie regelmässig schneiden. Da unsere Trauben anfällig für Pilze und Mehltau sind, müssen wir bis Anfang August immer wieder Pflanzenschutzmittel spritzen. Ebenfalls im Sommer bringen wir die Netze gegen Vögel und Insekten an. Und als Abschluss unseres Weinjahres findet der Wümmet statt.
Schlecht, glücklicherweise! Noch im Frühling habe ich zahlreiche dieser Schädlinge in den Kirschbäumen entdeckt. Die anschliessende Trockenheit und Hitze hat sie jedoch sterben lassen. Doch dank meiner Netze bin ich auch wieder für andere Zeiten gewappnet. Damit decke ich seit vier Jahren die Reben ab. Ein Aufwand, der sich sehr bewährt hat.
Bei den anfälligen Riesling-Sylvaner-Trauben können wir leider nicht mit biologischen Mitteln arbeiten. Diese sind zu wenig wirksam. In diesem Jahr hatten wir das Glück, dass wir aufgrund der ausbleibenden Feuchtigkeit lediglich sechs Mal spritzen mussten. Das ist halb so viel wie im vergangenen Jahr. In Zukunft werden wir aber sicherlich darüber nachdenken, unsere schöne Zürcher Traube durch eine resistente zu ersetzen. Damals im Jahr 1958, als der Riesling-Sylvaner hier angepflanzt wurde, gab es noch wenige alternative weisse Weintraubensorten für das Zürichseegebiet.
Seit 2010. Ich habe die Arbeit von Dölf Haldi übernommen, der damals pensioniert worden ist. Mit dem 20-Prozent-Pensum bin ich im Schnitt über 400 Stunden pro Jahr in den Reben. Das ist die ideale Ergänzung zur Arbeit in meinem eigenen Geschäft für Baum- und Gartenpflege.
Das war der Frost im letzten Jahr. Beeindruckt hat mich nicht nur der Schaden, sondern insbesondere auch die Kraft der Reben: Nach der Kälte waren sie komplett dürr, hatten aber sofort wieder Kraft, um erneut zu ergrünen und zu überleben.
Ich finde die Natur generell faszinierend. Und die Rebe ist eine spezielle Pflanze: Sie macht, was sie will. Doch wir können versuchen, sie etwas zu lenken. Leisten wir dabei gute Arbeit, gibt es einen guten Tropfen.
Das werden wir im Frühling wissen. Noch heute kommt die ganze Ernte nach Uetikon zu Erich Meier. Er verarbeitet den Traubenmost und schenkt ihm seine Note, indem er ihn nach seinem besten Wissen und Gewissen zu Wein ausbaut. Ich bin sicher: Heuer haben wir die schönsten Trauben seit eh und
je geerntet. So wird auch der Wein uns an diesen Prachtsommer erinnern. (Interview: mpe)
*Mitten im Interview – bereits um 10.30 Uhr – waren alle fünf Edelstahlstanden (Bottiche), die ein Volumen von je 400 Kilogramm fassen, zum Überquellen voll. Weshalb Niklaus Forrer seine Arbeit in den Reben rassig beendete, etwas früher als geplant, das Fleisch für das Helferessen in den Smoker schob und mit dem voll beladenen Anhänger nach Uetikon auf das Weingut von Erich Meier fuhr, um sie dort gegen leere Behältnisse einzutauschen. Nach Ernteabschluss kurz nach 12 Uhr waren insgesamt 2352 Kilogramm Trauben zusammengekommen.
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