Von adminZoZuBo ‒ 1. Februar 2019
Pauline als fleissige alternative Kleinbäuerin. (Bild: Niels Ackermann )
Schon verliebt? – Pauline hat bald nur noch Augen für den weit gereisten Ingenieur. (Bild: Niels Ackermann )
Einmal mehr macht die Schweizer Regisseurin Bettina Oberli in ihrem neuen Film «Le vent tourne», der diese Woche in den Zürcher Kinos anläuft, Emanzipations- und Selbstfindungsprozesse bei Mann und Frau zum Thema.
Die Schweizer Regisseurin Bettina Oberli ist diesmal nach eigenem Bekunden aus ihrer Komfortzone ausgebrochen und hat erstmals einen Film in französischer Sprache gedreht. Auch ihre Protagonistin Pauline (Mélanie Thierry) im neuen Film «Le vent tourne» bricht aus ihrer Komfortzone aus. Nach vielen Jahren gemeinsamen Lebens und Arbeitens auf einem abgelegenen alternativen Bauernhof im französischsprachigen Jura mit ihrem Lebenspartner Alex (Pierre Deladonchamps) ist es Zeit für Neues. Lieb gewonnene Gewohnheiten werden über Bord geworfen und bisherige Bahnen und Männer verlassen.
Als «Ausstiegshilfe» fungiert der unbekümmerte und attraktive Ingenieur Samuel (Nuno Lopes), der zusammen mit weiteren Technikern und Arbeitern auf dem Gelände des Hofes eintrifft, um eine Windturbine zu installieren. Aber er ist wohl eigentlich nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Schon lange vorher und wohl schleichend hat sich bei der Protagonistin die Bereitschaft für weitere Entwicklungsschritte aufgebaut. So könnte man vielleicht sagen, dass die teilweise etwas nervöse Handkamera auch die innere Unruhe der Hauptdarstellerin zum Ausdruck bringt. Dass es in der Tat höchste Zeit ist für Veränderungen, äussert sich auch darin, dass in der gegenwärtigen Konstellation neues Leben auf dem Hof gar nicht mehr entstehen kann. Es gibt nämlich nur noch Totgeburten beim Vieh auf dem Hof.
Wie bereits erwähnt, bringt letztendlich auch hier ein Neuankömmling wie so oft alles durcheinander und schliesslich ins Rutschen. Und wie in so vielen Geschichten in so vielen Filmen ist sich das spätere Liebespaar zuerst einmal spinnefeind, bevor die gegenseitige – sexuelle – Anziehungskraft stärker wird und alles dominiert. Diese Feststellung ist nicht als Kritik gedacht, sondern als offenbar fast universell gültige menschliche Erfahrung. Dass sich Paulines langjähriger Lebenspartner Alex nach und nach in verschiedener Hinsicht auch als Fundamentalist outet, was Pauline eher weniger entspricht, macht es ihr schliesslich zusätzlich leichter, sich neu zu orientieren. Aber erst der tragische vollständige Zusammenbruch aller bisherigen (Lebens-) Träume auf dem Hof in einem dramatischen Finale besiegelt
Wie bereits in ihrem letzten Kinospielfilm «Lovely Louise» von 2013, in dem es um Loslösungsprozesse von Müttern und Söhnen ging, emanzipieren sich auch in «Le vent tourne» die Protagonisten aus bestehenden langjährigen Beziehungen und Abhängigkeiten. Der ein Stück weit kammerspielartige Film zeigt nuancenreich und mit überzeugenden Schauspielern, wie langwierig und schmerzhaft solche Veränderungsprozesse sein können. Aber auch um wie viel gereifter und unabhängiger man nach solchen Entwicklungsschritten für die Zukunft ist und über wie viel mehr Klar- und Weitsicht man danach verfügt. (df)
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