Von adminZoZuBo ‒ 26. Juli 2019
Familie Ki-taek hält sich mit dem Falten von Pizzaschachteln über Wasser. (Bild: zvg)
Der am 1. August in Zürich anlaufende Spielfilm «Parasite» gewann dieses Jahr die Goldene Palme von Cannes und erzählt die irritierende Geschichte von zwei miteinander verschlungenen Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Von Filmen, die an Festivals ausgezeichnet werden, erwartet der Kinogänger immer etwas Besonderes. Viele prämierte Werke taugen aber häufig nur zum sofortigen Verzehr, treffen irgendwie den immer kurzlebigeren Zeitgeist und geraten schon bald bereits wieder in Vergessenheit – was natürlich auch mit der unaufhörlichen und stetig steigenden Flut von neuen Filmen zu tun hat. Nur ganz wenige Werke haben das Zeug zum Gesamtkunstwerk und zum auch spätere Generationen ansprechenden Klassiker. Auch die südkoreanische Produktion «Parasite» von Regisseur und Autor Bong Joon Ho, die dieses Jahr in Cannes mit dem Hauptpreis des Festivals ausgezeichnet wurde – und die tatsächlich in jeder Hinsicht gut gemacht und besetzt ist – muss diesen langen Weg der Bewährung erst noch gehen. Trotz alledem erstaunt es stets aufs Neue, welche überraschenden Geschichten der menschliche Geist zu kreieren immer wieder im Stande ist. Auch im Fall von «Parasite». Familie Ki-taek haust im versifften Keller eines Stadthauses in einem degenerierten Viertel einer südkoreanischen Grossstadt. Besoffene urinieren an die Hauswand und Kakerlaken huschen über den Küchentisch. Die Familie ist nach beruflichen und schulischen Fehlschlägen im wahrsten Sinn des Wortes ganz unten angekommen. Ein unverhofft erhaltener magischer Stein soll die Wende und neuen Wohlstand bringen.
Wenn auch nicht aus eigener Kraft, so doch mit der Hilfe eines Freundes kann Ki-Woo, der Junior der Familie Ki-taek, anfangen, Jung Ziso, der Tochter der reichen Familie Park, trotz zweifelhaften Qualifikationen Privatunterricht in englischer Sprache zu erteilen. Nach und nach umranken sich die Schicksale der Unter- und Oberschichtfamilie immer mehr. Und mit einer Überlebensenergie und einem Überlebenswillen, die teilweise bereits ins Kriminelle gehen, werden die primären Bedürfnisse der Familie Ki-taek, nämlich essen und trinken, erst einmal gestillt. Wie wusste schon Bertold Brecht: Erst kommt das Fressen und dann die Moral. Wobei dies genauso gut auf die Familie Park zutreffen könnte.
Der Film spielt zwar in Südkorea, könnte aber an vielen Orten dieser Welt bzw. in vielen Ländern und Städten handeln. Hier wie dort scheint der Range Rover Sinnbild eines arrivierten und gehobenen Lebensstiles zu sein. Hier wie dort schafft der hoch entwickelte Kapitalismus neben viel anderem auch Ungleichgewichte in einem noch nie da gewesenen Ausmass. Und wie Autor Bong Joon Ho fragt man sich unwillkürlich, ob und wie lange das gut gehen kann. Wie kann es sein, dass die einen in einem verlausten Keller hausen und nichts haben und die anderen in einem paradiesähnlichen, aber abgeschotteten Garten leben und quasi über alles verfügen? «Parasite» greift viele universelle Probleme unserer Zeit auf und wird dadurch zu einer irritierenden und teilweise auch deprimierenden Parabel auf die moderne Welt.
Unser Filmkritiker Daniel Frey meint: 4 von 5 Sternen.
«Parasite», Komödie, Drama, Thriller, 2h 12 min, ab 1. August 2019 in den Zürcher Kinos. Link zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=SEUXfv87WpkANMELDEN
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