Von Daniel Frey ‒ 5. März 2020
Roy Anderssons neuer Film «About Endlessness» ist ein aus einzelnen «Bildern» zusammengefügtes Kunstwerk.
Es geht um Kunst. Die Kunst, das Leben und die Vielfalt der menschlichen Existenz darzustellen. Das wird schon ganz zu Beginn klar, als ein eng umschlungenes Liebespaar am dunklen nordischen Nachthimmel langsam auf die Zuschauer zuschwebt. Es ist die Eröffnung eines Reigens von «Bildern», die scheinbar beliebig ausgewählt und aneinandergereiht sind. «Bilder», die von einer unbeweglichen Kamera festgehalten werden und in sich jedes Mal eine kleine Geschichte erzählen. Geschichten von Glück und Verzweiflung, von Erlösung und Verdammnis und von Trauer und Schmerz. Teils sind die «Bilder» miteinander inhaltlich verbunden, teils sind sie völlig isoliert. Eine unbekannte Erzählerin gibt in der Regel am Anfang jedes Bildes einen Einführungssatz ab. Jedes Bild ist eine eigene Komposition, sowohl farblich als auch atmosphärisch. Die Dialoge sind, falls überhaupt vorhanden, kurz und selber episodenhaft. Positive Emotionen, Freude und Lachen, fehlen praktisch ganz, bestenfalls werden verhalten positive Gefühle gezeigt. Trauer, Weinen und Leiden, kommen viel häufiger vor. Dies ist die Weltsicht von Roy Andersson, dem mittlerweile 77-jährigen und vielfach ausgezeichneten schwedischen Regisseur, der diese Art des Filmemachens perfektioniert hat und als eigenes Stilmittel verwendet. Bei der Kritik hat er damit Erfolg. «About Endlessness» wurde 2019 am Filmfestival von Venedig mit dem «Silbernen Löwen» für die beste Regie ausgezeichnet.
Alles ist Energie. Und sie kann nicht vernichtet werden, sondern höchstens ihre Form ändern. So erklärt ein junger Student seiner Freundin den ersten Hauptsatz der Thermodynamik, während sie auf dem Bett sitzt und ihr Haar kämmt. Die Energie währt ewig. Auch wir Menschen sind alle Energie. «So kann es sein, dass sich unsere Energien in Millionen Jahren wieder begegnen», erklärt er ihr weiter, «und dass dann aus dir eine Kartoffel oder eine Tomate geworden ist.» – «Dann bin ich lieber eine Tomate», gibt sie lakonisch zur Antwort und kämmt weiter ihr Haar.
Es sind vielleicht zwei Dutzend solche «Bilder», die während des Films gezeigt werden. Eine Auswahl davon: «Todesmarsch der Kriegsgefangenen nach Sibirien», «Ein Vater bindet der Tochter im strömenden Regen die Schuhe», «Eine Frau wird am Bahnhof nicht abgeholt», «Ein Mann träumt, er werde wie Jesus gekreuzigt» oder «Ein Soldat wird für das Erschiessen durch ein Erschiessungskommando vorbereitet», «Ein Pfarrer geht zum Psychiater, weil er seinen Glauben verloren hat». Wie gesagt, eine Auswahl.
Wer Lust hat auf Abwechslung und darauf, einmal einen Film in einer vielleicht etwas ungewohnteren Form zu sehen, kommt mit «About Endlessness» voll auf seine Kosten.
Unser Filmkritiker Daniel Frey meint: 3,5 von 5 Sternen
«About Endlessness» (2019), Drama,
1 Stunde 18 Minuten, ab 5. März in den Zürcher Kinos.
Trailer zum Film
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