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«Jugi? Kenne ich nicht!»

Von Antje Brechlin ‒ 17. September 2020

Die Jugendarbeit ist in Zollikon und Zumikon unterschiedlich organisiert. Wie funktioniert sie? Wird sie überhaupt genutzt? Und von wem? Wir haben uns umgehört und umgesehen. Was in Zollikon alles andere als einfach war.

«Jugi? Mojuga Jugendarbeit? Kenne ich nicht.» So lautet die einhellige Antwort einer Gruppe Sechstklässler der Primarschule Oescher auf die Frage, ob sie am Mittwochnachmittag das Jugi besuchen. Hellhörig geworden, befragten wir 25 Sechstklässler. Fazit: Die Zolliker Jugendarbeit ist nicht existent. Seit fünf Jahren wird diese von der privaten Firma Mojuga AG organisiert, nachdem der Verein «Jugend und Freizeit» sich über 30 engagiert hatte.

Das Jugi ist mittwochs von 14 bis 16 Uhr für die Mittelstufe, ab 16 bis 18 Uhr für die Sekundarstufe geöffnet und zusätzlich freitags von 18 bis 22 Uhr für die Sekundarstufe reserviert. Um einen Einblick zu bekommen, besuchten wir das Jugi in den vergangenen drei Wochen viermal unangemeldet. Zweimal haben wir einen Jugendarbeiter angetroffen, aber keinen Jugendlichen. Der Mitarbeiter durfte keine Auskunft geben, die Anfragen werden von der Mojuga-Regionalleiterin Alexandra Matulla bearbeitet und mit der Gemeinde abgesprochen. In zwei bis vier jährlichen Sitzungen koordinieren die Abteilung Gesellschaft, die Schule und Mojuga die Jugendarbeit. Das heisst, die Gemeinde wählt aus dem Dienstleistungsangebot der Mojuga aus, diese setzt das Gewünschte um. Für jährlich 155 000 Franken.

Unser unangemeldeter Besuch, dazu mit der Kamera, hat Mojuga im Nachhinein als Eindringen in den geschützten Jugendraum kritisiert. Hätte sich der Zolliker Zumiker Bote angemeldet, «hätte man sicher auch ein paar Jugendliche im Jugendhaus angetroffen.» Laut einem Auftrag der Gemeinde seien die ­Mojuga-Mitarbeiter dieses Jahr eben vermehrt «aufsuchend» unterwegs. Das heisst, sie gehen durchs Dorf und versuchen Kontakte zu Jugendlichen aufzubauen, sie über die Angebote der Jugi zu informieren. Vor allem während des Lockdowns sei dies eine Möglichkeit gewesen, den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufrechtzuerhalten.

Gemäss dem Auftrag der Gemeinde richten sich die Angebote vor allem an Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Im Rahmen der «feel-ok»-Woche würden sich die Mojuga-Leute jedes Jahr der 1. Sekundarstufe vorstellen. Dieses Jahr ist dies in der zweiten Novemberwoche geplant. Letztes Jahr hätten sie eine Welcome-Party für alle Schüler und Schülerinnen der 1. Sekundarstufe organisiert. Im Herbst wolle man auch an einem Samstagabend im Monat eine offene Turnhalle im Schulhaus Oescher oder Buechholz anbieten.

Tim W. wohnt im Zollikerberg und geht in die 2. Sekundarklasse im Schulhaus Buechholz. Er hat das Jugi­ vor allem im letzten Herbst/Winter mit seinen Freunden frequentiert. «Ich bin DJ und habe einmal im Monat die Last-Friday-Party in Zusammenarbeit mit Mojuga organisiert. Von 18 bis 22 Uhr war das unser Abend. Meistens waren wir zwischen 30 und 40 Leute. Wegen Corona konnten wir nicht mehr weiter machen, aber ich hoffe, dass ich ab Oktober, wenn die Tage kürzer und das Wetter schlechter werden, wieder loslegen kann.»

Unsere Frage, weshalb die Mittelstufe kaum einbezogen werde, findet Mojuga unberechtigt. Im Jugi warte eine weisse Wand darauf, neu besprayt zu werden, es könne gekocht oder grilliert werden. Ein Töggelikasten stehe immer parat. Allerdings, betont Alexandra Matulla, sollen die Ideen grundsätzlich von den Jugendlichen kommen. Die Mojuga sei für alle Projekte offen und helfe mit, diese zu realisieren. Sie erwähnt die Saftbar bei der zweimal jährlich stattfindenden Mittelstufen-Disco. Und für den Treff am ­Mittwochnachmittag würden am schwarzen Brett der Gemeinde, dem Freizeitdienst, der Migros-Tiefgarage und der Bibliothek Flyer angebracht. Flyer würden auch durch die Lehrpersonen der Schule Rüterwis im Zollikerberg verteilt. Wir fanden bis 14. September keine Flyer auf unserem Rundgang: weder am schwarzen Brett in der Migros-Tiefgarage, noch bei der Gemeinde und der Bibliothek Zollikon. Warum macht das Oescher Schulhaus nicht auch mit Flyern auf den Mittelstufentreff aufmerksam?

Dabei betont Mojuga in einem Statement, dass es von Vorteil sei, die Kinder würden die Jugendarbeitenden kennen, bevor sie in die Pubertät kämen.

Aktive Jugendarbeit in Zumikon

Die Gemeinde Zumikon hat einen Leistungsauftrag für die Jugend­arbeit sowie für ein breites sozio­kulturelles Freizeitangebot an den Verein Freizeitzentrum vergeben. Dieser wurde 1979 von einer Elterngruppe initiiert und mit anderen interessierten Vereinen gegründet. Das Angebot des Freizeitzentrums umfasst neben der Jugendarbeit auch die Holz- und die Keramikwerkstatt, die Galerie Milchhütte, Projekte und Veranstaltungen mit Freiwilligen, das Kurs- und Vermietungswesen sowie die Leitung des Zentrums. Die Gemeinde unterstützt den Verein mit jährlich maximal 385 000 Franken für die gesamte Soziokultur. Parallel erhält der Verein Beiträge von den beiden Kirchen Zumikons. Die reformierte Kirche beteiligt sich mit jährlich 55 000 Franken für die Soziokultur, die katholische Kirche mit 15 000 Franken speziell für die Jugendarbeit. Das Sekretariat des Freizeitzentrums ist zweimal in der Woche vormittags, zweimal nachmittags geöffnet.

Ideen für Projekte stammen ausschliesslich von Kindern und Jugendlichen. Die Mitarbeitenden der Jugendarbeit helfen bei der Umsetzung. So sind zum Beispiel regelmässige Mädchentreffen, die offene Turnhalle sowie verschiedene jugendkulturelle Anlässe wie Konzerte, Kleidertauschbörsen und Filmabende entstanden. Auf Wunsch der Jugendlichen wurde auch eine Jobbörse ins Leben gerufen. Hier bessern sie ihr Sackgeld auf, und nebenbei wird der Dialog zwischen den Generationen gestärkt. Aufträge können bei den Jugendarbeitenden deponiert werden; sie funktionieren als Bindeglied zwischen Jugendlichen und Auftraggebern. Auch in Zumikon sind die Jugendarbeitenden auf Strassen und Plätzen unterwegs, um Kontakte aufzubauen. Die Jugendinfo hat am Mittwochnachmittag und Freitagabend geöffnet. Dort werden Projektideen besprochen und geplant, Räume für private ­Partys vermietet, oder am Töggelikasten gespielt, teilt Dennis Padel, Leiter des Freizeitzentrums Zumikon auf Anfrage mit. In Zumikon wird versucht, die Kinder bereits in der Mittelstufe zu gewinnen und mittels Jugendarbeit an den Ort zu binden, da sie nach der 6. Klasse nach Zollikon oder Zürich zur Schule gehen. Die ­Jugendarbeit wird den Kindern ab der 5. Klasse vorgestellt. Sie offeriert zum Beispiel sexual­pädagogische Workshops in den Schulklassen. Oder für die Primarstufe die Dakakuwama-­Waldwoche, welche wie die meisten Projekte in Zusammenarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen organisiert wird.


Vorgeschichte Zollikon

Bis 2015 wurde die Zolliker Jugendarbeit über den Verein Jugend und Freizeit organisiert: Das Angebot war vielfältig, das Jugihaus stetig frequentiert. Der Verein fühlte sich jedoch zunehmend drangsaliert durch die Einschränkungen der Gemeinde. So wurden aus feuerpolizeilichen Gründen nur noch 50 Personen pro Anlass zugelassen; grössere Festivitäten waren für die Nachbarn nicht mehr vertretbar. Der Verein schmiss nach über 30 Jahren das Handtuch und löste sich 2015 auf. Darauf genehmigte der Gemeinderat eine Leistungsvereinbarung mit der auf Jugendarbeit spezialisierten Firma Mojuga AG. Erst auf ein Jahr beschränkt, hat die Gemeindeversammlung vom 13.6.2018 den Vorschlag der Gemeinde angenommen, die Jugendarbeit mit Mojuga zu gestalten. Zum Preis von jährlich 155 000 Franken. Von den beiden Kirchen komme kein finanzieller Zustupf, sie hätten laut ­Markus Gossweiler, Gemeindeschreiber der Gemeinde, ihre eigene Jugend­arbeit ausgebaut. Die zuständige Abteilung Gesellschaft unter Vorstand Otto Bieri betont auf Anfrage ihre Zufriedenheit mit der Arbeit der Mojuga AG.

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