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Herbstzeit ist Pilzzeit

Von Antje Brechlin ‒ 8. Oktober 2020

Bis November spriessen und gedeihen sie auf Wiesen und Rasen, am Wegesrand und im Wald. Wegen ihres Geschmacks sind Wildpilze für viele eine willkommene Bereicherung des Speiseplans. Aber Achtung: Speisepilze haben oft giftige Doppelgänger. Wer seine Pilzbeute kontrollieren lässt, kann die anschliessende Festmahlzeit ohne ungutes Gefühl geniessen.

Einige aus dem Mittelalter überlieferte Weisheiten über Giftpilze, die sich als völlig falsch erwiesen haben, halten sich noch ­immer hartnäckig: Weder das Verfärben eines Silberlöffels im Pilzgericht noch das Verfärben des Pilzfleisches beim Schneiden oder Schnecken-­ und Madenfrass lassen eine Aussage über die Essbarkeit eines Pilzes zu. Der Pilzkontrolleur hingegen kann mit Sicherheit feststellen, ob es sich zum Beispiel um einen essbaren Perlpilz oder seinen giftigen Doppelgänger, den Pantherpilz, handelt.

Ungefähr seit der zweiten Septemberwoche spriessen die Pilze in der Region Pfannenstiel vermehrt. Verantwortlich ist wahrscheinlich das Wetter, denn Pilze brauchen Feuchtigkeit und Wärme. Zurzeit können etwa essbare Steinpilze, Pfifferlinge, Täublinge und Semmel-­Stoppelpilze gefunden werden. Doch aufgepasst: Auch Giftpilze wie der Grüne Knollenblätterpilz und der Pantherpilz zeigen ihre Fruchtkörper. Auch bei den Röhrlingen, die gerade Hochsaison haben, besteht Verwechslungsgefahr: Statt des geniessbaren Hexen-­Röhrlings sammeln Laien dann manchmal den giftigen Satans-­Röhrling, der ähnlich aussieht und ähnlich grosse Fruchtkörper bildet. So präsentierte etwa ein Sammler dem Pilzkontrolleur Hans-­Peter Neukom ein 800 Gramm schweres Exemplar dieses Giftpilzes.

Der Experte rät Pilzsammlern, die sich nicht gut auskennen, zwei bis drei Exemplare von unbekannten Arten zu sammeln und damit zum Kontrolleur zu gehen. So lerne man mit der Zeit die essbaren von ungeniessbaren und giftigen Pilzen zu unterscheiden. «Zwar gibt es auch Apps oder Pilzbücher, die die Pilze bebildern und Merkmale beschreiben, aber in der Natur können Pilze manchmal von den Bildern abweichen», mahnt er.

Dem Pilzexperten ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass immer mehr Familien mit Kindern Pilze sammeln gehen. Derzeit beraten die Pilzkontrolleure in Küsnacht am Dienstag und Donnerstag etwa zehn Sammlerinnen oder Sammler und am Wochenende deutlich mehr. Wichtig ist, möglichst am gleichen Tag mit den gesammelten «Fungi» zur Kontrolle zu gehen. Es gibt nämlich geniessbare Pilze, etwa den Schopf-Tintling, die rasch verderben und daher noch am Sammeltag in der Küche verwertet werden müssen.

Amüsante Momente

In seiner langen Tätigkeit als Pilzkontrolleur hat Hans-­Peter Neukom auch einige amüsante Momente erlebt. So kamen vor einigen Jahren Sammler vorbei, die hofften, psychedelisch wirkende Pilze gesammelt zu haben. Zum Leidwesen der Sammler entpuppten sich die vermeintlichen Magic Mushrooms als giftige Risspilze. Weniger lustig sind die leichten und schweren Vergiftungen, zu denen es durch nicht kontrollierte Pilze immer noch Jahr für Jahr kommt. Manchmal handelt es sich nicht nur um Unglücksfälle, sondern auch um verbrecherische Taten. So ging ein besonders tragischer, für die Schweiz wohl einmaliger Mordfall im September 1993 in die Geschichtsbücher ein. Durch Injektion eines Presssaftes aus Grünen Knollenblätterpilzen haben eine 25-­jährige Frau und ihr gleichaltriger Freund in Uerikon den Ehemann der Frau auf skrupellose Weise umgebracht. Das Urteil lautete: lebenslänglich Zuchthaus.

Geheimsache Pilzspot

In der Schweiz wachsen rund 6500 Grosspilzarten. Das sind Pilze, deren Fruchtkörper mindestens drei Millimeter und grösser werden. Die meisten davon sind ungeniessbar, rund 200 sind mehr oder weniger giftig. Gut 300 Pilze sind aber essbar und zum Teil begehrte Delikatessen, etwa Morcheln, Steinpilze, Eierschwämme und Trüffeln.

Wer einen Pilz-­Hotspot findet, darf sich glücklich schätzen. Denn manche Pilzarten können über Jahre am selben Standort wachsen. Abhängig von Wetter und Temperatur, aber nicht immer zur genau gleichen Zeit, sind köstliche Wildpilze fast garantiert. Wer einen richtig guten Pilzspot gefunden hat, gibt dessen Standort meist nicht mal am Stammtisch oder den besten Freunden preis.


Pilzkontrolle: Wo und wann?

Trotz eines engen Netzes an Pilzkontrollstellen in der Schweiz ereignen sich jedes Jahr leichte und schwere Vergiftungen durch nicht geprüfte Pilze. Pilzexperte Hans-­Peter Neukom rät: «Beim geringsten Zweifel sollen auch erfahrene Sammler ihre ganze Pilzernte von einem ausgewiesenen Experten prüfen lassen, damit die Pilzmahlzeit nicht zum Leidmahl wird.» Das Pilzkontrolllokal der Gemeinde Küsnacht und den angeschlossenen Gemeinden Erlenbach, Herrliberg, Zollikon und Zumikon befindet sich beim Gemeindehaus neben dem EW-­Laden an der Oberen Dorfstrasse 32. Die Öffnungszeiten nach den Sommerferien im August bis zirka Mitte November sind: Dienstag und Donnerstag von 18.30 bis 19.30 Uhr, Samstag und Sonntag 18 bis 19 Uhr.

Weitere Infos zu Pilzkontrollstellen und kantonale Pilzschutzverordnungen können über die Gemeinden oder unter www.vapko.ch eingeholt werden. Hilfe bei Pilzvergiftungen: Tox Info Suisse, 24-­Stunden-­Notfallnummer 145 oder www.toxinfo.ch

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