Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 14. Januar 2021
Die jüngeren Kinder waren mit Papa unterwegs, die älteren Schüler nutzen das Internet als Ventil.
Geht es um die Massnahmen rund um die Pandemie, werden auch immer wieder Schulschliessungen diskutiert. Einerseits heisst es, die Schulen seien keine Viren-Hochburgen, andererseits wird vermutet, durch die vermehrte Mobilität würden die Viren doch schneller verbreitet.
André Becchio plädiert dafür, die Primarschulen so lange wie möglich offen zu halten. Der Schulsozialarbeiter aus Zumikon denkt dabei gar nicht so sehr an den Unterrichtsstoff, sondern an den sozialen Aspekt. «Es ist wichtig, dass die Kinder sich sehen und auch eine Tagesroutine und Struktur haben», unterstreicht er. Er glaubt auch nicht, dass die Schulen erneut komplett geschlossen werden. «Zunächst würde es sicherlich mit Halbklassen probiert.»
Grundsätzlich hätten sich die Themen, mit denen er als Sozialarbeiter konfrontiert wird, während der Pandemie nicht sehr verändert. «Kinder im Primarschulalter gehen mit ihren Sorgen zu den Eltern oder Geschwistern. Die klopfen nicht an meine Tür, um mir ihre Probleme zu schildern und Hilfe zu holen.» Zudem glaubt er, dass Zumikon eher kein Nährboden für grosse soziale Probleme biete. «Ich weiss aber, dass dies in Teilen der Stadt Zürich anders aussieht. Da können enge Wohnverhältnisse oder der Verlust der Arbeitsstelle andere Auswirkungen haben.»
So haben die Jugendberatungsstelle für den Bezirk Meilen namens Samowar, Therapeuten oder auch das Schlupfhuus in Zürich aktuell einen grossen Zulauf.
Was André Becchio freut: Während der Schulschliessung im Frühjahr hatten manche Eltern noch Angst und schickten ihre Kinder nicht zu den Kontakttagen in die Juch-Schule, sondern liessen sich die Aufgaben vorbeibringen. Das sieht nun ganz anders aus. «Unserem Schutzkonzept wird vertraut. Es funktioniert auch wirklich. Die Eltern haben keine Bedenken mehr.» Und noch eine positive Erfahrung hat er gemacht: «Ich habe noch nie so viele Väter mit ihren Kindern auf dem Velo oder auf dem Spielplatz gesehen wie im vergangenen Lockdown.»
Auch Heike Junge, Schulsozialarbeiterin an der Sekundarschule, sieht nicht, dass die Pandemie ihre Arbeit sehr verändert hat. Natürlich sei Corona immer mal wieder Thema – vor allem, wenn ein Schüler eine Erkrankung in der Familie hatte. Aber grundsätzlich stünden bei ihr die üblichen Themen wie Prüfungsangst, Auseinandersetzung mit Eltern oder Freunden, Beziehungsprobleme oder auch die Berufswahl im Vordergrund.
Allerdings glaubt sie, dass sich die Schüler und Schülerinnen ein anderes Ventil für den Frust suchen. «Die Jugendlichen gamen wesentlich mehr am PC, Smartphone oder Tablet als vorher.» Das sogar mit einer gewissen Toleranz oder zumindest Duldung. Die Eltern können keine Alternative mehr bieten, die Vereine, Kinos, Treffpunkte sind geschlossen. «Jugendliche sind sowieso lieber alleine, suchen nicht mehr den Kontakt zu Vater oder Mutter. Wenn sie zu Hause sein müssen, wählen sie lieber den virtuellen Kanal und kapseln sich so ab.» Dadurch würde auch das Thema «Mobbing» wieder grösser. Sei das eigene Kind betroffen, bekämen es die Eltern noch weniger mit.
«Natürlich bin ich absolut für das Tragen der Maske. Aber wir sind alle so vorsichtig geworden. Wie nah darf ich jemandem kommen? Ich kann einer traurigen Schülerin im Gespräch nicht mal über den Arm streichen. Das Intuitive geht so ein bisschen verloren.» Sie unterstreicht aber auch – wie ihr Kollege aus Zumikon – die Bedeutung der Schule als strukturgebende Massnahme.
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