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50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz

Von Tobias Chi ‒ 4. Februar 2021

Als Nationalrätin trieb Lili Nabholz die Gleichstellung der Frauen auf Gesetzesebene voran. Doch auch 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts liegt für die Zollikerin vieles noch im Argen.

Lili Nabholz engagiert sich weiterhin für die Gleichstellung der Frauen. (Bild: zvg)
Lili Nabholz engagiert sich weiterhin für die Gleichstellung der Frauen. (Bild: zvg)

Blickt Lili Nabholz auf den 7. Februar 1971 zurück, sieht sie sich voller Spannung vor dem Radio sitzen. «Die kantonalen ­Abstimmungsergebnisse kamen tröpfchenweise herein», erinnert sie sich. Der Jubel war gross, als das Endresultat endlich feststand: Das Frauenstimmrecht in der Schweiz war eine Tatsache! Den Rest des ­Tages verbrachte die damals 25-Jährige am Telefon, um den Triumph mit Freundinnen und weiblichen Verwandten zu teilen. Gefreut hatte sich Lili Nabholz auch für ihre Grossmutter. «Mein Grossvater war ein Patriarch alter Schule. Seine Frau durfte sich nur im Verborgenen für Frauenanliegen engagieren.»

Lili Nabholz wuchs in einem aufgeschlossenen Elternhaus auf. Die gebürtige Solothurnerin entschied sich für ein Jurastudium, das sie nach Zürich führte. Hier kam sie erstmals mit Frauenbewegungen in Kontakt. Auch wenn sie sich nicht an Emilie Lieberherrs «Marsch auf Bern» beteiligte, wurde sie an der Uni sensibilisiert für Themen wie Geburtenregelung oder die Legalisierung der Abtreibung. So richtig Feuer für die Sache fing sie jedoch erst nach ihrem Studium. Die frisch promovierte Juristin arbeitete an einer Rechtsberatungsstelle für Frauen im Kanton Zürich. «Ich kam mit allen möglichen Frauenschicksalen in Berührung und wurde mir erstmals meiner privilegierten Herkunft bewusst.»

Der vierte Schweizerische Frauenkongress

Zu jener Zeit lernte Lili Nabholz die Zürcher Stadträtin Regula Pestalozzi kennen, die in den 70er-Jahren den Bund Schweizer Frauenvereine präsidierte. Von ihr wurde Lili ­Nabholz angefragt, ob sie nicht das Präsidium für die Organisation des vierten Schweizerischen Frauenkongresses übernehmen wolle. Dieser Anlass war etwas Besonderes, weil er nur einmal in rund 25 Jahren stattfand – also einmal pro Generation. Lili Nabholz sagte zu und führte die Tagung 1975 in Bern mit grossem Erfolg durch.

Weiterhin in der Rechtsberatung für Frauen engagiert, zog Lili Nabholz 1987 mit ihrer Familie nach Zollikon. Im selben Jahr wurde sie als FDP-Vertreterin in den Nationalrat gewählt. In ihrer «Jungfernrede» im neuen Gremium setzte sie sich sogleich für die Einführung einer frauenfreundlichen Individualbesteuerung ein. «Das Anliegen hat selbst in der eigenen Fraktion für Stirnrunzeln gesorgt.» Weil das Thema bis heute pendent ist, lancieren die Freisinnigen Frauen zum 50-jährigen Frauenstimmrechtsjubiläum eine entsprechende Verfassungsinitiative.

Heftiger Widerstand gegen Tagesschule

Als Nationalrätin stand für Lili Nabholz die Bundespolitik im ­Fokus. Dennoch setzte sie sich auch in Zollikon für Frauenanliegen ein, namentlich für eine Tagesschule und Blockzeiten. «Das führte ­damals zu heftigem Widerstand», erinnert sie sich kopfschüttelnd. Traditionelle und moderne Rollenbilder seien aufeinandergeprallt. «Doch wir setzten uns letztendlich durch», sagt sie nicht ohne Stolz. Auch unterstützte sie die Zollikerin Alice Funk erfolgreich im Wahlkampf für den Gemeinderat.

Stolz ist Lili Nabholz auch auf ihre Erfolge auf Bundesebene. Sie führte das Gremium an, das den Bundesrat in Gleichstellungsanliegen beriet, und war im Initiativkomitee, das 1981 zur Verankerung des Gleichberechtigungsartikels in der Verfassung führte. «Dieser Artikel war der Auslöser für viele Gesetzesänderungen», berichtet die ehemalige Nationalrätin. Erstmals wurden Frauen als eigenständige Subjekte eingestuft, und die Erziehungs- und Betreuungsarbeit bekam einen höheren Stellenwert. Lili Nabholz war auch daran beteiligt, dass trotz enormer Widerstände ein zeitgemässes Eherecht durchgesetzt werden konnte.

Corona-Krise deckt Mängel auf

Trotz dieser Errungenschaften ist für Lili Nabholz die Gleichstellung der Frauen noch lange nicht in trockenen Tüchern. «Zwar haben wir gesetzlich einiges erreicht, doch steht vieles davon bloss auf dem Papier und ist in der Praxis schwer umzusetzen.» Missstände gebe es nach wie vor bei der Lohngleichheit, der sozialen Absicherung oder der Balance zwischen Familie und Beruf. Gerade die Corona-Krise habe viele Mängel wieder aufgedeckt: «Die Gewalt in der Familie hat stark zugenommen, und in ­ihrer Betreuungsrolle sind Frauen starken Belastungen ausgesetzt. Hier gibt es definitiv noch viel zu tun.»

Obwohl sich Lili Nabholz heute aus dem politischen Leben zurück­gezogen hat und sich gerne der ­Enkelbetreuung widmet, arbeitet sie abseits der Bühne an der Gleichstellung der Frauen weiter. «Es geht darum, sich im Kleinen zu engagieren und sich im nahen Umfeld gegenseitig Mut zu machen.»

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