Von Simon Bühler ‒ 27. Mai 2021
Seit 2018 gilt das neue Gemeindegesetz des Kantons Zürich. Es verlangt eine Revision der Gemeindeordnungen aller Gemeinden bis Ende 2021. Der Gemeinderat von Zollikon hat sich für eine Totalrevision entschieden. Am 13. Juni kommt der Vorschlag vors Stimmvolk. Dabei sorgt die Frage nach den künftigen Kompetenzen der Rechnungsprüfungskommission für eine Kontroverse.
In der Vernehmlassung bei Behörden, Parteien und in der Öffentlichkeit stiess die neue Gemeindeordnung grundsätzlich auf breite Zustimmung. Eine kontrovers diskutierte Frage betrifft allerdings die künftigen Kompetenzen des Prüfungsorgans für den Gemeindehaushalt: Dem bisherigen Modell einer Rechnungsprüfungskommission (RPK) steht der Vorschlag einer Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK) gegenüber. Eine RGPK könnte zusätzlich zur finanzrechtlichen Zulässigkeit, rechnerischen Richtigkeit und finanziellen Angemessenheit auch die sachliche Angemessenheit prüfen.
Dabei handelt es sich aus Sicht des Gemeinderates um politische Fragen, welche zu Überschneidungen mit der Kerntätigkeit der Exekutivbehörden führt. Der Gemeinderat unter dem Präsidium von Sascha Ullmann priorisiert deshalb das bisherige Modell einer RPK. Eine wichtige Zielsetzung der Gemeindeordnungsrevision sei der Erhalt und die Stärkung des Milizsystems. Im Kanton Zürich hätten denn auch nur vereinzelte Gemeinden eine RGPK eingeführt. Das fundierte Fachwissen der RPK-Mitglieder könne am wirkungsvollsten eingesetzt werden, wenn es wie bisher nur für die Beurteilung der finanziellen Angemessenheit eingesetzt werde.
Die Befürworter einer RGPK hingegen versprechen sich von den erweiterten Prüfkompetenzen eine erhöhte Ausgabendisziplin und damit eine Senkung der Kosten. Die Variante einer RGPK wird von den Mitgliedern der bisherigen RPK priorisiert: «Das Instrument einer RGPK gibt dem Stimmbürger die Sicherheit, dass Geldgeschäfte nicht nur materiell, sondern auch inhaltlich geprüft werden», sagt RPK-Präsident Viktor Sauter. Das sei im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, zumal die Kreditlimiten, über die der Gemeinderat künftig ohne Zustimmung der Gemeindeversammlung verfügen kann, mit der neuen Gemeindeordnung erhöht werden. «Der Gemeinderat fürchtet offenbar einen Autonomieverlust, wenn eine RGPK ihre Ausgabenkompetenzen konstruktiv-kritisch überprüft.»
Gemeindepräsident Sascha Ullmann sagt dazu: «Die Kreditlimiten wurden nur moderat erhöht. Wir haben uns dabei auch an anderen Gemeinden orientiert und liegen da eigentlich am unteren Ende. Es handelt sich um eine Anpassung an die Gegebenheiten wie der Teuerung und weiterer Faktoren. Klar ist das eine leichte Verschiebung der Kompetenzen hin zum Gemeinderat, aber es ist sicher kein Freipass.» Aus seiner Sicht handelt der Gemeinderat zum Wohl der Bevölkerung: «Ich kann den Grundverdacht nicht teilen, dass der Gemeinderat irgendetwas mauscheln oder seine Machtposition ausspielen will. Wir wollen aber handlungsfähig bleiben und vermeiden, dass wir uns durch übermässige Kontrollmechanismen selbst blockieren.»
RPK-Präsident Viktor Sauter argumentiert einerseits damit, dass die Mitglieder der RGPK frei entscheiden können, welche Geschäfte sie besonders akribisch anschauen und andererseits mit Verweis auf eine Studie von Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger, dass das von seinem Gremium bevorzugte RGPK-Modell die Steuer- und Ausgabenlast markant um 15 bis 20 Prozent reduzieren würde: «Eine RGPK bringt gemäss Forschung eine tiefere Steuerlast und weniger Ausgaben bei gleicher Leistungsqualität.» Damit konfrontiert sagt Sascha Ullmann: «Ich habe die von den Befürwortern angeführte Studie angeschaut. Diese beinhaltet durchaus interessante Gedankenspiele, basiert aber auf Schätzungen und Annahmen.» Es gebe keine aktuelle Evidenz, dass sich mit einer RGPK die grossen Versprechen von 15 bis 20 Prozent Einsparungen realisieren lassen, ohne dass es ans Lebendige des Dorflebens gehe. «Wenn man eine RGPK seriös einsetzen will, dann bindet das entsprechend viel Zeit und Manpower. Wir sehen damit auf beide Gremien einen grossen Mehraufwand und auch Mehrkosten zukommen.» Zudem drohe mit dem RGPK-Modell ein weiteres Problem: «Im Verständnis der Befürworter einer RGPK wäre das Gremium ein Gestaltungsorgan und nicht mehr ein Prüfungsorgan. So verlöre die Kommission aber ihre Prüfungsunabhängigkeit und wäre eine Art Schattenparlament, das auf Entscheidungen Einfluss nehmen will. Wer prüft dann die Prüfenden? Irgendwann produzieren wir unheimlich viel Bürokratie und immer noch mehr Papier, weil alle sich gegenseitig kontrollieren. Das führt zu einem Overkill.»
Die aus dem Jahr 1993 stammende Zolliker Gemeindeordnung muss bis Ende 2021 an das neue kantonale Gemeindegesetz angepasst werden. Der Gemeinderat legt deshalb zum Urnengang vom 13. Juni eine totalrevidierte Gemeindeordnung zur Genehmigung vor. Die neue Gemeindeordnung hält sich eng an die kantonale Muster-Gemeindeordnung und ist wesentlich schlanker als die bisherige. Die bisherige Behördenorganisation bleibt weitgehend unverändert. Auf permanente unterstellte Kommissionen soll dagegen zu Gunsten von projektbezogenen Arbeitsgruppen verzichtet werden. Die Finanzkompetenzen der Behörden wurden moderat erhöht. Dadurch und mit einer verstärkten Delegation von Alltagsgeschäften an die Verwaltung soll die Effizienz in den Verwaltungsverfahren gesteigert werden. Den Entscheid über die im Vorfeld kontrovers diskutierte Frage des Prüfungsorgans für den Gemeindehaushalt überlässt der Gemeinderat dem Stimmvolk und legt dazu zwei Varianten Rechnungsprüfungskommission (RPK) oder Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK) als Stichfrage vor.
A Gemeindeordnung mit Rechnungsprüfungskommission JA
B Gemeindeordnung mit Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission JA
C Stichfrage Vorlage A
= Zustimmung zur Gemeindeordnung, wie bisher mit RPK (ohne RGPK)
A Gemeindeordnung mit Rechnungsprüfungskommission JA
B Gemeindeordnung mit Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission JA
C Stichfrage Vorlage B
= Zustimmung zur Gemeindeordnung, mit neu einer RGPK (statt RPK)
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