Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 11. Juni 2021
Christian Jungen, Leiter des Zurich Film Festival ZFF, über die Konkurrenz von Netflix, die Möglichkeit für kleine Kinos und die Schweizer Filmwelt.
Über die Filmkultur im Spannungsfeld zwischen Streamingdiensten und Kinos referiert kein Geringerer als Christian Jungen, Direktor des Zurich Film Festival, am kommenden Freitag im Zumiker Kulturkreis. Im Vorfeld liess er sich zur Situation der Kinos interviewen.
Das Streaming ist keine Konkurrenz zum Kino, im Gegenteil: Studien beweisen, dass Leute, die viel streamen auch überdurchschnittlich oft ins Kino gehen. Wer ins Kino geht, beschliesst, das Haus zu verlassen; die Konkurrenten sind da vielmehr Restaurants, Clubs, Konzerte oder Sportveranstaltungen. Die Leute sind heutzutage verwöhnt, daher ist es wichtig, dass das Kino ein gutes Erlebnis bietet – mit tollen Filmen und Top-Service.
Ich glaube «size matters». Gerade weil viele Leute mittlerweile technisch hochwertige Heimkinos mit Beamer und Leinwänden haben, werden Kinos mit Grossleinwänden wieder an Bedeutung gewinnen. Den neuen James-Bond-Film «No Time To Die» zum Beispiel will man nicht in einer «Schuhschachtel» sehen, sondern auf einer grossen Leinwand. Deshalb sind wir beim ZFF froh, dass wir grosse Kinos wie Corso, Le Paris, Kosmos und Arena haben.
Das Kino muss ein Ort der Begegnung sein und manche Kinobetreiber müssen noch lernen, Gastgeber zu sein. Lukrativ ist es sicher, Säle in frequenzschwachen Zeiten für Firmen- und Familienanlässe zu vermieten. Aber Yoga-Stunden im Kino finde ich persönlich nicht prickelnd. Die Zusatznutzungen sollten schon im Zusammenhang mit Vorführungen von bewegten Bildern stehen.
Das stimmt, aber die Kinos leben eben vom Verkauf von Popcorn, Glacés und Getränken. Dank der Pause können sie zweimal verkaufen: Vor Filmbeginn und in der Mitte des Films. Ich persönlich ziehe Vorstellungen ohne Pause vor. In den USA würden die Leute die PET-Flaschen an die Leinwand werfen, würde nach einer Stunde der Film angehalten.
Er ist in den letzten Jahren lockerer geworden und am Puls der Zeit. Bettina Oberli zum Beispiel greift in «Wanda, mein Wunder», den wir 2020 zur Eröffnung des ZFF gezeigt haben, das Thema der osteuropäischen Pflegehilfen in der Schweiz auf. Der Film ist sozialkritisch und unterhaltsam zugleich. Generell lässt sich festhalten, dass sich die Filmbranche hierzulande stark professionalisiert hat. Und die Auswahl an Charakterdarstellerinnen und -darstellern ist viel grösser geworden. Vor 20 Jahren lebte der Schweizer Film stark von TV-Komikern und Ex-Missen. Heute gibt es viele neue Gesichter wie Sarah Spale, die in «Platzspitzbaby» brillierte, oder Sven Schelker, der uns in «Bruno Manser – die Stimme des Regenwaldes» begeistert hat.
Sehr gut, das Interesse an diesem ganzjährigen Programm ist riesig. Eine Stunde und 14 Minuten nach Kommunikationsstart waren die Workshops für die 8- bis 13-Jährigen ausgebucht. Kein Wunder, in der Schule gibt es kaum Filmbildung, wir vom ZFF wollen da etwas Abhilfe schaffen. Schliesslich spielen bewegte Bilder im Alltag von Kindern eine grosse Rolle. Ich sehe das bei meiner siebenjährigen Tochter, die gerne Filme auf dem iPad schaut. Wir möchten den Kids zeigen, wie Filme entstehen und wie man sie «lesen» kann.
Freitag, 18. Juni, 19.30 Uhr, Kirchgemeindesaal. Anmeldungen nötig unter Mail an Yvonne.peter@ggaweb.ch. Musikalische Umrahmung: Anna Sophia (Vocals), Janaina (Git), Lorin (Djembe)
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