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«Die Natur ist das Fundament für alles»

Von Simon Bühler ‒ 13. August 2021

Der 25-­jährige Zolliker Pablo Haas experimentiert als ­gelernter Grafiker mit ver­schiedenen Kunstformen und Materialien. Im Rahmen des Mittendrin-­Projekts der ­Fröhlich Info AG hat er im Sinn einer nachhaltigen Kreislauf-­Philosophie mit Ausschuss-­Offset-­Druckplatten und Moos eine Ökosystem-­Installation kreiert.

mittendrin.froehlich.ch

Pablo, wie bist du auf die Idee gekommen, für deine Kunstobjekte mit Moos zu arbeiten?

Moos beschäftigt mich als Werkstoff schon seit längerer Zeit. Die Idee dazu kam mir in Form eines Geistesblitzes an meinem Lieblingsort im Wald zwischen der Zolliker Allmend und dem Fohrbach, wo ich mich praktisch jeden Tag aufhalte und die Natur studiere. Ich wollte mal etwas anderes machen als zeichnen und Musik. Moos ist ein dankbares Arbeitsmaterial, denn es ist sehr resistent und anpassungsfähig. Für die Prototypen meiner Moosbilder habe ich auch mit konserviertem Moos experimentiert. Ich finde echtes Moos aber interessanter. Deshalb habe ich nach Lösungen gesucht, wie sich das Moos innerhalb einer In­stallation feucht und lebendig halten lässt.

Wie sieht die Lösung aus?

Am Anfang habe ich das Moos ­mindestens alle zwei Tage von Hand mit Wasser besprüht. Das Mittendrin-­Projekt brachte mich darauf, die Funktionalität zu überdenken und mit einem Wassertank zu arbeiten, wobei die weitgehend autonome Lösung auf dem Prinzip der Kapillarkraft basiert, die auch Pflanzen für ihren Wasserhaushalt verwenden. Dies lässt sich technisch mit einem textilen Band aus Jute bewerkstelligen, worauf ich das Moos festgenäht habe. Damit wird das Wasser aus dem Tank direkt nach oben gesaugt und das Moos kann die Feuchtigkeit aufnehmen. Diese Lösung funktioniert super.

Die Herstellung eines solchen Moos-­Objektes wurde im Rahmen des Mittendrin-­Projektes im Drucksaal der Fröhlich Info AG mit einem rund dreiminütigen Video im Zeitraffer dokumentiert. Wie lange hat die Herstellung real gedauert?

Es waren wohl gut zwei Stunden. Ich habe dafür bewusst jeden einzelnen Arbeitsschritt durchgeführt, denn ich verstehe das Projekt auch als Inspiration für Interessierte, die Idee weiterzuentwickeln. Neben dem Aufnähen des Mooses auf die Jutebänder nahm ja auch die Konstruktion der Metallbox einige Zeit in Anspruch. Ich habe dafür nicht mehr gebrauchte Offset-­Druckplatten der Druckerei verwendet. Der Recycling-­Gedanke gefällt mir, und ich habe versucht, eine Lösung zu finden, die möglichst keinen Abfall produziert. Dafür habe ich eine Art Origami-­Technik entwickelt. Ich falte die Metallplatten von Hand, verzichte weitgehend auf Maschinen und Schweissnähte. Die Mittendrin-­Box ist zudem mit einem Leuchtkörper und einem Plättchen versehen, das durch Ultra­schall Nebel erzeugt. Damit habe ich schon seit längerem experimentiert. Aber das Mittendrin-­Projekt von Flurin Devonas und der intensive Austausch mit ihm hat den Prozess deutlich beschleunigt. Dafür bin ich dankbar, denn ich brauche für meine Projekte den Austausch und habe gelernt, mich nicht in ­einer Idee zu verbeissen, sondern offen zu bleiben für den Prozess.

Wohin wird der Prozess noch ­führen?

Ich denke darüber nach, die Box mit einem kleinen Beamer und einer Soundanlage zu ergänzen. Damit könnte die Box eine Art Synthese sein, die all meinen Ausdrucksformen eine Bühne gibt: Also auch Videoanimationen und elektronische Soundarrangements. Den Sound zum Mittendrin-­Video habe ich mit meinem musikalischen Partner ­Valentin Kälin produziert. Gleichzeitig ist es mir ein grosses Anliegen, dass die Natur quasi als Hauptdarsteller viel Raum einnimmt und meine Arbeit nicht nur elektronisch basiert ist. Die Natur entfernt sich immer schneller von uns. Dabei ist sie das Fundament für alles. Das will ich mit dem oft wenig beachteten Moos zeigen und es als lebendigen Hauptprotagonist meiner Objekte ins Wohnzimmer und damit ins Bewusstsein des Publikums bringen. Das ist Teil meiner Vision, ohne missionieren zu wollen.

Was machst du eigentlich, wenn du nicht an Moos-­Objekten tüftelst?

Ich habe mit meinem Bruder und seiner Freundin eine Firma namens Plantworks GmbH gegründet, die für Firmen Innenbegrünungen anbietet. Wir versuchen das so cool und frisch wie möglich umzusetzen. Unsere Produktepalette beschränkt sich zurzeit noch auf Topfpflanzen, die wir mit einem ästhetischen Wow-­Effekt inszenieren. Inzwischen experimentieren wir auch mit autonomen Systemen, die den Pflegeaufwand reduzieren. Als gelernter Grafiker bin ich dabei vorwiegend für die visuelle Kommunikation zuständig, während mein Bruder den Karren zieht. Obwohl ich nie Webdesign studiert habe, verdiene ich mein Geld auch mit Auftragsarbeiten in diesem ­Bereich. Da ich coronabedingt im Therapie-­ und Massageraum meiner Mutter für eine relativ geringe Miete in Zollikon wohne, kann ich meine Kosten tief halten. Für das Privileg dieser Komfortzone bin ich dankbar. Denn ich brauche viel Zeit für meine Inspiration. Gleichzeitig freut es mich, dass sich immer mehr Leute für meine Bilder interessieren und bereit sind, meine ­Leidenschaft mit Geld oder einem anderen Gegenwert zu honorieren. Davon habe ich früher kaum zu träumen gewagt.


Mittendrin: Kultur bei Fröhlich

Junge Kunstschaffende haben durch Corona ihre Bühne verloren. Die Fröhlich Info AG solidarisiert sich mit den Talenten, öffnet ihnen die Türe und stellt ihnen den Maschinenraum für Projekte zur Verfügung. Eine Plattform mittendrin, die es ihnen ermöglicht, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie arbeiten künstlerisch, stehen am Anfang Ihrer beruflichen Laufbahn und möchten in unseren Räumlichkeiten Ihr Können zeigen? Schreiben Sie uns eine E-Mail.

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