Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 14. Oktober 2021
Brettspiele erleben einen Boom – den virtuellen Verlockungen zum Trotz.
Der Mensch will spielen. Als Kind, aber auch als Erwachsener. Noch vor 25 Jahren wurde nach dem Kirchgang gejasst, erwachsene Pärchen trafen sich zu Uno-Abenden. Dann kam das Internet mit Moorhühnern und Minecraft. Auf dem Smartphone wird im Tram, am Schreibtisch, in der Pause gezockt. Das Brettspiel ist also out? Weit gefehlt. Den virtuellen Verlockungen zum Trotz erlebt es gerade einen Boom. So treffen sich seit zwei Monaten jeden ersten und dritten Dienstag Spielwillige im Chüelebrunne.
In den Räumen der Pizzeria ist ausreichend Platz für die bunten Bretter von «Zug um Zug» oder «Flügelschlag». Ins Leben gerufen hat diese Runde Zeynep Aylin Jud. Ihr Ziel ist es, neue Spieler zu finden, um gemeinsam die Brettspielkultur zu zelebrieren. Also hat sie im Freundeskreis eine WhatsApp-Runde gegründet und einen Aushang gemacht. Und die Leute kommen. Heute ist Diego zum ersten Mal dabei. Er hat sich «Dog Deluxe» gewünscht. Zeynep und ihre Freundin aus Frankreich kennen das noch nicht. Aber Diego und Franziska erklären geduldig die Regeln.
Am Nebentisch haben sich vier junge Leute zusammengefunden und verteilen die Karten für «The Mind». Die erste Runde ist schnell vorbei. Der Stimmung tut das keinen Abbruch. «The Mind» ist eines der neuen Spiele, bei denen es keine Verlierer und Gewinner gibt. Die Gruppe kann nur im Team gewinnen oder eben scheitern und wieder von vorne anfangen.
Das Regal mit den Spielen ist übervoll. Zeynep Aylin Jud besucht gerne den Spielwarenladen «Rien ne va plus», lässt sich beraten und kauft neue Spiele. «Auch dort ist zu spüren, dass die Brettspiele einen Aufschwung erleben», erklärt sie. Dass die Spiele zu teuer sind, findet die Zumikerin nicht. «Man kauft es einmal und kann immer und immer wieder spielen. Ich würde auch mehr bezahlen, wenn die Spiele in der Schweiz produziert würden.»
Natürlich, sich durch die oft langen Spielanleitungen zu kämpfen, mache ihr auch keinen Spass. «Aber das macht man ein einziges Mal. Am besten ist es sowieso, wenn es einen Mitspieler gibt, der das Spiel schon kennt.» So wie Diego und Franziska, die gerade erläutern, dass man bei «Dog Deluxe» auch rückwärts gehen kann. Besonders freut sich die Initiatorin, dass es mittlerweile mehr Spiele gibt, die man auch zu zweit spielen kann. «Es müssen sich nicht immer gleich drei oder vier Mitspieler einfinden.»
Sie glaubt, dass der Brettspiel-Boom auch ein Ergebnis des Lockdowns ist: Man war vermehrt in der Familie oder mit wenigen Freunden zusammen. Ausgang oder Kino gab es nicht, also wurden die Spiele aus dem Schrank gekramt. Der Lockdown ist vorbei, die Spiele sind geblieben. Bei «Dog Deluxe» geht es nun los. Zeynep ist mit Begeisterung dabei. Gewinnen ist ihr nicht wichtig. «Ich will doch nur spielen», lacht sie.
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