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«Eine Mischung aus Glück und Fleiss»

Von Franca Siegfried ‒ 25. November 2021

Das facettenreiche Berufsleben des Martin E. Heuberger ist längst nicht zu Ende. Der Zolliker ist seit zehn Jahren als Executive Coach unterwegs. Menschen treffen und Schreiben ist sein Lebenselixier. Das letzte Kapitel der 650 Jahre Familienchronik ist fertig. Schon denkt er über einen Kriminalroman nach.

Executive Coach Martin E. Heuberger ganz privat. (Bild: fs)

«Ein Coach ist kein Lehrer, auch kein Ratgeber oder Beichtvater», sagt Martin E. Heuberger. Der Mann, ein sportlich-­eleganter Mittsiebziger lehnt sich im schwarzen Ledersessel zurück. Seit zehn Jahren steht der Schreibtisch aus seiner ehemaligen Firma im ersten Stock des Hauses in Zollikon. An der Wand eine Pachtkarte der Limmat des Fischervereins, schwarze USM-Gestelle, gut bestückt mit Fachliteratur, ein Tischchen und zwei Sessel für Besprechungen, erlesene Nippes am Fenster – stumme Zeugen eines Zollikers, der viel erreicht hat.

Martin E. Heuberger hat vor zehn Jahren seine Executive Search Firma verkauft. Doch die Nähe zu Menschen auf Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik, seine Erfahrung im Rekrutieren von Topleuten, sein angereichertes Wissen, das ­alles wollte er nicht einschlafen ­lassen. «Es war ein schrittweiser Ausstieg aus meinem Beruf.» Also erfindet sich der «Senior» nochmals neu – seit 2011 ist er als Executive Coach unterwegs. Er sucht nicht mehr als Headhunter Manager für Schweizer Konzerne, sondern bespricht in den Chefetagen die ­Bewältigung unternehmerischer Knacknüsse oder zwischenmenschlicher Probleme. Will ­Martin E. Heuberger seine Kunden treffen, fährt er nach Zürich ans Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung oder ins Büro der Klienten. Nur selten bittet er Kunden in sein Privathaus. Zollikon ist für ihn ein «heiliger Ort» – Privatheit.

Eine Tellerwäscherkarriere

Seine beiden Töchter haben längst eigene Familien und sind auch erfolgreich in ihren Berufen unterwegs. Der Vater ist ihnen ein gutes Vorbild: «Meine Karriere ist eine Mischung aus Glück und Fleiss», erklärt Martin E. Heuberger zurückhaltend. Diese startet er im Jahr 1963 mit einer Berufslehre als Radio- und Fernsehelektriker; Jahrzehnte später versorgt er als Headhunter beispielsweise die «oberste Etage» der SRG mit Spitzenkandidaten. Das Musterbeispiel einer Tellerwäscherkarriere. Als Praktiker beginnt er, seine Universität ist das Leben, nicht der Hörsaal. Er besucht Seminarien, bucht Kurse, trifft einflussreiche Leute, reist … Heubergers Werdegang setzt viele autodidaktische Fähigkeiten voraus. Als eigentliche Triebfeder braucht er Neugierde! Er interessiert sich für aktuelle Studien, liest alles, was ihm in die Finger kommt, auf Literatur baut er, findet dabei auch passende Theorien für sich, die ihm Logik und eine gewisse Struktur im Alltag vermitteln. Mit der unermüdlichen Suche nach Wissen gelingt ihm ein aussergewöhnliches Curriculum. Er vertieft seine Faszination für das Schweizer Strafrecht mit einem Praktikum im Gefängnis Saxerriet im Kanton St. Gallen. Die Strafanstalt für 135 Männer ist für alle Arten von Delikten eingerichtet. Martin E. Heuberger schreibt darüber an der Handelsschule Dr. Räber eine Di­plomarbeit. Die Erfahrung mit Männern, die am Rande der Gesellschaft landen, hieven ihn bei der nächsten Bewerbung in die Personalabteilung der BBC in Baden. Er wird sogleich zum Stellvertreter des Chefs befördert, der Konzern schickt ihn für drei Monate nach England.

Dort begegnet er Margreth, die als Au Pair im Inselreich arbeitet. Die Bauerntochter aus dem Oberaargau spielt seither im privaten wie beruflichen Leben eine tragende Rolle. Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau – eine abgedroschene Redewendung, die bei ­Margreth Heuberger Realität wird, als ihr Mann sich 1991 selbständig macht. Mit einem Geschäftspartner schliesst er sich Amrop an, dem weltweit grössten Netzwerk aus inhabergeführten Unternehmen. Heuberger wird dadurch zum ­Sherlock Holmes für Spitzenkandidaten in der Schweiz. Je erfolgreicher seine Kandidatensuche, desto mehr vertrauen ihm Unternehmungen und Konzerne. Margreth Heuberger übernimmt derweil die Familienfinanzen, als Bauerntochter hat sie gelernt, auch bei einer sprudelnden Geldquelle nicht zu überborden – es könnte auch Jahre mit schlechten Ernten geben. Ihre Intuition ist goldrichtig, als am 11. September 2001 Terror­anschläge das World Trade Center in New York City zerstören und die ­Finanzwelt lahm­legen. «Meine Frau behielt die Ruhe und den Überblick, obwohl wir einige Monate kaum Einkommen hatten.»

Eltern als Vorbilder

Kurz vor der Pensionierung erfüllt sich das Paar einen Wunsch und zieht für drei Monate nach Rom. Mitten im pulsierenden Leben der italienischen Hauptstadt mieten sie eine Wohnung und buchen einen Privatlehrer. Für Martin E. Heuberger ist das Italienischlernen bloss eine Repetition, seine Mamma hatte italienische Wurzeln. Seine Eltern sind ihm Vorbild, was die Liebe betrifft. «Sie blieben 60 Jahre lang ein glückliches Paar.» Zusammenleben mit einer tiefen Vertrautheit, das kann Martin E. Heuberger auch von seiner Ehe behaupten. Seit 1974 sind sie verheiratet. «Ich bin «us­hüsig», reise gerne, meine Frau fühlt sich daheim wohler. Schauen Sie unseren Garten an, sie kennt jede Pflanze, bewundert jede Blüte und findet hier Erholung und Frieden.» Abenteuerliche Reisen pflegt er mit seinen Freunden vom Fischerverein. Mit der Ausrüstung fürs Fliegenfischen reisen sie in abgelegene Winkel der Welt, stehen stundenlang in Wattstiefeln im kalten Wasser, rauchen dazu Zigarren oder klettern in Wasserflugzeuge, die soviel Platz wie ein Fiat 500 bieten.

Martin E. Heuberger ist ein begabter Geschichtenerzähler. Darum freut er sich, als eines Tages ein Enkel noch mehr über den «Heuberger-Clan» wissen will. Aus dieser Frage ist ein fünfjähriges Projekt entstanden – für alle drei Enkelkinder Lucien, Aline und Noah. Die Zeitreise der Familiengeschichte dauert 640 Jahre und füllt 450 Seiten mit Stammbaum, Fotos und historischen Dokumenten.

Schon geistert eine neue Idee im Kopf des Martin E. Heuberger herum. In seinem Gedächtnis haben sich während all den Jahren Geschichten gestapelt, die er zu einem Kriminalroman verweben will. ­Seine ersten Werkzeuge im Berufs­leben waren Lötkolben und Schraubenzieher, danach war es die Sprache (Interviews führen, Berichte schreiben). In einem Krimi müssen Hauptfiguren und ihre Handlungen glaubwürdig, die menschlichen Dramen spannend erzählt sein. Und klar, im Mittelpunkt ermittelt ein Detektiv. Dieser ist vielleicht ein pensionierter Executive Coach, der sich in menschlichen Schwächen auskennt …

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