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Von Katzen und Menschen

Von Franca Siegfried ‒ 16. Dezember 2021

Was bewegt Katzen, die sich aufmachen und andere Menschen suchen? Ist es besseres Futter, oder sind es mehr ­Streicheleinheiten? Der renommierte Katzenexperte Dennis C. Turner kennt die Gründe.

Katzen sind auch mit weniger Aufmerksamkeit zufrieden. (Bild: Pixabay/Alexas_Fotos)

«Unsere kleine Katze wurde nur ein Jahr alt», damit beginnt der Nachruf, der die Redaktion erreichte. Was ist geschehen? Wochenlang hat eine Zolliker Familie ihr Büsi gesucht. Sie haben überall nach ihm gerufen, Plakate aufgehängt und Vermisst-Inserate geschaltet. Bis die Polizei vor der Tür stand und die Nachricht überbrachte, dass ihr Liebling überfahren wurde. Als die Familie den ­Kadaver sah, war die Katze wohlgenährt. Also musste sich die Katze eine neue Familie gesucht haben. Das Tier trug immer noch das Halsband mit Namen und Adresse der ursprünglichen Besitzer. Zollikon ist um eine weitere Katzentragödie reicher. Der Zolliker Zumiker Bote hat mit Dennis C. Turner, dem international bekannten Katzenforscher, darüber gesprochen.

Warum behalten Menschen fremde Katzen?

«Die haben es bestimmt gut gemeint, aber der Katze selber und der Besitzerfamilie einen schlechten Gefallen gemacht.»

Weshalb?

«Sobald man eine fremde Katze füttert, ist die Gefahr gross, dass die Katze bleibt.»

Also geht bei Katzen die Liebe durch den Magen …?

«Na ja, wenn man ihnen Crevetten verfüttert oder ein neues Katzenfutter, ich will keine Marken nennen, welches die Katze besonders gerne hat.»

Einmal füttern und schon sind die Samtpfoten untreu?

«Nein. Das dauert eine gewisse Zeit. Sie gehen zuerst zurück in die Besitzerfamilie, aber wenn es halt am anderen Ort immer wieder Crevetten gibt, kann es passieren, dass sie bleiben.»

Was ist bei Veränderungen in der Familie, etwa bei einem neuen Partner oder beim Familienzuwachs mit einem Baby?

«Auch wenn die Katze nicht mehr so viel Aufmerksamkeit bekommt mit neuen Familienmitgliedern – sie bleibt trotzdem.»

Warum sind Sie da so sicher?

«Wir haben darüber geforscht, wie viele soziale Interaktionen individuelle Katzen wirklich brauchen. Sie akzeptieren viel, sind genügsam, das bedeutet auch, dass sie mit weniger Streicheleinheiten und Aufmerksamkeiten bleiben. Je mehr sich der Mensch der Katze widmet, desto mehr Kuschelattacken kann er erwarten. Besonders wichtig ist den Katzen jedoch, dass ihr Futternapf immer gleich gut gefüllt bleibt.»

Was raten Sie unseren Leserinnen und Lesern?

«Man muss beachten, dass in Zollikon keine Katze Hunger leidet. Zudem sind alle Katzen, auch Stubentiger, gute Mäusefängerinnen. Nur im Winter bei Eis und Schnee sind die Mäuse nicht so einfach zu jagen. Sobald man anfängt, fremde Katzen regelmässig zu verwöhnen, zerstört man alte Beziehungen und macht andere Menschen unglücklich.»

Und am Ende der Tragödie ist das Tier auch noch überfahren worden.

«Das ist oft eine Gefahr, die unterschätzt wird. Vermutlich hat sich die Katze in der Gegend der neuen Familie nicht so gut ausgekannt und nicht gemerkt, dass im neuen Streifgebiet mehr Autos fahren. Vielleicht war sie sogar unterwegs auf der Suche nach ihrer alten Heimat.»


Der Experte

Dennis C. Turner, ein schweizerisch-amerikanischer Biologe, erforscht die Beziehung des Menschen zur Hauskatze. Er veröffentlichte auch populärwissenschaftliche Bücher über Katzen und gründete 1991 ein In­stitut für angewandte Ethologie und Tierpsychologie. Im Jahr 2000 verlieh die Universität Zürich ihm die Venia legendi (Dr. habil.) auf dem Gebiet der Verhaltenskunde der Kleintiere. Dennis C. Turner lehrte auch in Japan an der Azabu-Universität, die ihm den Professorentitel verlieh. Er ist Ehrenpräsident der IEMT Schweiz (Institut für Interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung) und war bis Sommer 2011 Dozent für Heimtierethologie an der Universität Zürich.

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