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Die Gemeinde Zollikon sieht die Lohndifferenz bei null

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 6. Januar 2022

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Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden müssen Lohngleichheit nachweisen. Zumikon verzichtet auf eine freiwillige Analyse.

Das Zolliker Gemeindehaus wurde 1940 eingeweiht. Im Gegensatz zu heute war damals klar, wer das Geld verdiente. (Bild: ab)

Der Bundesrat hat am 21. August 2019 die Änderung des Gleichstellungsgesetzes per 1. Juli 2020 beschlossen. Damit sind Unternehmen, die mehr als 100 Mitarbeitende beschäftigen, verpflichtet, Lohngleichheit nachzuweisen. Schweizweit sind davon 0,9 Prozent aller Unternehmen und 46 Prozent aller Arbeitnehmenden betroffen. Durchgeführt werden diese Analysen von unabhängigen und anerkannten Revisionsstellen. Kann eine Lohngleichheit nachgewiesen werden, ist das Unternehmen von weiteren Analysen befreit: Das trifft nun auch auf die Gemeinde Zollikon zu.

Diese hatte in einer Medienmitteilung Ende Dezember publiziert, die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann sei gewährleistet. Durchgeführt wurde die Analyse vom 1. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2021. Die Basis bildete der auf Vollzeit standardisierte Gesamtverdienst für 451 Mitarbeitende (Schule, Wohn- und Pflegeheim Blumenrain, Gemeindeverwaltung), davon 291 (64,5 Prozent) Frauen und 160 (35,55 Prozent) Männer.

«Im Durchschnitt verdienen Frauen in Zollikon 12,1 Prozent weniger als Männer. Unter Berücksichtigung der Unterschiede in den Qualifikationsmerkmalen und den arbeitsplatzbezogenen Merkmalen verdienen Frauen 3,6 Prozent weniger», heisst es in der Mitteilung. Die verbleibende, weder durch Unterschiede in den persönlichen Qualifikationsmerkmalen wie Ausbildung oder Dienstalter noch durch arbeitsplatzbezogene Merkmale zu erklärende Lohndifferenz sei bei null. Dies bedeutet, dass zwischen Frauen und Männern gemäss dem Standard-Analysemodell keine statistisch gesicherte, unerklärte Lohndifferenz im engeren Sinne bestehe. Das bestätigte auch die Revisionsgesellschaft OBT, die die Analyse formell geprüft hat. Über die konkreten Zahlen aus Zollikon konnte Daniel Schweizer, Partner von OBT, aus Gründen des Berufsgeheimnisses keine Angaben machen. Für die Analyse wurde das Standardtool Logib verwendete. «Dieser Bericht sagt einzig aus, dass der 3,6% tiefere Lohn im Analysemodell nicht erklärt werden konnte.» Dies müsse aber nicht bedeuten, dass Frauen effektiv 3,6% weniger verdienen. Es könnte auch sehr gut sein, dass die 3,6% aufgrund der Limiten des Analyse Tools oder als statistische Abweichung auftreten. Der Effekt sei somit gemäss dem Analyse-Tool nicht über der «Signifikanz-Schwelle», weshalb das Logib-Tool zum Schluss komme, dass kein Geschlechtseffekt vorhanden sei.

Schweizweit beträgt der unerklärte Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern laut der jüngsten Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik durchschnittlich 8,1%. Das mache für Frauen pro Monat ein Minus von 686 Franken aus. Die Untersuchung habe laut dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau auch gezeigt, dass der unerklärte Anteil am Lohnunterschied bei kleineren Unternehmen überdurchschnittlich hoch ist.

In der Gemeinde Zumikon konnte auf die Analyse verzichtet werden, da die Zahl der Mitarbeitenden nicht erreicht wurde. Bedingt ist das auch durch unterschiedliche Anstellungsinstanzen bei Gemeinde und Schule. Auf eine freiwillige Analyse hat die Gemeinde aus verschiedenen Gründen verzichtet. Einerseits gebe es bei weniger Angestellten weniger Personen, bei denen eine eins zu eins vergleichbare Arbeit zu Grunde gelegt werden könne. ­«Zudem wollten wir die Kosten für einen externen Auftragnehmer gerne einsparen», erklärt Gemeindeschreiber Thomas Kauflin auf Anfrage. Und unterstreicht, er könne höchstpersönlich garantieren, dass es keine geschlechterbedingten unerklärbaren Lohnunterschiede gebe. «Gemeindepräsident Jürg Eberhard und ich legen gemeinsam die Löhne fest beziehungsweise arbeiten die Vorschläge für den Gemeinderat aus.»


3,6 Prozent sind 3,6 Prozent

Helena Trachsel, Leiterin der kantonalen Fachstelle Gleichstellung, beurteilt die Aussage der Gemeinde Zollikon kritisch.

Helena Trachsel leitet die kanto­nale Fachstelle Gleich­stellung. (Bild: zvg)

Was irritiert Sie an der Schlussfolgerung der Gemeinde?

Ich habe die Dokumente gelesen. Auf der Website der Gemeinde Zollikon ist dieser Teil meines Erachtens nach ungünstig und etwas intransparent geschrieben. Es heisst, dass die verbleibende, weder durch Unterschiede in den persönlichen Qualifikationsmerkmalen noch durch arbeitsplatzbezogene Merkmale zu erklärende Lohndifferenz bei null liege. Im Bericht der beauftragten Revisionsgesellschaft steht aber: «Die verbleibende, weder durch Unterschiede in den persönlichen Qualifikationsmerkmalen noch durch arbeitsplatzbezogene Merkmale zu erklärende Lohndifferenz ist statistisch nicht signifikant von null verschieden. Dies bedeutet, dass zwischen Frauen und Männern gemäss Standard-Analysemodell keine statistisch gesicherte, unerklärte Lohndifferenz im engeren Sinne besteht.» Das ist textlich ein Unterschied! Die Aussage auf der Website sollte kongruent mit dem OBT-Text sein. Die Aussage impliziert, dass 3,6 Prozent gleich null bedeutet. Würde die Gemeinde mitteilen, 3,6 Prozent sind 3,6 Prozent, könnte sie an Glaubwürdigkeit gewinnen, umso mehr mit dem Versprechen, diese Lohndifferenz künftig beheben zu wollen.

Was genau sind arbeitsplatz­spezifische Merkmale?

Grundsätzlich schwierig sind schwammige Aussagen wie «arbeitsplatzbezogene Merkmale», was sie bedeuten und wie sie ausgelegt werden. Dadurch – und natürlich durch Qualifikationsmerkmale – können mögliche Lohndifferenzen oft deutlich ausgeglichen werden. Wie in diesem Fall von 12,1 auf 3,6 Prozent. Doch wir wissen nicht wirklich, weshalb. Was sind das für Merkmale? Es könnten Ausbildung, Erfahrung, besondere Belastung, Schichtarbeit oder der Umgang mit giftigen Stoffen sein. Im Bericht wird dies aber nicht aufgeschlüsselt.

Grundsätzlich entlöhnt die Gemeinde nach Tarif. Wie kann es doch zu Unterschieden kommen?

Auch die öffentliche Verwaltung hat einen gewissen Spielraum, wenn dringend Mitarbeitende gesucht werden. Das war in der jüngsten Vergangenheit vor allem in der Pflege und generell bei Fachkräften. Allerdings muss eine Gemeinde eine übertarifliche Bezahlung – im Gegensatz zur Privatwirtschaft – auch begründen.

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