«Wir sind keine Society Löwen»

Von Antje Brechlin ‒ 27. Januar 2022

Der 52-jährige Roger Gmür arbeitet seit 20 Jahren als Plastischer Chirurg in Zollikon. Erfolgreich, denn immer mehr Menschen wollen ihren Körper optimieren, setzen nicht bloss auf Sport und gesunde Ernährung, sondern legen sich dafür auch unters Messer.

Der Plastische Chirurg Roger Gmür kennt sich mit Schönheitsidealen aus. (Bild: ab)

Sie leben mit Ihrer Frau und den beiden sieben und zehnjährigen Mädchen am Rand von Zollikon. Sie haben spät eine Familie gegründet.

Das stimmt. Meine Frau und ich wollten das genauso. Als angestellter Arzt in der Klinik ist man sehr fremdbestimmt, viele Dienste, ­Wochenendarbeit. Wir wollten beruflich noch etwas erreichen und finanziell ein kleines Polster schaffen. Dann kam die Gründung der Klinik Tiefenbrunnen vor 20 Jahren, meine Frau machte sich ebenfalls selbstständig, was ja auch ein finanzielles Risiko mit sich bringt. Deshalb verschob sich die Familienplanung. Anfangs 40 waren wir beide bereit für eine Familie. Die Kinder sind jetzt in der Schule und wir verbringen soviel Zeit wie möglich mit ihnen.

Sie sind als Plastischer Chirurg täglich mit Menschen zusammen, die sich optimieren lassen. Färbt das auf Sie persönlich ab? Und steht nicht gerade Ihre Frau unter Druck, perfekt auszusehen?

Es kommt ja darauf an, ob das Gegenüber Druck erzeugt. Und da halte ich mich natürlich schwer zurück. Ich hatte als Assistenzarzt einige Aha-Erlebnisse an Kongressen. Man dinierte am Abend, und die älteren Kollegen kamen selbstverständlich in Begleitung ihrer Frauen. Da sah man oft das Klischee: alter Mann mit altersloser Frau. Die Frauen passten da irgendwie nicht hin. Für mich war damals schon klar, dass ich das nicht will. Wenn meine Frau etwas von mir wünscht, bin ich selbstverständlich auch diesbezüglich für sie da und würde das auch selbst übernehmen, schliesslich verstehe ich mein Handwerk. Aber ihre Prioritäten liegen eher auf Beruf und Familie. Ausserdem sind wir keine Society-Löwen, die ständig auf Partys oder Bällen anzutreffen sind. Dann wäre der Druck ein anderer.

Warum sind Sie Plastischer Chirurg geworden? Spielten die finanziell rosigen Aussichten auch eine Rolle?

Naja, wer sich für ein Medizinstudium entscheidet, macht das erst einmal, weil es ein breit gefächertes Spektrum an Fachrichtungen bietet. Während des Studiums habe ich relativ schnell gemerkt, dass der Umgang mit alten, kranken Leuten – wo Probleme leider nur gemanagt, aber nicht mehr gelöst werden – nicht meins ist. Ich war eher für die Chirurgie gemacht. Und in diesem Bereich faszinierte mich die plastische und rekonstruktive Medizin am meisten. Ich hatte Glück, war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe die Ausbildungsstelle in der Plastischen Rekonstruktiven Klink in Bern gekriegt. Die Aussicht auf finanzielle Sicherheit war selbstverständlich auch verlockend.

In der Schweiz wird viel Geld für die Schönheit ausgegeben. Dementsprechend gibt es immer mehr Ärzte in diesem Bereich. Um sich bekannt zu machen, wird auf den sozialen Medien gepostet, was das Zeug hält. In den USA werden Schönheitsoperationen sogar life gestreamt. Einige Ärzte sind so zu Social Media Stars geworden. Wie weit würden Sie gehen?

Die Trends sehe ich, auch weil ich für Fortbildungen oft in den USA bin. Doch auf diesen Teilaspekt meiner Tätigkeit reagiere ich immer noch mit der Frage: Muss das wirklich sein? Auf der einen Seite möchte man zeigen, was man kann und macht; das soll ja auch in einem vernünftigen Mass möglich sein. Instagram geht mir allerdings zu weit. Es wird oberflächlicher, reisserischer, die Informationen kommen zu kurz. In Europa liegen wir im Vergleich zu den USA zurück, es geht aber auch bei uns in diese Richtung. Ich persönlich finde den Spagat schwierig; und unserem Stil hier in der Klinik Tiefenbrunnen entspricht es schlicht nicht. Wir haben unseren Kundenstamm in den letzten 20 Jahren kontinuierlich aufgebaut; ab einem gewissen Punkt lief es sehr gut über Mund-­zu-Mund-Propaganda.

Gelten in der Schweiz besondere Schönheitsideale?

Die Menschen hier sind eher zurückhaltend. Häufig höre ich die Aussage: Bitte machen Sie etwas, ich möchte frischer aussehen, aber niemand soll sehen, dass etwas gemacht wurde. Es gibt natürlich auch die Patientinnen und Patienten, die unbedingt möchten, dass man die Behandlung sieht, aber das sind in der Regel keine typischen Schweizer, sondern haben meist eine andere kulturelle Prägung. In Amerika ist es oft so, dass in einer Peergroup ein bestimmter Look zum Ideal erklärt wird. Das nennt man dann «PeerPressure», also Gruppenzwang. Erinnern Sie sich an die Beverly Hills-Nase? Das ist kein individuelles Modell, sondern eines, das man sich bewusst vom Chirurgen wünscht.

Oder der Po, der Kim Kardashian berühmt gemacht hat? Den sieht man mittlerweile auch hier.

Dass so ein Po ein bisschen grösser und runder sein darf, finde ich gar nicht verkehrt. Aber auch da gibt es eine gewisse kulturelle Prägung. Schweizerinnen oder Europäerinnen wollen einen gut geformten Po, aber nicht unbedingt einen grösseren. Früher war der eigene Po einfach so wie er war, oft störte irgendwas, aber man hat damit gelebt. In den letzten drei bis vier Jahren habe ich mit diesem Körperteil weit mehr zu tun. Seit bekannt ist, dass man das Gesäss mit Eigenfett richtig schön modellieren kann, wird diese Behandlung auch häufiger verlangt. Das Bewusstsein für die Möglichkeiten ist viel grösser geworden.

Was machen Sie denn am liebsten?

Also diese Eigenfett-Transplantationen sind schon mein Steckenpferd. Mein Herzblut gehört der Brustformung mit Eigenfett. In diesem speziellen Bereich bin ich hier einer der wenigen plastischen Chirurgen mit fundierter Erfahrung. Ich sage aber bewusst Brustformung und nicht Brustvergrösserung. Da erreicht man wunderbar natürliche Ergebnisse mit Eigenfett.

Wenn Sie nicht arbeiten, worauf freuen Sie sich?

Auf meine Familie. Das Golfspielen, Reisen und Tauchen ist ja leider mit der Geburt unserer beiden Kinder ein wenig eingeschlafen, aber wir gehen gerne in Konzerte oder geniessen entspannte Netflix-Abende zu Hause.

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