Von Birgit Schlieper ‒ 3. Februar 2022
Wie Philipp Rösler, ehemaliger Vizekanzler und heutiger Honorarkonsul, seine Bodyguards verwirrte.
Der Weg des ehemaligen deutschen Spitzenpolitikers führte über Hannover, Berlin, Genf und New York nach Zumikon.
Wir hatten einen rechtsradikalen Lehrer an der Schule, den wollten wir loswerden. Also habe ich mich in der Schülervertretung engagiert. Parallel nahmen wir im Deutschunterricht die Zeit der Aufklärung durch. Das fand ich sehr spannend. Die FDP steht auch für Aufklärung und so bin ich zu den Jungliberalen gekommen, was hier die Jungfreisinnigen sind.
Absolut. Ich war ja gerade erst Wirtschaftsminister in Niedersachsen geworden. Wir standen nach der Bundestagswahl in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU unter Angela Merkel. In einer internen Besprechung suchten wir einen Kandidaten für die Verhandlungen zum Thema Gesundheit. Guido Westerwelle fand, ich sei Arzt, kenne das Thema und muss deshalb verhandeln. Wir sind allerdings fest davon ausgegangen, dass die CDU das Amt mit Ursula von der Leyen für sich beanspruchen werde. Dast tat sie überraschend nicht, und plötzlich war ich Bundesminister.
Es war der erste Geburtstag meiner beiden Töchter. Also habe ich mich direkt nach der Ernennung in Berlin in die Bahn gesetzt und bin nach Hannover gefahren. In der Schweiz ist es ja auch nicht üblich, dass die Politiker stets von Sicherheitsleuten begleitet werden. Ich habe mich aber später daran gehalten. Wir haben uns daran gewöhnt, dass immer ein Bodyguard in der Nähe war. Ob beim Einkaufen, im Restaurant oder im Kino.
Drei Tage nach meinem Rücktritt kam der Anruf und wir zogen für vier Jahre nach Genf. Beim Weltwirtschaftsforum war ich verantwortlich für die regionalen (kleinen) Davos-Treffen rund um die Welt und internationalen Regierungskontakte.
Für uns als deutschsprachige Familie ist es natürlich in Zürich einfacher.
Die Zwillinge waren erst fünf Jahre alt und haben das prima hinbekommen. Für meine Frau war es eine grosse Umstellung. Aber immerhin pendelte ich nicht mehr zwischen zwei Städten, sodass wir viel mehr Familienleben hatten.
Seitdem wir in Zumikon leben, hat sich das wirklich geändert. Ich habe zwar noch eine Beratungsfirma in Zug, arbeite aber sehr viel von zu Hause aus und kann meiner Frau, die als Ärztin am Unispital arbeitet, mehr den Rücken freihalten.
Vor allem die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Vietnam zu stärken. Ich habe bereits als Politiker eine Delegationsreise nach Vietnam durchgeführt und letztes Jahr eine Wirtschaftsdelegation. Das Land ist faszinierend. Ich bin dort nicht nur zum Ehrendoktor ernannt worden, sondern bin auch ein Vorbild für viele junge Leute. Ich habe es als adoptierter Vietnamese geschafft, mein Leben erfolgreich zu gestalten. Das spornt viele an. Zudem unterstütze ich unter anderem vor Ort auch eine Agrargenossenschaft mit 20 000 Kleinbauern.
Mein Vater war Hubschrauberpilot bei der Bundeswehr, und ich habe mich nach dem Abitur direkt bei der Bundeswehr verpflichtet, weil ich auch fliegen wollte. Ich hatte schon als 14-Jähriger mit Segelfliegen angefangen, fasziniert von der Mischung aus Freiheit und Verantwortung. Doch jeder Flug muss umsichtig geplant sein, vor jedem Flug müssen die Checklisten konzentriert abgehakt werden. Dann erst kommt die Freiheit mit ihren drei Dimensionen. Das Fliegen war meine Leidenschaft vor der Politik; sie ist es auch nach der Politik.
Das war überhaupt kein Thema. Mein Eltern haben sich früh scheiden lassen und mit ungefähr sechs Jahren hat sich mein Vater, bei dem ich nach der Scheidung geblieben bin, mit mir vor einen grossen Spiegel gestellt und gesagt: Schau, du siehst anders aus. Aber ich bin dein Vater, du bist mein Sohn. Das war es. Das Thema hat dann nie wieder eine Rolle gespielt. Ich habe um mich herum ja nur europäische Gesichter gesehen und war mir meines asiatischen Aussehens gar nicht bewusst.
Wir kennen uns natürlich. Ich war schliesslich Christian Wulffs Stellvertreter als Ministerpräsident. Wenn wir uns treffen, sprechen wir viel über aktuelle politische Entwicklungen. Und gerne auch über die guten alten Zeiten.
Gar nicht. Es war schön, viele ehemalige Kollegen und Freunde zu treffen. Aber das Kapitel Politik ist für mich schon seit neun Jahren vorbei. Was ich jetzt mache, ist sehr erfüllend.
Zurzeit fahren wir durch Corona ja alle auf Sicht. Über langfristige Veränderungen denken wir jetzt nicht nach. Kurzfristig stehen hier erst einmal zwei Gymiprüfungen an.
Mit Philipp Rösler sprach Birgit Müller-Schlieper
Philipp Rösler wurde 1973 in Vietnam geboren und im selben Jahr aus einem katholischen Waisenhaus nach Deutschland adoptiert. Rösler ist Arzt und mit einer Ärztin verheiratet. Das Paar hat Zwillinge.
Philipp Rösler war von 2000 bis 2006 Generalsekretär der FDP in Niedersachsen. 2005 wurde er ins Präsidium der Bundespartei und 2006 zum neuen Landesvorsitzenden der niedersächsischen FDP gewählt. 2009 wurde er Bundesgesundheitsminister. 2011 wurde er zum Bundesparteivorsitzenden gewählt und wechselte ins Wirtschaftsministerium und wurde Vizekanzler als Nachfolger von Guido Westerwelle. 2013 gab er seinen Rücktritt als Parteivorsitzender bekannt.
2014 bis 2017 war Philipp Rösler Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Stiftung World Economic Forum (WEF) in der Schweiz. Von 2017 bis Anfang 2019 leitete er die Hainan Cihang Charity Foundation in New York, die gemeinnützige Stiftung des Mischkonzerns HNA. Seit 2019 ist er Mandatsträger in mehreren Aufsichtsräten von Unternehmen und Organisationen, seit 2021 Honorarkonsul für Vietnam in der Schweiz.
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