Von Ramona Bussien ‒ 17. Februar 2022
Vom rot-gelb-neongrünen Blitzlichtgewitter angeleuchtet zuckt die Menschenmenge im Rausch der Musik. Auf der Bühne hinter dem DJ-Pult: der 15-jährige Tim Winter aus Zollikon. Zu seinem Alias fand er spontan. «Tassilo Heyden». Klangvoll. Cool. Erkennt man wieder.
Mit dieser Art von Musik bin ich schon früh in Kontakt gekommen. Seit meiner Kindheit verbringen wir unsere Ferien immer wieder auf Ibiza, auch bekannt für die weltgrössten Discos und die House-Musik. Da sind die Beats und Vibes nonstop allgegenwärtig. Auf grossen Plakaten präsentieren sich die bekanntesten DJs, am Strand und in den Strassen pulsieren die Rhythmen.
So richtig Feuer gefangen habe ich an einem David-Guetta-Konzert im Hallenstadion. Ein Wahnsinnserlebnis. Da wusste ich: Das will ich auch.
Die Arbeit des DJs ist es, mit dem Publikum seine Musik zu teilen, ja, zu zelebrieren. Letzten Samstag beispielsweise spielte ich von 21 bis 23 Uhr. Anfangs war wenig los. Die Leute standen in der Ecke. Also legte ich ruhigere Stücke auf. Als sich der Laden schliesslich füllte und man in die Raummitte wich, merkte ich, dass es Zeit ist für mehr. Jetzt sind sie bereit zum Abdancen. Zwischen diesem Moment und dem Ende meines Auftritts will ich sie zum Tanzen bringen. Diese Spannung aufrechtzuerhalten, das ist die eigentliche Herausforderung. Eine Regel, wann und bei welchen Anzeichen im Publikum ich welche Lieder spiele, gibt es nicht. Man muss es spüren. Und ganz wichtig ist, dass du selbst gut drauf bist. Wenn du mit schlechter Stimmung auf die Bühne gehst, ist es gelaufen. Was man hört, ist das eine, was man sieht, das andere. Ich will die Leute mitreissen. Meine Energie mit ihnen teilen. Sie animieren und ihnen die guten Schwingungen mitgeben. Ich stehe nicht einfach am Pult und mache nichts: Ich bewege mich mit der Musik. Die Musik spricht für mich.
Es gibt Auftritte, an denen man Freestyle auflegt. Meist aber bereite ich mich intensiv vor. Ich recherchiere Songs und tausche mich mit anderen DJs aus – Newcomern wie Profis. Zu Hause im Keller habe ich ein kleines Studio. Hier verbringe ich vor grösseren Auftritten viele Stunden. Übe. Stelle Playlists zusammen. Recorde. Verbessere und überarbeite alles, bis es für mich passt.
Bei der Vorbereitung ist natürlich auch das Technische wichtig. Um später gut liefern zu können, muss man gut planen. Es kann immer etwas schiefgehen. Zu meiner Standardausrüstung gehören ein Ersatzkabel und ein Ersatzmix nebst den Kopfhörern und dem USB-Stick, auf dem meine eigentliche Playlist ist.
Eine Zeit lang wollte ich das unbedingt ausprobieren. Dieses Haptische stelle ich mir richtig cool vor, als ganz besonderes DJ-Feeling. Du musst die Nadeln und Platten wie ein rohes Ei behandeln, zu schnell geht etwas kaputt. Die Ausrüstung würde mir im Endeffekt zu teuer; die Erfahrung selbst möchte ich sicher mal machen.
Es gibt zwei Arten von Auftritten. Das eine sind Clubs und Discos. Das andere sind Open Airs und Festivals. Meist frage ich übers Internet direkt an. Fragen kostet ja nichts. Inzwischen habe ich durch meine Auftritte viele neue Kontakte geknüpft, die mir ebenfalls auf die eine und andere Bühne helfen können. Grundsätzlich versuche ich, meine Auftritte mit den Schulferien zu kombinieren. So schreibe ich Discos in meinen Feriendestinationen vorab an und frage, ob ich bei ihnen mal auflegen dürfte. Diesen Sommer zum Beispiel fliege ich wieder nach Ibiza. Da bin ich im Gespräch mit Beach Clubs.
Kurzgesagt läuft es so: E-Mail schreiben, Antwort abwarten. Das hat sich bislang bewährt, ist aber ziemlich anstrengend. Deswegen hoffe ich, dieses Jahr bei einer DJ-Agentur unterzukommen, die mir diese Arbeit abnehmen würde.
Mein tollstes Erlebnis war mein erster DJ-Auftritt vor Publikum. Das war auf der Alpina Hütte in Sankt Moritz. Dann ging es mit den Auftritten erst so richtig los. Klasse war auch der Auftritt am letzten Samstag mit DJ Rolf Imhof. Mit einem Profi wie ihm zu spielen und sich auszutauschen, war megacool. Diese zwei Momente werde ich nie vergessen.
Mein schlimmster Moment war zugleich auch mein lustigster. Ich legte das zweite Mal auf der Alpina Hütte auf. Mir rutschte plötzlich der Kopfhörer vom Kopf und fiel genau auf den Aus-Knopf. Stille. Das war unangenehm und komisch, doch keine Tragödie. Ich blieb ruhig und startete das Lied von vorne.
Gerade gehe ich noch in die dritte Sekundarschule A in Zollikon. Dieses Jahr versuche ich die Gymiprüfung. Wenn das klappt, ist die Matura mein nächstes Ziel. Vielleicht studiere ich danach, das weiss ich noch nicht genau. Mit der Musik ist es so eine Sache: Das Auflegen ist mein Hobby, meine Passion. Ich freue mich, wenn es läuft, aber ich verlasse mich nicht darauf. Ein Plan B ist sehr wichtig. Deswegen hat die Schule für mich Priorität.
Das letzte Jahr lief wegen Corona nicht so gut. Viele Auftritte wurden abgesagt. Dieses Jahr startete bereits viel besser. Mit meinem 16. Geburtstag öffnen sich ausserdem ganz viele Türen – mein grosses Ziel ist es, vielleicht schon diesen Sommer an der Street Parade aufzulegen.
Darüber hinaus erweitert sich mein Equipment, womit ich allmählich anfangen kann, nebst dem Musikauflegen auch eigene Songs zu produzieren.
Über seine nächsten Auftritte informiert Tim Winter auf seiner Webseite www.tassiloheyden.ch.
Mit Tim Winter sprach Ramona Bussien
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