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Wirtschafts- und wissenschaftsfreundlich

Von Franca Siegfried ‒ 18. Februar 2022

Von der soziologischen Kraft nackter Prozentzahlen. Eine mögliche Einschätzung zweier Abstimmungsresultate von Zollikon und Zumikon.

Die Stempelsteuer bleibt. Letztes Abstimmungswochenende hat sich die Mehrheit der Bevölkerung auf die Seite der SP, der Grünen und Gewerkschaften gestellt. Befürworter waren die GLP, Die Mitte, FDP und SVP sowie der Bundesrat mit allen Wirtschaftsverbänden. Das Lager der Ja-Parole hat jedoch den Souverän nicht überzeugt und mit 62,67 Prozent die Änderungen des Bundesgesetzes über Stempelabgaben abgelehnt. Erstaunlich, zumal das Schweizer Volk als wirtschaftsfreundlich gilt. Zu dieser Freundlichkeit steht Zollikon mit 58,99 Prozent Ja-Stimmen und Zumikon mit 61,46 Prozent.

Welches sind mögliche Gründe für die Abfuhr? Eine Abschaffung hätte den Wirtschaftsstandort Schweiz kaum gestärkt. Kapitalerhöhungen bis zu einer Million Franken sind schon jetzt von der Steuer befreit. Auch ist der Zeitpunkt für eine Steuersenkung schlecht. Während der Coronakrise musste sich der Bund mit über 30 Milliarden Franken zusätzlich verschulden. Zu guter Letzt haben die Befürworter eine emotionslose Kampagne geführt – im Gegensatz zum Nein-­Lager. SP-Finanzpolitikerin Jacqueline Badran hat sich derart ins Zeug gelegt, dass ihr der Hausarzt eine Auszeit verordnen musste. Ein SP-Slogan lautete: «Die Stempelsteuer ist die Mehrwertsteuer im Finanzbereich. Während die Bevölkerung weiterhin beim Kauf von jedem Gipfeli und jedem Pullover Mehrwertsteuern bezahlen muss, sollen Kapitaltransaktionen nun nicht mehr besteuert werden…» Besteuert der Staat die Menschen für ihr kleines Glück zum Kaffee, so sollen auch Unternehmer bei Kapitaltransaktionen ihren «Obolus» leisten. Der SP-Slogan ist voller Emotionalität und Soziologie. Kurzum, wer mit kleinen Bedürfnissen des Alltags argumentiert, kann nur gewinnen.

Der französische Soziologe Pierre ­Bourdieu zeigte, dass durch Handlungen im Alltag sich soziale Unterschiede als Lebensstil manifestieren. Der Soziologe erfasste, was Menschen essen, welche Musik sie ­hören und deren Einstellung zu ­Bildung und Wissenschaft. Die ­positive Einstellung zur Wissenschaft beweist indirekt auch das zweite Abstimmungsergebnis. Das Menschen- und Tierversuchsverbot scheiterte beim Schweizer Volk mit 79,08 Prozent. Das Nein in beiden Gemeinden ist noch deutlicher ausgefallen: In Zollikon haben 83,56 Prozent – in Zumikon 84,49 Prozent Nein gestimmt und sich für einen starken Forschungsplatz Schweiz eingesetzt.

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