Das Projekt wurde zum «Murks»

Von Franca Siegfried ‒ 3. März 2022

Beugi ist wieder in aller Munde. Begonnen hat alles mit der Abstimmung für die Widmer-­Initiative. Jedoch eine Um­setzung der Initiative wurde im Planungsprozess immer ­unwahrscheinlicher und mut­loser. Gemeindepräsident Sascha Ullmann im Interview.

Es bleibt unklar, wie es mit dem Beugi-Areal weitergeht. (Bild: zvg)
Es bleibt unklar, wie es mit dem Beugi-Areal weitergeht. (Bild: zvg)

Eine Siedlungsgestaltung wirkt sich eins zu eins auf die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner aus. Eine menschenfreundliche, umsichtige Planung ermöglicht zugleich eine ausgeglichene soziale Durch­mischung. Mit diesem Anspruch hat sich der Gemeinderat für das Beugi-Areal im Dorfzentrum viel vorgenommen. Die legendäre Abstimmung mit der Annahme der Widmer-Initiative war ein Paukenschlag. Der Gegenvorschlag von Alt-Gemeinderat Jürg Widmer bekam die meisten Ja-Stimmen: Die in Zollikon ansässigen Baugenossenschaften sollten das Projekt im Baurecht übernehmen und die Wohnungen realisieren. Zudem muss auf einen Grossverteiler im Untergrund verzichtet werden.

«Eigentlich ist seither viel passiert und an jeder Sitzung fragten wir uns, wann kann und soll der Gemeinderat die Bevölkerung informieren», sagt Gemeindepräsident Sascha ­Ullmann. «Der Gemeinderat kann jedoch nur konkrete Beschlüsse vorlegen, keine Mutmassungen.»

Sie haben mir eine Zeitachse aufgestellt mit den vielen Sitzungen und den Teilnehmenden.

Der Gemeinderat hat 2020 eine Projektorganisation mit Roadmap ins Leben gerufen mit Vertretungen des Gemeinderats, den Wohnbaugenossenschaften und Fachexperten für die Planung.

Wie lautete das Ziel der Sitzungen?

Zuerst wurden die bestehenden Planungsgrundlagen aufgearbeitet und ein Baurechtsvertrag entworfen. Bei den Beratungen der Bedingungen für den Baurechtsvertrag geriet das Projekt ins Stocken.

Weshalb?

Das Kernproblem waren die baurechtlichen Risiken. Man muss sich vorstellen, wir standen vor der Aufgabe, aus einer Zone für öffentliche Bauten eine Zone für Wohnbauten zu machen.

Darf der Gemeinderat selber umzonen?

Nein, neben der Gemeindeversammlung muss auch der Kanton zustimmen. Dieser ist in dieser Hinsicht viel strenger geworden, seine Zustimmung ist heute fraglicher denn je. Und mit dem Mehrwertausgleichsgesetz trat letztes Jahr auch noch die sogenannte «Mehrwertabgabe» in Kraft.

Das bedeutet?

Mit der Umzonung hätte das Grundstück ein Mehrfaches an Wert gewonnen – die Abgabepflicht an den Kanton beträgt 20 Prozent des Mehrwertes. Die geschuldeten Millionen an den Kanton hätten eine direkte Auswirkung auf die Mietzinse der genossenschaftlichen Wohnungen oder müssten durch die Gemeinde getragen werden.

Ein Teufelskreis …

Das Projekt wurde zum «Murks». Das Resultat war für niemanden befriedigend – und politisch auch nicht vermittelbar. Beide Parteien fragten sich, ob unter diesen Umständen eine Wohnüberbauung im Dorfkern wirklich Sinn macht, da auch die Gemeinde in Zukunft mit einem wachsenden Raumbedarf rechnen muss.

Warum war diese Umzonung im ursprünglichen Planungsprozess, der vor neun Jahren begann, kein Thema?

Auch das ursprüngliche Projekt ­hätte der Kanton bewilligen müssen. Die Vorabklärungen dazu waren damals eher positiv. Die Raum­planung hat sich jedoch weiterentwickelt. Verdichtung ist heute wichtig geworden. Ausserhalb des Siedlungsgebiets soll kein Land mehr bebaut und bestehende Flächen zonenkonform genutzt werden.

Ein komplexer Sachverhalt.

Die Verschärfung galt ab 2018. Mit dem Wegfall des Grossverteilers in der Initiative wurde das Argument der öffentlichen Nutzung (Ein­kaufen als tägliches Bedürfnis) beschnitten. Eine genossenschaftliche Wohnnutzung alleine genügt nicht, auch nicht ein paar Lädeli. Die Umsetzung des Mehrwertausgleichs­gesetzes bei Um- und Einzonungen wurde im Kantonsrat heftig diskutiert. Damit Liegenschaften nicht vorsorglich umgezont werden konnten, gab es im Mai 2019 ein Moratorium, das per 1.1.2021 aufgehoben wurde. Dieses Moratorium hat das Beugi 1:1 getroffen. Seither ist klar, dass diese Abgabenpflicht von 20 Prozent des Mehrwertes an den Kanton für Beugi gilt.

Wie haben Sie auf diese Erkenntnis reagiert?

Im Juni 2021 haben wir die Projektorganisation sistiert, die Projektkosten eingefroren und externe ­Berater ausgeladen. Es begann eine neue Phase direkt mit den ­Genossenschaftsvertretern in einer Grundsatzdiskussion mit der Frage «wie weiter». Auch der Gemeinderat beschäftigte sich im Rahmen von sogenannten «Aussprachegeschäften» ausführlich mit möglichen Auswegen.

Was hat sich dabei ergeben?

Der Gemeinderat hat im Februar beschlossen, einen alternativen Standort für die Umsetzung der Widmer-Initiative zu prüfen. Dabei sollen gemeindeeigene Grundstücke in Frage kommen, die baureif sind. Wir trafen uns mit den ­Genossenschaften mit der Frage, ob sie sich auch für diesen Weg entscheiden könnten.

Also mussten die einzelnen Genossenschaften zuerst mit ihren Vorständen darüber beschliessen.

Darum planten wir Anfangs März wieder ein Treffen mit den Vertretern der Genossenschaften mit dem Ziel, danach gemeinsam über die Beugi-Alternative zu informieren.

Dazu kam es nicht wegen einer Kommunikationspanne.

Es war keine Panne. Der Kommunikationsplan war mit beiden Seiten abgemacht. Der Gemeinderat hat diesen eingehalten. Wir waren auf der Zielgeraden und haben einen Konsens in dem schwierigen Projekt gefunden. Aber es waren am Schluss sehr viele Leute involviert.

Und jetzt?

Das Projekt zur Initiative und der Dialog mit den Genossenschaften geht weiter. Auch das Beugi bleibt wichtig für die Zukunft von Zollikon. Das grüne Herz vom Dorfkern muss bewahrt werden mit seinem Nutzungsmix von Einkaufen, öffentlichem Leben, Schulen und Sport.

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