Von Antje Brechlin ‒ 3. März 2022
Anna Mattsson Samanta, in Schweden geboren, wuchs dank abenteuerlustiger Eltern in Deutschland auf. Um ihren Wurzeln und Kultur näher zu kommen ging sie für das Studium wieder nach Schweden zurück. Seit zehn Jahren lebt Anna Mattsson in Zollikon, ist Partnerin in einer grossen Strategieberatungsfirma und engagiert sich für Diversität in Schweizer Unternehmen.
Ich fühle mich in beiden Ländern zu Hause, vor allem auch in der Schweiz. Nach dem Abitur in Deutschland habe ich in Schweden Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft und Sprachen studiert und in acht Ländern inklusive Singapur und USA gelebt. Bevor wir nach Zollikon zogen, wohnten und arbeiteten wir fast zehn Jahre in London. Meine Tochter ist dort geboren. Mein Sohn ist acht Jahre alt und ein echtes Zolliker Kind. Auch das Temperament der beiden passt zu den jeweiligen Ländern. Die Tochter ist bereits eine kleine Unternehmerin, modisch und lifestyle-mässig immer am Puls der Zeit, während der Sohn der Ruhige, Diplomatische und Heimatverbundene ist.
Immer! Ich mache ja nicht nur den Deal, sondern überlege, wie man Firmen, die aus Menschen bestehen, zusammenbringt. Ich helfe ihnen, eine gemeinsame Sprache zu finden, Unsicherheiten der Mitarbeiter zu überwinden und die Mitarbeiter bei einer so einschneidenden Veränderung zu begleiten. Oft agiere ich wie ein Coach zwischen den Firmen – die menschliche Komponente ist gross. Deshalb liebe ich diesen Job so sehr. Ich sehe wirklich alles in den Firmen und versuche mich mit den Menschen auseinanderzusetzen, mit jenen, welche die Gebäude reinigen genauso wie mit den Vorstandsvorsitzenden. Bis jetzt habe ich 110 Firmen zusammengeführt.
Das Streben nach mehr Gleichberechtigung gab es lange vor «Me too». Untersuchungen und Studien belegen, dass unterschiedliche Teams bessere Leistungen bringen, auch wenn es schwieriger ist diverse Teams zu führen. Unternehmen versuchen heute komplexe Probleme zu lösen; da braucht es unterschiedliche Denkweisen. Die besten und kreativsten Lösungen entstehen mit diversen Teams.
Die Beratungsbranche bietet mehr Flexibilität als viele denken. Meine Kinder sind jede zweite Woche bei mir; ich reise und arbeite nur, wenn die Kinder bei ihrem Vater sind. Sind sie bei mir, arbeite ich weniger, reise nicht und mache öfters Homeoffice. Ich musste lernen einzufordern was ich will. Grenzen
zu setzen, herauszufinden, welche Flexibilität ich brauche. Zu Beginn der Corona-Pandemie habe ich neun Monate nicht gearbeitet. Es war eine gute Zeit, um mir im Klaren zu werden, was ich will und was mir wichtig ist. Das Fazit: Meine Kinder sind das Wichtigste, aber ich liebe auch meine Arbeit. In dieser Zeit habe ich eine Ausbildung zur Kinderskilehrerin abgeschlossen, da mir das Skifahren und die Berge unheimlich viel Energie geben. Ich war mit meinen Kindern oft im Zolliker Wald, wir haben gespielt, geredet. Wir lieben es, hier in Zollikon zu sein. Mittlerweile ist es in meinem Beruf möglich, nicht Vollzeit zu arbeiten oder eine Rolle zu übernehmen, die zur Lebensphase passt, zum Beispiel eine interne Rolle. Beratungsunternehmen sehen mittlerweile, welche Talente verloren gehen, wenn sie keine Flexibilität zeigen.
Die Corona Pandemie hat vielen Arbeitgebern die Vereinbarkeit von Beruf und Elternsein nähergebracht. Ich sehe heute die Kinder von Klienten oder Kollegen in Zoom-Meetings. Junge Väter wollen in Elternzeit gehen, sie wollen sich auch um ihre Kinder kümmern. Es geht nicht nur ums Elternsein; ich habe einen Kollegen, der sich beurlauben liess, weil er für seine Freundin da sein will, die sich um ihren Vater kümmert, der einen Schlaganfall erlitten hat. Natürlich ist Beratung kein Nine-to-five-Job, und es ist auch nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bekommen, aber es tut sich viel. Diese Woche hatten wir als Team eine super Diskussion, wie wir arbeiten wollen, inklusive wann wir vor Ort versus virtuell arbeiten wollen. Die jüngere Generation lebt nicht mehr nur für den Job. Die Work-Life-Balance ist wichtiger geworden. Das haben auch fortschrittlichere Firmen begriffen.
Das liegt an einem selbst und wie man Prioritäten setzt. Ich hatte ein Aha-Erlebnis, als meine Tochter ein Jahr alt wurde. Ich arbeitete bis spät und stellte mich danach in die Küche, um aufwendig dekorierte Cupcakes zu backen. Da fragte ich mich, für wen ich das mache. Meine Tochter war ein Jahr alt! Lieber einen gekauften Geburtstagskuchen als eine erschöpfte Mutter oder Vater. Seitdem kaufe ich den Kuchen. Man kann und muss nicht in allem perfekt sein. Ich habe gelernt, mir helfen zu lassen. Manchmal priorisiert man die Arbeit, manchmal das Zuhause. Das ist ok. Frauen sollten sich klarmachen, was sie im Beruf erreichen wollen. Ziele im Kopf haben. Chancen ergreifen und dann liefern und nicht darauf warten, dass ihnen etwas geschenkt wird. Fokussiert arbeiten gehört dazu. Netzwerken ist wichtig und sich gegenseitig unterstützen.
Mit Anna Mattsson Samanta sprach Antje Brechlin
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