Alles dreht sich um die Sprache

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 26. Mai 2022

Jeden Mittwoch treffen sich ukrainische Frauen im Gemeinschaftszentrum der reformierten Kirche. «Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen.»

Bei den ukrainischen Volksliedern überwältigt die Frauen das Heimweh. (Bild: bms)
Bei den ukrainischen Volksliedern überwältigt die Frauen das Heimweh. (Bild: bms)

Als die reformierte Kirche Zumikon den Geflüchteten aus den Kriegsgebieten Hilfe anbot, meldete sich Ola Tschernega. Die Zumikerin stammt aus der Ukraine und spricht auch Deutsch. Sie steht im Mittelpunkt, wenn sich nun mittwochnachmittags Frauen und Kinder im Gemeinschaftszentrum treffen. Was sind die vordringlichsten Probleme der Geflüchteten?

«Es gibt keine Probleme, höchstens Herausforderungen und unterschiedliche Situationen», erklärt sie bestimmt. Es gelte, einfach eine Frage nach der anderen zu beantworten und Lösungen zu finden. So kennt sie eine Frau mit drei Kindern, die mittlerweile auf der Forch untergekommen ist. Ein Kind kann sogar die Musikschule besuchen. «Allerdings in Oerlikon. Das ist nicht sehr günstig.»

Eine Frau ist an diesem Nachmittag erstmals dabei. Sie lebt in einer Sammelunterkunft in der Stadt ­Zürich und trägt am Handgelenk noch das Armband mit der Registrierungsnummer. Irgendwo hatte sie von dem Angebot in Zumikon gehört und sich in die Bahn gesetzt. Sie ist dringend auf der Suche nach einem Zimmer.

Manche kehren schon zurück

Ola Tschernega hat noch Familie in der Ukraine. Über die verschiedenen Messenger-Dienste hält sie Kontakt, erfährt von den Zerstörungen, dem Leid und von den vielen, die eben nicht flüchten wollen. «Ich verstehe, dass Eltern nicht gehen, wenn sie ihren Sohn zurücklassen müssen. Dass Frauen bleiben, um in der Nähe des Mannes zu sein.» Sie kennt auch Ukrainerinnen, die schon wieder zurückkehren, obwohl sie dort eher in Ruinen als in Häusern leben müssen. Aber es strömen auch immer noch Menschen Richtung Westen.

Olga Barinova ist an diesem Nachmittag auch zum ersten Mal da. Die Russin lebt ebenfalls in Zumikon und möchte helfen. Ob sie als Russin nicht angefeindet werde? «Nein. Die Leute unterscheiden zwischen den russischen Bürgern und der russischen Politik.» Sie glaubt, dass mindestens 80 Prozent ihrer Landsleute nicht wüssten, was in der ­Ukraine wirklich passiert. Dabei gebe es ausreichend Möglichkeiten, sich gezielt zu informieren. Erst wenn die westlichen Sanktionen die Wirtschaft des Landes schädigten, würde den Russen klar, was passiert. «Dabei hat die Propaganda ja schon viel früher angefangen, nämlich als die Krim besetzt wurde.» In Russland hat sie als Strategieberaterin für internationale Firmen gearbeitet. Nun kümmert sie sich um die Tochter und deren Integration. Die Familie kam vor knapp drei Jahren in die Schweiz, kurz vor der Pandemie. Das machte den Einstieg für das Mädchen nicht einfach.

Olga Barinova redet mit ukrainischen Frauen, hört geduldig zu. Sie kann übersetzen, verstehen. Die Sprache ist vielleicht die grösste Herausforderung im Moment. «Es wäre so wichtig, dass die Frauen Deutschkurse besuchen können», unterstreicht Ola Tschernega. Nur wenn sie sich hier verständigen können, lässt sich der Alltag meistern. Aktuell versucht sie selbst, ­gemeinsam mit Prisca Wachter von der reformierten Kirche, die Grundlagen zu vermitteln. Wie stellt man sich vor? Wie fragt man nach dem Weg? Nach einem Supermarkt? ­Jeweils eine Stunde lang wird ­gelernt. Dann setzt sich eine der ­Ukrainerinnen an den Flügel und stimmt ein Volkslied aus der ­Heimat an. Fast alle singen mit. ­Einige verstummen, weil die Tränen kommen.

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