Auf den Hund gekommen

Von Franca Siegfried ‒ 23. Juni 2022

Vierbeiner sind Familienmitglieder. Sie dienen als Eis­brecher bei Familienstress, und während der Pandemie war Gassi gehen ein Mittel gegen Vereinsamung. Vorbei ist es jetzt mit Home-Office und der treue Freund bekommt einen «Huta»-Platz. Über das Hundeleben in Zollikon und Zumikon.

Vreni Guggisberg vom Zollikerberg ist eine der insgesamt 35 Hundeausbildnerinnen und -bildner mit  Bewilligung vom kantonalen Veterinäramt. (Bild: fs)
Vreni Guggisberg vom Zollikerberg ist eine der insgesamt 35 Hundeausbildnerinnen und -bildner mit Bewilligung vom kantonalen Veterinäramt. (Bild: fs)

Es geht uns hundeelend, wir sind hundemüde, stehen da wie ein begossener Pudel oder geprügelter Hund. Sobald wir unsere Gefühle beschreiben wollen müssen Hunde her­halten. Während des Lockdowns entpuppte sich Gassi gehen als Therapie gegen Vereinsamung. Und der Hund übernahm als Eisbrecher eine soziale Aufgabe für gestresste Familien im Home-Office. Vielen wurde in der Pandemie bewusst, dass ihnen eine tierische Nähe fehlt. Nicht zuletzt haben in sozialen Medien Hundevideos die Sehnsucht verstärkt. Das Resultat: In Zollikon wurden im letzten Jahr 50 neue Hunde registriert, in Zumikon 15. In Zumikon hat jedoch der Hundeboom im Jahr 2018 ohne Pandemie mit 40 neuen Registrationen eingesetzt. Letztes Jahr wedelten in Zollikon 722 Hunde, in Zumikon 382. Zu jedem Hund gehören Menschen – gemäss Statistik leben in Zollikon 13 382, in Zumikon 5590 Einwohner. Fakt ist, dass sich Zollikon bei den Hunden an Zumikon anpasst.

Wartelisten für Hybridhunde

Das bestätigt Vreni Guggisberg vom Zollikerberg. Das kantonale Veterinäramt hat insgesamt 35 Hundeausbildnerinnen und -bildner die Bewilligung für den Kanton Zürich erteilt. Zu diesem auserwählten Kreis gehört Vreni Guggisberg. Sie kümmert sich um die vom Kanton verordnete Erziehung der Vierbeiner. Sie ist mit Hunden aufgewachsen und verfügt nebst ihrer Ausbildung zur Hundetrainerin über viel Erfahrung. «Bald lebt in jedem zweiten Haushalt in Zollikon ein Hund. Ich könnte sieben Tage die Woche arbeiten.» Welpen der grossen Rassen bis zur 16. Lebenswoche benötigen vier Lektionen, Junghunde bis zum 18. Monat zehn Lektionen. «Hunde haben jedoch nie ausgelernt, die Entwicklungsphasen dauern bis zu drei Jahre», erklärt die Ausbildnerin. Oft kaufen sich Leute eine Rasse, die ihren Ansprüchen nicht entspricht: «Es ist ein Unterschied, ob ich ein Tier mit 40 oder zehn Kilo an der Leine habe. Problematisch ist, wenn der Hund mit dem Halter spazieren geht.»

Die Kreuzung zwischen Labrador Retriever und Grosspudel als Labradoodle ist momentan «en vogue». Soeben hat Tennisstar Roger Federer auf Instagram Willow in seiner Familie willkommen geheissen – einen Goldendoodle, eine Kreuzung zwischen Golden Retriever und Pudel. Die Züchter der Hybridhunde haben Wartelisten – bis zu 5000 Franken wird bezahlt. Ausweichen auf Welpen aus dem Internet? «Viele Welpen werden unter unerträglichen Bedingungen im Ausland ‹produziert›. Sie werden zu früh von ihren Müttern und Geschwistern getrennt, müssen qualvolle Transporte ertragen und werden mit gefälschten Papieren und nicht selten bereits todkrank ihren neuen Besitzern in der Schweiz übergeben», schreibt Claudia Reusch, ­Direktorin der Klinik für Kleintiermedizin der Universität Zürich in der Broschüre «Augen auf beim Welpenkauf!». Vreni Guggisberg beobachtet, wie Welpen aus Unwissenheit der Besitzer überfordert werden: «Ohne die Ruhe von bis zu 20 Stunden Schlaf entwickeln sie sich als hypernervöse Hunde.» Sie berichtet auch von einer zunehmenden Unverbindlichkeit dem Tier gegenüber, die sich auf die Teilnahme der obligatorischen Hundelektionen auswirke. Kurzfristige Absagen oder Nichterscheinen gehöre zur Tagesordnung.

Verletztes Schaf

Seit 2007 müssen alle Hunde ab dem Alter von drei Monaten in der Schweiz in der Datenbank AMICUS registriert sein. Damit lassen sich Abklärungen, etwa bei entlaufenen, verwahrlosten oder ausgesetzten Tieren erleichtern. In der nationalen Hunde-Statistik war der Peak der Hundepopulation im Februar 2022 mit registrierten 549 097 Tieren erreicht (Quelle, identitas.ch). Seit März zeichnet sich ein leichter ­Abwärtstrend ab. Hunde werden bei den Gemeinden abgemeldet, jedoch nicht nur, weil sie mit der Familie wegziehen oder gestorben sind, sondern in einem Tierheim landen. Zu den Top Five der hundereichsten Kantone gehören Zürich, gefolgt von Bern, Waadt, Aargau, auf Platz fünf der Kanton Tessin.

Mit der wachsenden Hundepopulation hat sich die «Huta» oder Hundetagesstätte, nicht zu verwechseln mit der «Kita», etabliert. In Zollikon kann man während der Woche Lieferwagen mit Hundeboxen beobachten, welche morgens die Lieblinge einsammeln. «Hunde werden nach dem Lockdown bis zu fünf Tage die Woche fremdbetreut», bestätigt Vreni Guggisberg. Mit anderen Hunden zusammen spielen ist eine tiergerechtere Lösung, als alleine warten bis Frauchen und Herrchen abends zurück sind. Dogsitting ist jedoch eine verantwortungsvolle Aufgabe. Das beginnt schon beim Gassi gehen. Mehr als fünf Hunde zusammen führen ist nicht zu empfehlen. Hunde in der Meute sind schwierig zu kontrollieren. Besonders bei Spaziergängen vorbei an weidenden Tieren. Jüngstes Beispiel: Im April wurde in Zumikon ein Schaf auf der Weide von einem Hund verletzt. Das bestätigt auf Anfrage die Kantonspolizei.

Geduldige Bauern

«Die Bauern sind erstaunlich geduldig mit Hundebesitzern», sagt Vreni Guggisberg. «Nicht alle nehmen den Kot zusammen, und manche lassen ihre Schützlinge über frisch angesäte Felder rasen. Dieses Verhalten fällt auch auf korrekte Hundebesitzer zurück.» Hunde sind intelligent, das kann man nicht von allen Menschen behaupten. Das Hundegehirn ist im Vergleich zum Menschen zwar nur einen Drittel so gross. Die Hundenase mit 200 Millionen Geruchsrezeptoren ist jedoch im Vergleich zur menschlichen Nase mit fünf Millionen ein hochleistungsfähiges Organ. Die Nase eröffnet Hunden eine Welt, die uns verwehrt bleibt. Mit den olfaktorischen Fähigkeiten erfassen sie auch, ob der Mensch traurig, gestresst oder sogar krank ist. «Der Mensch ist für den Hund ein offenes Buch. Die Wahrheit unseres Ist-Zustandes wird vom Hund jederzeit registriert. Das bedeutet, dass unsere Stimmung, unsere Emotionen, bei der Ausbildung und Haltung des Hundes eine grosse Rolle spielen», erklärt Vreni Guggisberg. Sich einen solch sensiblen Vierbeiner in einer Kauflaune anzuschaffen, je nach Grösse in einer Labeltasche herumzutragen oder in einer «Huta» zu deponieren – das ist kein Hundeleben.

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