Geburtshaus im Zollikerberg

Von Antje Brechlin ‒ 23. Juni 2022

Im Zollikerberg soll ein Geburtshaus entstehen. Das Spital reagiert mit dem Bau auf die erhöhte Nachfrage nach natürlichen Geburten – begleitet ausschliesslich von Hebammen.

Auf diesem Areal könnte das neue Geburtshaus entstehen. (Bild: ab)
Auf diesem Areal könnte das neue Geburtshaus entstehen. (Bild: ab)

Einen Rekord mit gut 2400 Geburten verzeichnete das Spital Zollikerberg im vergangenen Jahr. Jetzt will man ­einen neuen Trend unterstützen: Die hebammengeleitete Geburt, ganz ohne Arzt. Bereits im kommenden Frühjahr soll ein Geburtshaus auf dem Gelände des Spitals entstehen. Vorgesehen ist ein kleines bestehendes Bauwerk. Derzeit finden Gespräche mit der Gemeinde statt, die Baugenehmigung ist eingereicht, im Sommer rechnet das Spital mit konkreten Informationen. Wird das Projekt bewilligt, könnten in den vorgesehenen Räumlich­keiten bis zu 300 Familien im Jahr betreut werden. Das Spital reagiert damit auf die grösser werdende Nachfrage nach hebammengeleiteter Geburtshilfe in einer ruhigen und privaten Umgebung. Die Erweiterung des Angebots will Familien, die zwischen einem Geburtshaus und einem Spital entscheiden können und wollen, eine Alternative bieten. Die werdenden Eltern können in die Atmosphäre eines Geburtshauses eintauchen, hätten aber die Sicherheit einer Spital-­Infrastruktur. Das Interesse für das Projekt ist gross. Schon jetzt haben sich freischaffende Hebammen im Spital Zollikerberg gemeldet.

Trend natürliche Geburt

Die Zumikerin Rosmarie Huber arbeitet seit über 40 Jahren als selbstständige Hebamme. Sie sieht den Trend zu natürlichen Geburten seit einigen Jahren. «Die Frauen zwischen 20 und 30 Jahren sind besser informiert und hinterfragen mehr, ob wirklich jede empfohlene Untersuchung der Ärzte notwendig ist.» Sie vertrauen mehr auf sich, als die Generation der über 40-Jährigen, wollen mehr selbst entscheiden, sind häufig auch gegen zu viel Medizin. Viele wünschen auch eine Gesamtbetreuung, eine Hebamme könne man schliesslich alles fragen. In städtischen Regionen sei bei vielen Frauen während der Schwangerschaft trotzdem ein erhöhtes, ­medizinisches Sicherheitsbedürfnis vorhanden. Im Kanton gibt es seit Jahrzehnten ­mehrere etablierte Geburtshäuser mit sehr guter Auslastung, darum will auch das Spital Zollikerberg sein Angebot erweitern.

Bachelorstudium Hebamme

Derzeit praktizieren in der Schweiz 1634 Hebammen (Stand 2019). Die Anforderungen sind hoch. Früher ein Ausbildungsberuf, startete man 2008 mit der Akademisierung. ­Heute benötigen Interessierte eine ­Matura und müssen ein Bachelorstudium abschliessen. Die Plätze sind begrenzt, die Bewerbungen sind zahlreich, trotz unregelmässiger ­Arbeitszeiten und nicht üppigem Lohn. Als Hebamme trägt man die Verantwortung für den Ablauf der Geburt, vom Einsetzen der Wehen bis zur Geburt. Rosmarie Huber hätte nach heutigen Massstäben ihren Traumberuf nicht ausüben können. «Ich habe die Sekundarschule abgeschlossen und drei Jahre Hebamme gelernt.» Die Hürde der Matura sei nicht notwendig. «Die Geburten laufen heute schliesslich auch nicht anders ab als vor 50 Jahren, nur das Sicherheitsdenken der Menschen in die medizinische Betreuung und die grösseren Erwartungen an die Hebammen haben sich verändert.»

Hebammen früher und heute

Früher haben alle Frauen zuhause geboren, mit Hilfe einer Hebamme. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verlagerten sich Geburten mehr in Spitäler. Mit zunehmender Medizinalisierung und Hospitalisierung der Schwangeren verloren Hebammen mehr und mehr ihre Unabhängigkeit und wurden zur Hilfskraft der Ärzte. Im Zuge der Frauenbewegung in den 1980er-Jahren wollten wieder mehr Frauen eine selbstbestimmte Geburt. Anfang der 90er-Jahre entstanden in der Schweiz die ersten Geburtshäuser. Auf den Wunsch der natürlichen, selbstbestimmten Geburt folgte in den 2000er-Jahren so etwas wie das Gegenstück: Der Kaiserschnitt-Hype. Der Wunsch nach der geplanten, möglichst schmerzlosen Geburt schwappte von den USA und Brasilien zu uns. Die Kaiserschnittrate schnellte in die Höhe. Es hiess damals, der Kaiserschnitt garantiere die absolute Sicherheit für Mutter und Kind. Dabei wurde ausgeblendet, dass auch ein Kaiserschnitt Risiken birgt. Es waren aber nicht nur Sicherheitsgedanken, sondern ökonomische und logistische Überlegungen, die zu diesem Hype führten. Der Eingriff ist für Eltern, Spitäler und Ärzte gut planbar. Die Kaiserschnittrate in der Schweiz ist hoch und bewegt sich bei 32,6 Prozent (Stand 2020). Ob ein Kind per Kaisergeburt oder spontan zur Welt kommt, kann die werdende Mama selbst entscheiden. Die Gründe sind verschieden und sollten vom Umfeld einfach akzeptiert werden.

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