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«Mir händ öises Dorf gern»

Von Franca Siegfried ‒ 7. Juli 2022

Abschiednehmen ist immer mit Wehmut verbunden. Die beiden FDP-Politiker Jürg Eberhard und Andreas Hugi philosophieren mit dem Zolliker Zumiker Boten über das Milizsystem, Professionalisierung und ihren Abgang als Gemeindepräsident und Gemeinderat.

Präsidenten-Treffen auf dem Zumiker Dorfplatz, Andreas Hugi (links) und Jürg Eberhard (rechts) sprechen über ihre Zeiten als Gemeinde- und Schulpräsident. (Bild: fs)
Präsidenten-Treffen auf dem Zumiker Dorfplatz, Andreas Hugi (links) und Jürg Eberhard (rechts) sprechen über ihre Zeiten als Gemeinde- und Schulpräsident. (Bild: fs)

Zwei Männer, die ­offen über ihr lachendes und ihr weinendes Auge sprechen, das ist selten. Jürg Eberhard und Andreas Hugi trafen sich letzten Dienstagabend für eine Stunde auf dem Dorfplatz. Jürg Eberhard ist nach einer Amtszeit von acht Jahren als Gemeindepräsident und vier Jahren als Gemeinderat ausgeschieden – bewusst, ohne Wenn und Aber. Auch Andreas Hugi hat nach 12 Jahren als Gemeinderat und Schulpräsident das Amt verlassen. Sie sind Parteikollegen in der FDP, beide im besten Alter. «Ich werde die Kollegen vermissen, wir haben uns an und nach den Sitzungen regelmässig getroffen», sagt Jürg Eberhard. «Unsere Aufgabe für die Gemeinde Zumikon hat uns zusammengeschweisst.» Das kann Andreas Hugi bestätigen: «Ich werde als Gemeinderat und Schulpräsident auch die Anlässe der Gesamtschule vermissen.» Trotzdem haben sie nicht mehr kandidiert. «Mir ist es wichtig, dass es einen Wechsel gibt. Das Wort ist negativ behaftet, bringt es jedoch auf den Punkt – Sesselkleber sind nicht gut für eine Gemeinde», betont Jürg Eberhard. «Als primus inter pares sollte man in einem ­Gremium nicht allzu prägend wirken.» Andreas Hugi doppelt nach: «Ich hätte durchaus weitermachen können, aber nach 12 Jahren soll auch einmal ein Wechsel stattfinden können.»

Nicht ohne Frauen

Eine gewisse Kontinuität in der ­Zusammensetzung der Behörde muss jedoch sein. Die Auswirkung eines ständigen Wechsels hat Jürg Eberhard in seinen ersten beiden Amtszeiten erlebt. Er ist auch nicht begeistert, dass in seiner letzten Amtsperiode sieben Männer, alles Bürgerliche, im Gemeinderat sassen – ohne Vertretung der Frauen. Aus diesem Grund waren sie als Gemeinderat nicht repräsentativ. «Obwohl, 5000 Meinungen zu vertreten, so viele Einwohnerinnen und Einwohner hat Zumikon, das ist ein Ding der Unmöglichkeit», meint Jürg Eberhard. «Ein Reiz­thema ist für mich, zu denken, dass eine Gemeinde wie eine Firma zu führen ist.» Sie diskutieren über die zwei Führungsebenen, der operativen und strategischen.

Ressorts an Gemeinderäte zu verteilen, die ihrem Beruf entsprechen, finden beide nicht klug. Ein Aussenblick sei wichtig, gepaart mit einem Vertrauen an die Kompetenz der operativen Ebene. «Wir haben eine Schulleitung, Lehrpersonen, Fachleute, also musste ich als Schulpräsident nicht auch Pädagoge sein», sagt Andreas Hugi, Unternehmer einer PR-Agentur und Vater von vier Kindern. «In den Medien ist der Mangel an Lehrpersonen sehr präsent. Hier in Zumikon ­haben wir genügend Lehrkräfte, kaum Fluktuationen.» Das sei die Leistung einer gut funktionierenden operativen Führung. «Intervenieren muss ein Behördenmitglied nur, wenn es nicht mehr läuft: Bei Veranstaltungen oder Sitzungen merkte ich meistens schnell, ob es Unstimmigkeiten gab.»

Milizsystem: Teil der direkten Demokratie

In dieser Stunde auf dem Zumiker Dorfplatz diskutieren die Männer auch über Miliz oder Professionalisierung. Beide warnen davor, das Milizsystem abzuschaffen, es sei Teil der direkten Demokratie. Der Kanton tendiere jedoch zur Überregulierung und falsch verstandenen Professionalisierung. Eine weitere Tendenz zeichnet sich ab, dass vermehrt Parteilose für ein Amt kandidieren. Mit einer politischen Partei im Hintergrund erfahren Kandidierende von Altgedienten, was sie erwarten wird. Wie sich der Zeitaufwand zusammensetzt, wo Stolpersteine sind, wie man sich abgrenzen kann. Beide Zumiker sorgen sich auch um die zunehmende Überalterung – gefragt sind junge Familien mit Kindern, die Zumikon frisches Leben einhauchen. «Als Ur-Zumiker freue ich mich auf das neue Dorfzentrum. Wie und was ist mir eigentlich wurst. Der Platz aus den 1980er-Jahren soll sich endlich verjüngen», sagt Jürg Eberhard beim Abschied von Kollege Andreas Hugi. «Mir händ öises Dorf gern.»

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