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Ende der linearen Wirtschaft

Von Franca Siegfried ‒ 13. Oktober 2022

Die Stimmberechtigten von Zollikon und Zumikon haben sich für die Kreislaufwirtschaft stark gemacht am Abstimmungssonntag vom 25. September. Und jetzt? Wann wird die konsequente Umsetzung der sorgfältigen Nutzung von Ressourcen folgen?

Besonders im Bauschutt findet sich viel wiederverwertbares Material. Die Baubranche wird zukünftig mehr in die Pflicht genommen. (Bild: bms)

89,27 Prozent der Stimmberechtigten im Kanton Zürich haben für die Kreislaufwirtschaft gestimmt – bei einer Stimmbeteiligung von 51,32 Prozent. Was sich engagierte junge Grüne ausgedacht haben, hat das Kantonsparlament in einem Gegenvorschlag übernommen, ausgearbeitet und ­zugespitzt. Die jungen Grünen verlangten ursprünglich eine Kreis­laufwirtschaft für die nachhaltige Nutzung von Werkstoffen wie Verpackungen, Elektronik und andere Konsumgüter – im Gegenvorschlag wird auch die Bauwirtschaft dazu verpflichtet. Im Kanton Zürich gibt es rund 4,2 Tonnen Abfall pro Kopf im Jahr, jedoch nur ein Viertel ist von ­Privathaushalten verursacht, der grosse Anteil stammt von der ­Bauwirtschaft. ­Zürich ist jetzt der erste Kanton in der Schweiz, der über die Grundlage für ein entsprechendes Gesetz verfügt. Andere Kantone sind mitten im politischen ­Prozess, etwa Bern. Für alle Recyclingunternehmen war der vergangene Abstimmungssonntag eine Genugtuung, ihr Geschäftsmodell ist nicht nur zukunftsweisend, sondern auch mehrheitsfähig geworden.

Neue Qualifikationen

Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ist auch eines der Flaggschiffe des Europäischen Grünen Deals. Dessen Studie vom Jahr 2021 «Circular Economy and the World of Work» informiert EU-Partner über Auswirkungen einer Kreislaufwirtschaft mit Fokus auf die Arbeitswelt. Der Report vertieft dabei die Gewinnung von Rohstoffen, ­die Herstellung von Gebrauchsgütern, Baugewerbe und Abfallwirtschaft. Fazit: Das Ende der linearen Wirtschaft erfordert auch neue Qualifikationen und ­Umschulungen der Arbeits­kräfte. Die Zürcher Hochschule für ­Angewandte Wissenschaft ZHAW bietet schon jetzt ein CAS Managing ­Circular Economy für 2022/23 an: 132 Lektionen, jeweils Freitag und Samstag kosten 8000 Franken. «Dieses Programm hilft Ihnen, den wachsenden Geschäftsnutzen nachhaltiger Lösungen zu verstehen und zu lernen, wie Sie durch die Einbeziehung von Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in Ihre Strategien wettbewerbsfähiger werden können», schreibt die ZHAW.

Warten auf den Kanton

Wie reagieren die Gemeinden ­Zumikon und Zollikon auf das ­Abstimmungsresultat? Zollikon schreibt auf Anfrage: «Im Allgemeinen möchten wir festhalten, dass es sich ja vorerst um einen Ver­fassungsauftrag handelt, der auf ­Gesetzgebungsstufe konkretisiert werden muss. Zudem ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft auch ein Thema, das nicht kommunal, sondern nur im Verbund mit anderen Gemeinden bzw. Akteuren in der Abfallwirtschaft angegangen werden kann.» Thomas Kauflin, Gemeindeschreiber von Zumikon doppelt nach: «Bevor die Gemeinden eigene Konzepte und Reglemente ausarbeiten, dürfte es sinnvoll sein, erst einmal abzuwarten, was vom Kanton noch kommt. Wir haben uns also noch nicht vertieft mit der Umsetzung der Vorlage ­befasst.» Beide Gemeinden betonen jedoch, dass sie neben den üblichen Recycling-Sammelstellen besonders im Bereich Hoch- wie auch Tiefbau schon jetzt Anforderungen stellen, die sich in die Kreislaufwirtschaft integrieren lassen. Die Gemeinde Zollikon erwähnt: «Im Zweckverband Kehrichtverwertung Zürcher Oberland, KEZO bzw. der ZAV Recycling AG in Hinwil besteht beispielsweise im Bereich des sogenannten «Urban Mining» mit dem Thermo-Recycling ein interessanter Ansatz. In Zusammenarbeit mit der Firma Grimm AG wird für die Zolliker Bevölkerung bereits ein Plastic-Recycling angeboten.» Der Kanton Zürich wirbt auf seiner Webseite für «Kreislaufwirtschaft» als ein Gebot der Stunde und erklärt dabei auch «Urban Mining». Das Ziel des Kantons ist, Rohstoffe in Produkten und Infrastrukturen nach dem Gebrauch weiter zu nutzen. Mit dieser Nutzung eröffnen sich neue Material- und Rohstofflager. Dafür fördert «Circular Economy Switzerland» Kooperation und Wissenstransfer von Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung. Die Kreislaufwirtschaft soll in der Schweiz auf allen Ebenen an­kommen, dabei bezeichnet sich «Cir­cular Economy Switzerland» als Bewegung, der etwas Missionarisches anhaftet. Zollikon hat sich mit 90,84 Prozent und Zumikon mit 90,21 Prozent für eine Kreislaufwirtschaft stark gemacht, daher ist eine sogenannte «Glaubensbekehrung» verlorene Liebesmüh und entspricht keineswegs einer informierten Gesellschaft.


Kommentar: In eigener Sache

Meine Grossmutter, Unternehmensgründerin, legte sämtliche ­Geschenkbändeli, Schnüerli und sogar alte Nylonstrümpfe als ­Pack­material zur Seite. Material war wertvoll und wurde mehrfach verwendet, auch lange nach der Kriegszeit. Das war eine gute Schule. In der ­Fröhlich Info AG halten wir die Kreislaufwirtschaft seit über 30 Jahren in Schuss, rezyklierten schon dazumal Filme oder entsilberten das Entwicklerbad. Metall und Aluplatten der Druckproduktion führen wir noch heute in den Kreislauf zurück und verwenden ­Verpackungsmaterial mehrfach. Wir haben keine Gesetzesvorlage abgewartet, sondern Prozesse optimiert und die Leichtigkeit des Recyclings gelebt. Denn ressourcenschonendes Handeln ist keine Frage der Technik, sondern ein Lebensstil.

Claudia Eberle-Fröhlich, Verlagsleitung

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