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Blutsaugende Ungeheuer, sanfte Meerjungfrauen

Von Ramona Bussien ‒ 3. November 2022

Blutverschmierte Mundwinkel, schwarze Schnurrhaare und glitzernde Fischschuppen: Das Schminkatelier im Orts­museum hat pünktlich zu Halloween manche Sagen­gestalt zum Leben erweckt.

Fast schon familiär ging es Ende Oktober im Eingangsbereich des Ortmuseums zu und her. Väter und Mütter begleiteten ihre Kleinen ins Schminkatelier, das hier, zwischen den Exponaten der Seebadi-Ausstellung, mit leuchtenden Farben und reichlich Glitzer lockte. Meerjungfrau und Seeungeheuer lautete das Motto. Aber mit Kindern und Mottos ist das so eine Sache: Ein Bub hüpft im Skelettanzug und mit Pantherschwanz um die Tische, ein schwarz gekleidetes Mädchen zieht sich eine Zombie-Maske übers Gesicht. Zwei Schwestern möchten sich nicht in zauberhafte Nixen verwandeln, sondern in schwarze Katzen. Museums­leiterin Mirjam Bernegger und ihre Mitarbeitenden versuchen, jeden Wunsch zu erfüllen; die Schachteln mit den Schminkutensilien stehen bereit. Ob Fischschuppen, Schnurrhaare oder Glitzersteinchen und Muschelornamente, möglich ist ­allerhand. Wie genau, das müssen auch die beiden Schminkfeen bisweilen erst herausfinden.

Das Mädchen, das bei Mirjam ­Bernegger am Schminktisch sitzt, möchte zur Meerjungfrau werden. Schuppen wären toll. Azurblau oder Meergrün. Passend zum ­blauen Rüschenkleid. Die Theorie klingt einfach: für einen Schuppeneffekt ein grobmaschiges Netz übers Gesicht ziehen und Farbe auftupfen. Zu zweit gelingt das Kunststück schliesslich – da freuen sich die Schminkfrauen mindestens so sehr wie das Mädchen. Zum Schluss pinselt Mirjam Bernegger der kleinen Meerjungfrau eine ­Muschel auf die Stirn. Am anderen Schminktisch sitzt derweil ein finsterer Geselle. Geduldig lässt sich der Bub mit weisser Farbe betupfen. Die Mundwinkel blutrot, die Augenhöhlen schattig. Er wusste längst, dass er nicht in die Haut einer Meerjungfrau oder eines Seeungeheuers schlüpfen möchte und entschied sich für sein Vampirgewand. Fehlt nur noch ein Detail, findet die Schminkfee: «Möchtest du eine Narbe?» Der Bub reisst die Augen auf. Hat er sich bis jetzt um eine ernste Miene bemüht, strahlt er nun von Ohr zu Ohr.

Märchenstunde und Fischlaichkuchen

Zwei schwarze Katzen und eine Meerjungfrau später lädt Mirjam Bernegger die Kinder und ihre ­Eltern zur Märchenstunde vor Fritz Boscovits Gemälde «Meerjungfrau und Seeungeheuer» ein. Für die meisten Zolliker ein vertrauter Anblick. Aber welche Geschichte könnte sich dahinter verbergen? Mirjam Bernegger erzählt zwischen Spiel und Geräuschimitation von dem ­Fischer Jonathan, der bei einem Sturm über Bord geht und sich in ein Seeungeheuer verwandelt. Seine Geliebte wartet verzweifelt auf seine Rückkehr. Wochen. Monate. Als sie eines Tages am Ufer steht und ins Wasser blickt, taucht das Seeungeheuer auf. «Erkennst du mich denn nicht?», spricht es. Ja, da erkennt sie Jonathans Schalk in seinen Augen. Doch wie sollen sie zusammen sein? «Das Mädchen soll auch ins Wasser gehen», schlägt ein Kind vor. «Vielleicht wird sie zur Meerjungfrau», meint ein anderes und trifft damit den Nagel auf den Kopf. So oder ähnlich könnte sich die Geschichte hinter Fritz Boscovits’ Kunstwerk zugetragen haben.

Zum Schluss verköstigt das Ortsmuseum seine kleinen und grossen Besucher mit «Krabbensuppe» und «Fischlaichkuchen». Die Begeisterung hält sich in Grenzen – bis die Kinder sehen, dass es sich um Kürbissuppe und Mohnkuchen handelt. Und was rundet den Nachmittag im Märchenland besser ab als der Glitzer, der noch Tage später in Haaren, an Kleidern und Schuhen aufblitzen dürfte?

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