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Mode als Protest und Hoffnung

Von Franca Siegfried ‒ 23. Februar 2023

An der Benefizveranstaltung «Ukrainian Fashion Day» vom 28. Februar werden Frauen und Kinder über den Laufsteg schreiten. Gezeigt wird Mode aus ihrer Heimat. Dabei ist auch Olena Tutova, die mit ihren beiden Töchtern seit Kriegs­beginn in Zollikon lebt.

Olena Tutova lebt in Zollikon und wird am ukrainischen Modetag im Zunfthaus zur Meisen auf dem Laufsteg erwartet. (Bild: fs)
Olena Tutova lebt in Zollikon und wird am ukrainischen Modetag im Zunfthaus zur Meisen auf dem Laufsteg erwartet. (Bild: fs)

Olena Tutova streicht sich ihr Haar aus dem Gesicht. Zupft das halblange Kleid zurecht. Beginnt sich langsam zu drehen. Mit jeder Bewegung fliegen die ­Lederfransen ihres schwarzen ­Ledergurts durch die Luft. Als Kulisse dient Olena Tutova das Tor zum Zürcher Stadtpalais «Meisen». In diesem Zunfthaus wird sie am «Ukrainian Fashion Day» vor 200 Gästen über den Laufsteg schreiten. Es wird keine der üblichen Shows für gepflegte Damen sein. Alle ­Models stammen aus der Ukraine, alle haben ihre Geschichten, wie sie aus dem Krieg flüchten mussten. Die Kleider, die sie vorführen, sind mitten im Krieg entworfen, zugeschnitten und genäht worden. Die Couturiers haben ihre Ateliers in Keller verlegt, arbeiten oft bei Kerzenlicht und ihre Nähmaschinen verstummen bei Stromausfall. Die Sirenen des Fliegeralarms lassen sie jedoch nicht mehr von neuen Kreationen abhalten. Nein! Kleider entwerfen ist ein Protest, ein Statement, ein Glaube an die Zukunft. Ukrainerinnen werden wie Phönix aus der Asche mit ihren Kreationen wieder über die Boulevards von Kiew flanieren, sobald dieser Alptraum von Krieg vorbei ist.

Gelebte Solidarität

Olena Tutova lebt in Zollikon. «Ich dachte zuerst, es sei für zwei Wochen, dann wurden es zwei Monate und jetzt ist es schon ein Jahr», sagt die 35-Jährige. Sie erzählt, wie sie mit den beiden Töchtern und der Mutter geflüchtet ist. Lelia war ­damals sechs Monate und Solomia sechs Jahre alt. «Wir wurden von einer Zolliker Gastfamilie aufgenommen. Es sind herzensgute Menschen, die für uns unglaublich viel Verständnis zeigten, auch als die Kleine nächtelang weinte.» Olena Tutova ist tief beeindruckt von der Solidarität in Zollikon. Solomia besucht mittlerweile im Schulhaus Oescher die erste Klasse. Den Lehrerinnen und Lehrern sei die Integration ihrer Tochter sehr gut gelungen. «Solomia spricht schon etwas Schweizerdeutsch und die Kleine hat eine lustige Mischung zwischen Ukrainisch und Mundart», sagt sie. «Mir ist es wichtig, dass die Kinder eine sichere Umgebung haben und es in ihrer Kindheit eine gewisse Normalität gibt, auch wenn es im Ausland ist und wir in der Heimat Krieg haben.» Olena Tutova träumte nie von ­einem Leben im Ausland. Sie hätten in ihren Ferien Europa bereist, aber ihr Platz sei in der Ukraine. Ihr Mann ist Agronom, der Getreide anbaut und eine Plantage betreibt, etwa mit Pfirsich- und Kirschbäumen. Jetzt sind die Ländereien besetzt, im Familiensitz ­leben Russen.

Wissen für eine sichere Zukunft

«Nach den ersten zwei Monaten in Zollikon bekam ich eine Stelle an der ETH », sagt Olena Tutova. Seither arbeitet sie Vollzeit und kann für den Unterhalt ihrer Familie sorgen, ihre Mutter ist für die Kinder da und besorgt den Haushalt. Seit einem halben Jahr haben sie eine Wohnung in Zollikon gemietet. ­Olena Tutova studierte in der Ukraine Thermophysik und doktorierte an der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften. Ihr Fachgebiet war Nachhaltige Energiegewinnung. «Unser Forschungslabor ist jedoch im Krieg total zerstört worden», sagt sie. «Ich müsste wieder bei null anfangen.» Kein Hass prägt ihre Erzählungen, spürbar ist jedoch ein eiserner Wille in der zarten Frau. Trotzig meint sie, dass sie mit ihrem Wissen mithelfen werde, ihre Heimat wiederaufzubauen. Ihr Studium sei dafür ideal. Zumal sie auch an der ETH Zürich in der Gruppe für Klimaschutz und -anpassung für problembezogene Umweltforschung mitarbeitet. Sie ist darauf fokussiert, dass es der Ukraine wieder gut gehen wird und sie den Töchtern eine gesicherte Zukunft bieten kann. «Ich bin ein optimistischer Mensch», sagt sie. «Ich mache mir jedoch keine Illusionen, dass das sehr lange dauern könnte – mein Lebenswerk vielleicht.» Zuviel ist zerstört, das Land kontaminiert.

Erster ukrainischer Modetag

Die schwarzen Stiefeletten hat ­Olena Tutova erst kurz vor dem ­Fotoshooting für den Zolliker Zumiker Boten mitten auf dem Münsterhof angezogen. Sie gehören Viktoria Viktorova. Beide tragen die gleiche Schuhgrösse, sind gleich gross, beides Brünetten. Viktoria Viktorova organisiert die Fashion Show mit und ist für die Medienarbeit zuständig. Sie kennt das Metier von der Pike auf. Vor dem Krieg war sie Journalistin und Chefredaktorin eines Lifestyle-Magazins in Saporischschja, einer Stadt in der südöstlichen Ukraine. Hier ist auch Olena Tutova zuhause. Beide haben über die gleiche Modelagentur ­Erfahrung auf dem Laufsteg gesammelt. Richtig befreundet wurden sie jedoch erst in der Schweiz. Viktoria Viktorova lebt in Bülach. In ihrer Pressemitteilung betont sie, dass sich mit der Fashion Show Möglichkeiten ergeben, Gemeinsamkeiten zwischen der Ukraine und der Schweiz zu entdecken. ­Unter der Schirmherrschaft der «World Ukraine Cooperation Society» und mit Unterstützung der «Ukrainischen Gesellschaft der Schweiz» ist die Idee für diese ­Benefizveranstaltung mit einer Auktion (Türöffnung 16 Uhr) entstanden. Der gesamte Erlös geht an die Organisation «United24», gegründet von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Für diesen humanitären Zweck werden 45 Frauen und Kinder im Zunfthaus zur Meisen ihre Modelle vorführen. Als letzter ­Höhepunkt wird eine Kinderkollektion gezeigt – ukrainische Kinder als grösstes Glück, als Zukunft für ein geschundenes Land.


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