Von Franca Siegfried ‒ 2. März 2023
Zum ersten Mal kämpfen Para-Athletinnen und -athleten, Juniorinnen und Junioren mit der Elite zusammen an den Weltmeisterschaften vom 21. bis zum 29. September 2024. Mit dem Anspruch «Die Rennen sollen zu den Leuten kommen» führen die Strecken durch die Innenstadt, dem Zürichsee entlang, bis nach Winterthur, Uster und Gossau. Mit der organisatorischen Umsetzung des Konzeptes werden jedoch einschneidende Auswirkungen sichtbar. Die Kantonspolizei erwartet eine Mammutaufgabe, etwa mit den Hauptachsen in die Stadt: die Seestrasse entlang des Zürichsees mit durchschnittlichem Tagesverkehr von rund 17 000 Fahrzeugen oder die kantonale Forchautostrasse A52 mit 20 000 und die Oberlandautobahn A15 mit 54 000 Fahrzeugen. «Diese Achsen sind in den Verkehrsspitzenstunden bereits stark belastet» sagt Patrick Céréda, Medienchef der Kantonspolizei Zürich. In diesem sensiblen System führen schon kleinste Behinderungen zu Stau. Während sich die Wettkämpfe zu Beginn auf die Seestrasse konzentrieren, sind in der zweiten Wochenhälfte unter anderem Zumikon und Zollikerberg Austragungsort. Start und Ziel sind am Bellevueplatz. Es werden strikte Fahr- und Parkierungsverbote für die Rennstrecken gelten. «Nach der Publikation des Verkehrskonzeptes und den Verkehrsanordnungen werden in einem nächsten Schritt mit den Gemeinden, Blaulichtorganisationen, Spitälern, Feuerwehren sowie Zivilschutz und weiteren wichtigen Partnerorganisationen ergänzende Detailmassnahmen ausgearbeitet.» sagt Patrick Céréda. Insgesamt 53 Rad- und Para-Cycling-Rennen an neun Tagen: Der «Verein UCI-Weltmeisterschaften Rad- und Para-Cycling-Strasse Zürich 2024» als Vertragspartner des internationalen Radsportverbandes UCI und ein Lokales Organisationskomitee (LOK) sind für die Umsetzung zuständig. Das kantonale Sportamt informierte zusammen mit dem Projektstab der Stadt Zürich erstmals 2019 über die Kandidatur. Auch der Verband der Gemeindepräsidien des Kantons (GPV) kannte den Plan. Der Zuschlag des internationalen Radsportverbandes UCI erfolgte im März 2019. Ein Jahr später wurden die 32 betroffenen Gemeinden für eine Durchfahrtsbewilligung angefragt. Zumikon erteilte diese am 13. Juni, Zollikon am 13. Juli 2022.
Die Kantonsrätin (FDP) Corinne Hoss-Blatter von Zollikon machte schon im Dezember 2021 ihre erste Anfrage an den Regierungsrat – mit Fokus auf das Verkehrskonzept. «Insgesamt kommt der Kommunikation mit allen Betroffenen eine zentrale Bedeutung zu, damit sämtliche Verkehrsteilnehmenden ihr Mobilitätsverhalten während des Anlasses der besonderen Situation anpassen können», schreibt der Regierungsrat. Eine zweite Anfrage hat Corinne Hoss-Blatter am 23. Januar 2023 eingereicht: Gehen Kanton und Stadt Zürich wirklich koordiniert vor? Ja, bestätigt der Regierungsrat. Die Kantonspolizei werde die Verkehrsanordnungen in den Gemeinden verfügen, gegen diese könne jedoch Rekurs erhoben werden. «Die Stadt arbeitet noch mit einem veralteten ersten Verkehrskonzept», sagt Corinne Hoss-Blatter. «Die Fähre wird offenbar definitiv nicht geschlossen – ein Punkt in unserer zweiten Anfrage, der sehr wichtig ist für unseren Bezirk.» Die Zollikerin betont zudem, dass die Stadt unbedingt Start und Ziel im Zentrum wollte (entgegen kantonalen Empfehlungen). «Die Attraktivität der Streckenführung, insbesondere der Fokus auf die Innenstadt, war ein wichtiges Kriterium für den Zuschlag für Zürich», sagt Andreas Herren, Kommunikationschef des Lokalen Organisationskomitees (LOK).
Jetzt hagelt es Einsprachen gegen die Verkehrsführung – es sind Gewerbe, Spitäler und Private. «Die Frist in der Stadt ist abgelaufen, im Kanton läuft sie noch bis am 27. März», sagt Andreas Herren. «Das LOK sowie alle beteiligten Behörden waren sich von Beginn weg bewusst, dass die Durchführung der Rad- und Para-Cycling-Strassen-Weltmeisterschaften in Zürich und Umgebung eine grosse Herausforderung darstellen würde.» Nach Ablauf der Einsprachefristen werden Stadt, Kanton und LOK die Einsprachen analysieren und über das weitere Vorgehen beraten. «Ich persönlich verstehe die Einsprachen vor allem von Gewerbetreibenden, den Spitälern, aber auch von Privatpersonen, welche wohl für Stunden total eingekesselt sein werden», sagt die Kantonsrätin (FDP) Corinne Hoss-Blatter. «Mein Mann und ich haben für unser eigenes Geschäft die Situation besprochen und werden uns wohl gezwungen sehen, Betriebsferien zu machen in der Zeit.» In den Gemeinden, diese Woche beispielsweise mit dem Zumiker Gewerbeverband, finden rege Diskussionen statt, zumal die Einsprachefrist im Kanton bis am 27. März dauert. Corinne Hoss-Blatter hat im Januar 2023 den Regierungsrat über die schwierige Situation des Gewerbes während der Rad-WM aufmerksam gemacht: «Weil Fahrten zwischen 5 Uhr und 21 Uhr nicht möglich sind. Mobile Handwerker, etwa Elektriker, müssen den Betrieb unter Umständen ganz einstellen. Können diese Betriebe insbesondere Kurzarbeitsentschädigungen beantragen?» Die Antwort des Regierungsrates: «Ob in den angesprochenen Fällen Kurzarbeitsentschädigung ausgerichtet werden kann, lässt sich erst nach genauer Prüfung des konkreten Einzelfalls beurteilen.»
Rad- und Para-Cycling-WM Zürich 2024
Rad- und Para-Cycling-WM Zürich 2024 auf der Webseite des Kantons Zürich
Im Konzept «Das Rennen soll zu den Leuten kommen» wurde wohl vergessen, dass diese Leute zwischen dem 21. bis 29. September an fünf Tagen einen normalen Alltag haben. Viele müssen zur Arbeit, die Kinder zur Schule. Nur an den Wochenenden werden sie am Strassenrand stehen und Athletinnen und Athleten anfeuern können. Nebenbei: Der Anlass verschlingt auch Steuergelder, welche diese «Leute» bezahlen.
Franca Siegfried
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