Von Ramona Bussien ‒ 9. März 2023
Hundegebell auf der Allmend. Ein Velofahrer rauscht vorbei. Stimmen werden laut. Ein Hund springt los. «Bitte leinen Sie das Tier an!», entfährt es dem erschreckten Radler. «Der tut nichts!», lautet die Antwort. Es wird geschimpft, gar gepöbelt. Die Zolliker Allmend lockt Spaziergängerinnen, Velofahrer, Joggerinnen und Hundebesitzer weit über die Gemeindegrenzen hinweg an. Ein Ort, an dem der Hund Hund sein darf – und der Mensch Mensch bleibt.
Farah de Tomi erinnert sich, wie sie über 30 Jahre lang mit ihren eigenen Vierbeinern regelmässig auf der Allmend war. Aufgewachsen in Männedorf, ist sie mit 30 nach Zollikon gekommen, war mal weg und wieder da. Inzwischen lebt sie in Erlenbach, findet aber gern zurück nach Zollikon. Auch heute, wenn sie Bekannte oder Familie besucht; ihre Schwester Jeannine Meili leitete jahrelang das Restaurant Rössli. Die Allmend gehört zum Programm. Sie kennt die Konflikte, die bei Hundebesitzern aufbrechen. Etwa das Thema Leine, den Verdruss über die Leinenpflicht, dieses Jahr neu im Kanton Zürich eingeführt für Hunde in Wald und Waldesnähe während der Brut- und Setzzeit. «Was kostet es sie?», wundert sich Farah de Tomi. Ein Hund habe nach wie vor einen Jagdinstinkt. Ein Rascheln im Gebüsch, ein verlockender Duft aus dem Unterholz – und der sonst so hörige Vierbeiner stürzt davon. Das Tier im Unterholz erlebe den Schock seines Lebens. Verbrenne Energie, die es in der Wildnis zum Überleben bräuchte. «Es ist eine Frage des Respekts», meint die Tierschützerin. Des Respekts gegenüber allen Tieren, nicht nur gegenüber unseren Lieblingen. Schliesslich sind wir, unsere Vierbeiner eingeschlossen, im Wald lediglich zu Gast. Einschränkungen gehören dazu. Luxusprobleme im Vergleich zu dem, was sie bei ihren monatlichen Besuchen auf Mallorca erlebt.
Auf Mallorca prägen völlig andere Bedürfnisse das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier. «Es liegt allein an der Mentalität», erklärt Farah de Tomi. Das Tier in Spanien sei ein reines Nutztier. «Man hat es nicht lieb. Man kuschelt nicht damit.» Erfülle es seinen Nutzen nicht mehr, wird man es los. Unzählige Hunde leben auf Mallorca an der Kette. Sie sind angeschafft worden, um die Fincas zu beschützen. Wenn es bei uns auch viele Diskussionen um das Ob und Wie in der Hundehaltung gibt, so nimmt der Hund doch meist die Rolle eines Familienmitglieds ein. Dass man sich Haustieren wie Sachen entledigt, ist in Ländern wie Spanien gang und gäbe.
Farah de Tomi setzt sich seit vielen Jahren für den Tierschutz auf Mallorca ein. Sie hat Geld und Sachspenden gesammelt, diese an Tierheime verteilt, auf der gesamten Insel mit Händen angepackt, wo sie konnte. Die Ernüchterung folgte immer wieder: Spätere Besuche zeigten, dass sich die Zustände in den Auffangstationen und Tierheimen nicht geändert hatten, dass die gespendeten Sachen kaputt waren oder in schlechtem Zustand. «Was geschenkt ist, hat keinen Wert – dem wird nicht Sorge getragen», sagt sie resigniert. In Spanien gab und gibt es zwar viele Tierschützer, aber die Transparenz fehlt – wohin die Spendengelder gelangen, bleibt unklar. Veruntreuung ist an der Tagesordnung. Schliesslich riet ihr Ex-Mann: «Mach es selbst. Genauso, wie du es willst.» Und das tat sie.
Im Juni 2018 gründete Farah de Tomi den schweizerischen Verein Animal Police Association. Eine gemeinnützige Organisation, die Tiere von den Strassen Mallorcas holt, gesund pflegt und an ein schönes Zuhause vermittelt. Nicht nur Hunde. Auch Katzen, Schafe, Pferde, Enten, Schildkröten, Esel. Dann sind noch die angeketteten Hunde, die unter unwürdigen Bedingungen vor sich hinvegetieren. Für sie begibt sie sich auch in die gesetzliche Grauzone, befreit bei Nacht und Nebel Hunde von den Ketten oder misshandelte Pferde von ihren Stehplätzen. Nicht ungefährlich. Mittlerweile kennt ganz Mallorca Farah de Tomi und die Animal Police Association – von den Vereinen bis zur Polizei. Grosse Unterstützung erfährt sie durch den Tourismus. Viele Fincas befinden sich abseits der üblichen Wege. Touristen, die an solchen Liegenschaften vorbeikommen und angekettete Hunde sehen, melden dies Farah de Tomi. Ohne die Aufmerksamkeit und Sorge der Touristen würden sie und ihre Organisation von vielem Tierleid nie erfahren.
Die geretteten Hunde, Katzen, Pferde und Schafe brauchen auch ein vorübergehendes Zuhause, in dem sie gesunden und sich von ihren Strapazen erholen können. Insbesondere die Hunde benötigen Zeit zur Sozialisation, bevor sie – spätestens nach sechs Monaten – frei zur Adoption sind. Um diesen Tieren zwischenzeitlich ein artgerechtes Zuhause zu bieten, übernahm Farah de Tomi die Finca Noah. Hier werden ihre Schützlinge betreut und tierärztlich versorgt. Viele Tiere erfahren hier das erste Mal menschliche Fürsorge und Liebe. Meist traumatisiert, müssen sie erst lernen, Vertrauen in den Menschen zu fassen. Umso schöner sind die Momente, wenn ein Tier ein neues Zuhause findet.
So mitleiderregend die Geschichten von Hunden und Katzen aus Gegenden wie Mallorca sind: Wer ein solches Tier adoptieren möchte, sollte sich gründlich über den vermittelnden Tierschutzverein informieren. Schwarze Schafe gibt es überall, auch hier. Einige Vereine interessieren sich mehr für den Umsatz als für das Tierwohl. Ein seriöser Verein ist laut Farah de Tomi im Handelsregister aufgeführt. Er würde zwar eine Schutzgebühr erheben, die aber einzig zur Deckung der Tierarztkosten diene.
animalpoliceassociation.com
Bislang mussten Hunde gemäss geltendem Hundegesetz in Wald und Waldesnähe «auf Sichtweite auf kurzer Distanz» (§9 lit. b, Ziff. 2) gehalten werden, so, «dass sie die Umwelt nicht gefährden» (§9 lit. b). Neu gilt im Kanton Zürich vom 1. April bis 31. Juli im Wald und bis 50 Meter davor Leinenpflicht, um Wildtiere wie Rehe oder Bodenbrüter während der Brut- und Setzzeit zu schützen. Die Zolliker Polizei setzt erst einmal auf das Gespräch und möchte ab Stichtag die Hundehalter über das neue Gesetz aufklären. Ordnungsbussen und gegebenenfalls eine Rapporterstattung ans Statthalteramt mit Meldung ans kantonale Veterinäramt folgen erst bei wiederholter Zuwiderhandlung.
Übrigens: Nebst der Polizei können ab 1. April 2023 auch die Jagdaufseher Hundebesitzern Bussen erteilen.
ANMELDEN
Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.