Ein Garten voller Musik

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 9. März 2023

Ágnes Suszter geht schon mit den Kleinsten auf spannende Klangtouren. Haben die Gene der Grossmutter den Weg vorgegeben?

Für jede Stunde hat Ágnes Suszter einen guten Plan. Improvisation ist aber auch gefragt. (Bilder: zvg)
Für jede Stunde hat Ágnes Suszter einen guten Plan. Improvisation ist aber auch gefragt. (Bilder: zvg)

Zehn Kinder von fünf bis sechs Jahren sitzen im Kreis und singen, trommeln, tirilieren. Sie lernen ein Lied, dazu wippen sie mit dem Oberkörper, klatschen in die Hände, tanzen und machen Musik nicht nur mit Stimmbändern und Schlaghölzern, sondern mit dem ganzen Körper. Die Musikpädagogin Ágnes Suszter gibt Anregungen, koordiniert und inspiriert. Die zierliche Frau leitet neu den Musikgarten in Zumikon. Schon Kinder ab einem Jahr kommen – mit Mama, Papa oder Oma – zu ihr, um spielerisch Töne und Klänge zu erleben. Früher hiess das Angebot «ELKI-Singen» und «musikalische Früherziehung» – doch in Zumikon wollte man weg von der Erziehung.

Schleichen wie eine Katze

Auf der Wiese hinter dem Musikraum am Farlifang scheint etwas zu passieren. Ist es ein Vogel? Spielen andere Kinder Fussball? «Okay. Hört gut hin: Was genau soll das sein? Wir gehen alle zum Fenster, schnappen frische Luft und gucken kurz raus», schlägt Ágnes Suszter vor. Sie weiss genau, dass sie sonst die Aufmerksamkeit so schnell nicht wieder bekommt. «Ich mache vor jeder Stunde einen guten Plan, trotzdem kommt es vor, dass ich mich nicht daran halte», erklärt die gebürtige Ungarin. «Je besser ich vorbereitet bin, um so leichter kann ich auf die Einfälle und Stimmung der Kinder eingehen.» So ist jede Stunde anders, da muss improvisiert werden.

Alle sitzen schliesslich wieder im Kreis. Es wird weiter getrommelt, gesungen. «Eine gewisse Disziplin ist schon nötig», unterstreicht die Pädagogin. Ganz sanft fängt sie die Mädchen und Jungen immer wieder ein, wenn die Gedanken abdriften. Und zwischendurch gibt es Bewegungsphasen. Dann wird gelaufen wie ein Reh, gehopst wie ein Hase oder geschlichen wie eine Katze. Sie hat Spass daran, viel­fältige Ideen mit den kleinen Mädchen und Jungen in Zumikon gemeinsam zu entfalten. Sie denkt sich Geschichten aus, um die Instrumente aufleben zu lassen. Da geht es auf Fantasiereisen in den Wald, in die Ferien, sogar ans Meer. «Je jünger die Kinder sind, umso kleiner ist die Aufmerksamkeitsspanne. Da kann es zum Ende der 45 Minuten schon mal unruhig werden.»

Ágnes Suszter ist promovierte Querflötistin und gibt Konzerte vor grossem Publikum. Doch die interaktive Arbeit mit den Kindern sei definitiv anstrengender als fokussiert ein Konzert zu spielen. Bei einem Konzert mit einem professionellen Orchester weiss man im Voraus, wie es ablaufen wird. Bei kleinen Kindern, auch wenn sie lieb sind und bestimmt geführt werden, kann Vieles passieren. «Es macht Spass, aber es kostet Kraft und braucht viel Geduld. Deshalb ist es auch einzigartig: Man versucht jedes Mal bei etwas anderen Umständen die Balance, die gemeinsame Freude an der Musik und dem Spielen zu finden.»

Erst Chor, dann Querflöte

Dass Musik ihr Leben bestimmen wird, stand beinahe schon vor der Geburt fest. Ihre Grossmutter war im Dorf in Nordungarn die Person, die sich für die traditionellen Lieder engagierte. «Die alten Melodien meiner Vorfahren, ihre musikalischen Reime und ihre Rhythmen pulsieren als Erbe in mir. So fing mein Abenteuer mit der Musik an.»

Sie selbst besuchte im Alter von fünf Jahren den Musikgarten. Das habe den Grundstein gelegt. Sie sang Tag und Nacht – unterwegs, zu Hause, auf den Bäumen ihres Gartens. Mit acht Jahren begann sie im Chor zu singen. «Die mitreissenden und kathartischen Momente an den Auftritten, die konzentrierte und zugleich lockere Stimmung der gemeinsamen Proben gibt mir immer ein wohltuendes Gefühl.» Dann kam die Querföte dazu. Sie besuchte die Akademie für Musik in Budapest, wurde Diplom-Kirchenmusikerin, war Dozentin für Querflöte in Villingen-Schwenningen, leitete unterschiedliche Chöre und war gut und breit aufgestellt in Deutschland. Der Liebe wegen siedelte sie in die Schweiz um. Ihre jetziges Studium «Elementare Musikpädagogik» an der Zürcher Hochschule der Künste unterstützt den Unterricht im Musikgarten wie in der Grundschule enorm.

«Tschüss zäme»

Dass es ein Kind gibt, das mit ­Musik gar nichts anfangen kann, glaubt Ágnes Suszter nicht. Jedes Kind verfüge über musische oder musikalische Fähigkeiten, die manchmal herausgekitzelt werden müssen. In entspannter und fröhlicher Atmosphäre will die Lehrerin diese Kreativität fördern. So wie in einem Garten die unterschiedlichsten Blumen wachsen, gibt es auch die unterschiedlichsten Kinder. Die Schüchternen, die ermuntert werden möchten, die Vorlauten, die freundlich beruhigt werden. Und ganz nebenbei lernt auch die Lehrerin etwas. «Mittlerweile kann ich schon ein paar Brocken Züridütsch», freut sie sich. «Tschüss zäme, bis zum nächscht’ Mal!»

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