Suche

Die Kraft des Holzes

Von Franca Siegfried ‒ 16. März 2023

Er renoviert mit seinem Team Fenster, verarbeitet Massivholz und hat dank dieser Arbeit einen etwas anderen Zugang zu Menschen. Schreiner Markus Eigenmann hat mit Holz seinen Lebenssinn gefunden.

Schreiner Markus Eigenmann restauriert, repariert und bearbeitet ­Massivholz. Jedes Stück Holz ist einzigartig und ein Wunderwerk der Natur. (Bild: fs)
Schreiner Markus Eigenmann restauriert, repariert und bearbeitet ­Massivholz. Jedes Stück Holz ist einzigartig und ein Wunderwerk der Natur. (Bild: fs)

«Als Schreiner erlebt man Menschen in ihren privaten Lebensräumen. Häuser, Wohnungen und Einrichtungen sagen viel über sie aus», betont Markus Eigenmann. Er ist nicht etwa Soziologe, sondern Unternehmer und beschäftigt 24 Männer und drei Frauen – eine Schreinerin plus zwei in der Administration. «Wenige Berufe kommen den Menschen so nah», sagt der 64-Jährige. In seinem Betrieb im Schwäntenmos wird spätestens in der Fensterabteilung klar, dass er ein Schreiner der besonderen Art ist. Alte Fenster, fein säuberlich abgeschliffen, beschriftet und gestapelt warten darauf, dass sie, ausgestattet mit Isolierverglasung nach neustem Stand der Technik, alte Häuser mit einer besten Wärmedämmung versehen. «Wir restaurieren und reparieren.» Dabei bemerkt er lächelnd, es sei fast wie in der Chirurgie, so wenig wie möglich wegschneiden. Er hat sich auch einen Namen als Schreiner gemacht, der mit Massivholz arbeitet. Auf der Referenzliste stehen historische Villen, Zunfthäuser, Museen, Hotels der Luxusklasse und Hochschulen. Er sieht diese Aufträge auch als Beitrag an eine Energie­effizienz, die mit der Energiekrise zwingend wird. Norwegen beeindruckt ihn als das europäische Land, welches aus energietechnischer Sicht am weitesten ist.

Zwischen Wissenschaft und Esoterik

Wer im Büro von Markus Eigenmann sitzt, bekommt in einer schwarzen Tasse mit goldenem Henkel auserlesenen Tee vom Chef persönlich serviert. Ein runder, antiker Tisch aus Nussbaum mitten im Raum, darum herum Designer-Stühle aus den 1950er-Jahren von Charles und Ray Eames. Das riesige Büchergestell mit Literatur über Architektur, Kunst und Bildbände über Japan verrät seine Vorlieben. Japanische Lampen aus Reispapier zaubern ein sanftes Licht – nur die Lamellen vor den Fenstern erinnern daran, dass sich der Raum in einem Gewerbehaus befindet. Im Büro von Schreiner Eigenmann verbinden sich die Welt des technischen Handwerks mit der Welt der Ästhetik. Sein Verhältnis zum Baustoff Holz, dessen Bearbeitung und Nutzung führten zu einem tieferen Lebenssinn. Literatur über Holz aus der Perspektive der Esoterik liest er genauso wie Kunstbücher. Holz in der Esoterik versteht sich als lebendige Natur, das neben der materiellen Wirklichkeit auch seelische Eigenschaften besitzt. Dieses Verständnis gehörte etwa auch zur medizinischen Tradition von Paracelsus Mitte des 16. Jahrhunderts. Holzwunder – die Rückkehr der Bäume in unser Leben. In Österreich gibt es eine Bewegung, welche in wissenschaftlichen Studien aufzeigt, welche Wirkung Bäume und ihr Holz auf die Gesundheit der Menschen haben. An diesem Punkt treffen sich moderne Wissenschaftler und Esoteriker. «Sobald wir einen Raum aus Holz betreten, fühlen wir uns sicher und wohl. Und der Geruch des Holzes, die ätherischen Öle, beruhigen das Herz.»

Von Beruf und Familie

Markus Eigenmanns Vater war ­Grafiker und besass eine Werbeagentur. Dem Sohn gewährte er für die Berufswahl alle Freiheiten. So machte dieser erst eine Lehre als Bootsbauer in der Yacht- und Bootswerft Pedrazzini am Zürichsee. Danach arbeitete er in der Bootswerft Stämpfli in Zürich Wollishofen; ­deren filigrane Ruderboote aus ­Zedernholz lassen sich im Rennsport als «Stradivari der Gewässer» feiern. 1985 eröffnete er eine eigene Schreinerei in Feldmeilen. In den 1990er-Jahren zog Markus Eigenmann mit dem Betrieb nach Erlenbach. Nach 20 Jahren musste er weiter: die Vermieterin, eine Erbengemeinschaft wünschte eine Nutzenoptimierung und überbaute das Grundstück. 2018 übernahm er in Zumikon den Betrieb von Margret und Röbi Keller, die in Pension gingen. «Manchmal kommt Röbi uns noch besuchen, was uns sehr freut.» Die Nachfolge für einen Handwerksbetrieb regeln ist eine Herausforderung. Weder Markus Eigenmann noch seine zwei Brüder haben die Werbeagentur des Vaters übernommen. Alle drei wählten jedoch den gleichen Beruf. Schreiner.

Dem Zufall vertrauen

Markus Eigenmann gründete nicht nur einen Betrieb, sondern auch eine Familie mit fünf Kindern. Sohn Michael arbeitet seit einigen Jahren in der Abteilung der Fenstersanierung. In der Familie leben bereits die ersten Enkelkinder: Ella ist sechs, Nora vier Jahre und Alessio sieben Monate alt. Die drei animieren den Grossvater, vermehrt über die Zukunft nachzudenken. Was wird aus unserer Welt? Was werden die Enkelkinder noch alles erleben müssen? Es schlummern auch Ängste in ihm, etwa der gefährdete Frieden in Europa. Dankbar ist er, dass sein Lebenswerk mit Holz ihm Freude und Sinn schenkt. Über die Pensionierung macht er sich kaum Gedanken. Er vertraut dem Zufall, zumal ihm die Themen, die ihn interessieren, nie ausgehen werden – auch ohne Betrieb. Gesunde Ernährung findet er wichtig. Dafür sorgt seine Lebenspartnerin Margaretha Gindraux – sie koche fantastisch. Ob er auch später Menschen das Wahrhaftige des Holzes näherbringen möchte? «On verra.»

Werbung

Verwandte Artikel

Newsletter

Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter und lesen sie die neusten Artikel einen Tag vor der Print-Veröffentlichung.

ANMELDEN

Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.