Boogie-Woogie, Bordeaux und Miliz

Von Franca Siegfried ‒ 30. März 2023

Der Zolliker Gregor Rutz kandidiert für den Ständerat. Mit 17 war der SVP-Nationalrat noch ein Jungfreisinniger der Ortspartei. Im Studium verdiente er Geld als Barpianist, später gründete der Jurist mit Unternehmergeist eine Agentur. Ein Einblick in sein Leben.

Nationalrat Gregor Rutz vor seiner Agentur in Zollikon in der ehemaligen Schreiner Werkstatt seines Vaters. (Bild: fs)
Nationalrat Gregor Rutz vor seiner Agentur in Zollikon in der ehemaligen Schreiner Werkstatt seines Vaters. (Bild: fs)

«Ab und zu muss man aus der Komfortzone treten», sagt Gregor Rutz. Er berichtet über seinen Werdegang, über sein Leben. Sein Curriculum Vitae liest sich wie das Lebenswerk eines Mannes Ende Siebzig. Falsch! Der Zolliker feierte letztes Jahr seinen fünfzigsten Geburtstag. Seine sportliche, auch etwas spielerische Art, auf Veränderungen und Chancen einzugehen, bringen ihm Glück. Im ehemaligen Familienbetrieb in Zollikon sitzt er heute als Unternehmer einer Agentur für Kommunikation- und Strategieberatung. Über der Eingangstür hängt noch das Schild «Schreiner», an der Mauer ein Querschnitt aus Holz. Grossvater und Vater betrieben die Schreinerei an der Hinterdorfstrasse gegenüber vom Jugendtreff. ­Warum übernahm er nicht den ­Betrieb? Er sei handwerklich nicht geschickt, darum sei er im Gymnasium gelandet. Später stand er nicht an der Hobelbank des Vaters, sondern sass im Hörsaal der Universität Zürich. Während des Studiums der Jurisprudenz plante er eine Zusatzausbildung im Militär. Dazu kam es nicht, die Universität Fribourg bot ihm eine Stelle als Mitarbeiter in der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an.

Auf dem Sprungbrett

Und wann hat seine politische Karriere begonnen? «Mit 17 Jahren war ich in Zollikon ein Jungfreisinniger, zusammen mit Beat Walti», erzählt Gregor Rutz. «Als ich in Fribourg arbeitete, wollte ich mit der Politik aufhören.» Er lebte in einer kleinen Wohnung und fand die Zeit an der zweisprachigen Universität lehrreich: «Ich begriff, wie wir Deutschschweizer, besonders die Zürcher, wahrgenommen werden, sah die unterschiedlichen Kulturen in der Schweiz.» Er konnte sich durchaus eine akademische Karriere vorstellen. Mit der Anfrage von SVP-Nationalrat Werner Vetterli für den Zürcher Verfassungsrat kam alles anders. Dieses Gremium gilt als Sprungbrett für eine Politkarriere. Ein Jahr später war er Generalsekretär der SVP in Bern. «Ich pendelte jeden Tag in die Hauptstadt. Es war ein Chrampf, eine intensive Zeit.» 2004 heiratete er seine Partnerin Beatrix; sie waren seit elf Jahren ein Paar. Aus einer Kinderfreundschaft, bereits ihre Väter kannten sich, wurde die Liebe fürs Leben. «Ohne die tiefe, langjährige Freundschaft würde meine Frau mich wohl kaum aushalten», meint er. «Ich bin sehr viel unterwegs.» Sie führt als Sozialversicherungs-Expertin ein von ihrem vielbeschäftigten Mann unabhängiges Arbeitsleben.

Barmusik mit Gregor

Selbständigkeit ist für Gregor Rutz essenziell. Nach sieben Jahren in Bern wollte er sein eigener Chef sein und gründete die Agentur. «Ich erbte das Unternehmer-Gen meiner Vorfahren; schon mein Urgross­vater hatte eine Zimmerei im Toggenburg.» Das Geldverdienen übte er früh, zuerst in den Schulferien im väterlichen Betrieb. Als Student war er Barpianist im «Lions Pub», nahe bei der Zürcher Bahnhofstrasse. Nach dem Abendverkauf am Donnerstagabend traf man sich im Pub bei Gregor: «Ich habe alles gespielt, Elton John, Beatles, Boogie-Woogie.» Er erzählt lachend, dass sein ehemaliger Musiklehrer auch im Pub gespielt hat. Da er mit dem fix gebuchten Donnerstagabend für einen Spitzenumsatz sorgte, konnte er eine bessere Gage aushandeln. Heute muss er aus Zeitmangel sein Klavierspiel vernachlässigen. Ein Mandat, das nichts mit Musik zu tun hat, ihm aber viel bedeutet, ist das Präsidium des Zürcher Hauseigentümerverbandes: «Wir sind ein KMU mit 85 Mitarbeitenden und generieren mit Dienstleistungen rund um Immobilien 18 Millionen Umsatz.» Bei Mandaten und Projekten ist Gregor Rutz wählerisch, weiss jedoch, dass man Chancen nutzen soll. Etwa als er an der Grenze stand und französischen Wein verzollen musste. Als Bordeaux-Liebhaber sollte er den Beamten erklären, wieviel er trinke. Kurzerhand beschloss er, mit Freunden in Bordeaux eine GmbH für Weinhandel zu gründen, welche er unter dem Namen «Le Chardon Bleu» seit 2017 betreibt. Im weiss getünchten Sitzungszimmer stehen Magnum­flaschen, an den Wänden hängen stimmungsvolle Fotos der Weinbauregion: «Es gibt wunderbare Bordeaux-Weine in mittleren Preissegmenten, die nicht bekannt sind.»

Miliz als Chance

Zwei Jahre lang war er Präsident der Subkommission «Parlament in Krisensituation». Sie hätten viel gestritten, die Vorlage zur Stärkung des Parlaments zuletzt jedoch einstimmig verabschiedet. Künftig können sich National- und Ständerat schneller und besser einbringen, wenn der Bundesrat zum Notrecht greift. Dass die Vorlage – die noch nicht in Kraft ist – just am Tag beschlossen wurde, an welcher der Bundesrat den CS-Deal plante, spricht für sich. Gregor Rutz ist ein vehementer Verfechter des Milizsystems: «Das macht unser Land stark. Beim Engagement sollte es aber immer um die Sache, die Aufgabe gehen und nicht um die Person.» Am 28. März traf sich die Zürcher SVP zur Delegiertenversammlung in Birmensdorf. Gregor Rutz und Alfred Heer standen als Kandidaten für den Ständerat zur Diskussion. «Der Ständerat ist ein Milizamt, es geht um den Sitz für unsere Partei und den Kanton Zürich – dazu sage ich ja.» Der Findungskommission für Regierungs- und Bundesrat hatte er einen Korb gegeben. Am 22. Oktober wird er vielleicht seine Komfortzone als Nationalrat verlassen – die SVP-Delegierten haben ihn als valablen Kandidaten fürs Stöckli gewählt.

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