Suche

Mitwirken macht froh

Von Franca Siegfried ‒ 4. Mai 2023

Der Verein «Senioren für ­Senioren Zollikon/Zollikerberg» ist eine Erfolgsgeschichte. Nach der Mitglieder­versammlung ­schilderte der Philosoph Ludwig Hasler, wie wohltuend die Beziehungen zu Menschen sein kann – als Ende der Überflüssigkeit.

100 Personen sassen am 3. Mai im Zolliker Gemeindesaal für die Mitgliederversammlung des Vereins «Senioren für Senioren» Zollikon/Zollikerberg. (Bild: fs)
100 Personen sassen am 3. Mai im Zolliker Gemeindesaal für die Mitgliederversammlung des Vereins «Senioren für Senioren Zollikon/Zollikerberg». (Bild: fs)

543 Frauen und 251 Männer beleben den Verein. 85 engagieren sich mit Dienstleistungen zugunsten älterer Menschen: Fahrdienst, Nachbarschaftshilfe, Computerstammtisch usw. Am 3. Mai sitzen 100 Personen an der Mitgliederversammlung im Gemeindesaal Zollikon, die erste nach der Pandemie. Die Co-Präsidenten Heinz Brunner und Urs Häfliger führen durch den Vormittag. Die Ressorts sind auf acht Vorstandsmitglieder verteilt, alle verantworten, koordinieren und organisieren – nachzulesen im Jahresbericht. Gut besucht ist der monatliche Computerstammtisch. Erfahrungen mit der Digitalisierung werden ausgetauscht, etwa die Krux mit neuen Handys oder Tipps für das Tablet. Interessant sind die Ausführungen von Monika Speer, die für das ­Projekt «Generationen im Klassenzimmer» zuständig ist. Es sei eine «Win-Win-Situation», dazu brauche es keine pädagogische Vorbildung; mit etwas Geduld, genug Humor, Toleranz und einer gewissen Offenheit werden Schulbesuche für ­Seniorinnen und Senioren ein Erlebnis der besonderen Art.

Ein Kapitel der Vereinsgeschichte

Den statutarisch korrekten Ablauf haben die Co-Präsidenten im Griff. Protokoll der letzten Mitgliederversammlung, Jahresbericht, Finanzen – einstimmig angenommen. Zur Entlastung des Vorstands wird applaudiert. Die Mitgliederbeiträge für 2024 bleiben unverändert: 35 Franken für Einzelpersonen, 50 für Paare, Spenden sind willkommen. Auf der Traktandenliste stehen zwei Rücktritte. Co-Präsident Urs Häfliger hat sich sieben Jahre ­engagiert. Mit 56 – also noch nicht im Seniorenalter – übernahm er die Aufgabe. In seiner Laudatio erzählt Peter Ewert, wie sie den Finanz- und Unternehmensberater gefunden haben – ein Porträt im Zolliker Zumiker Bote war der Auslöser. ­Die Nachfolge ist bestimmt: Die Zollikerin Regula Fuchs-Fröhlich wird mit viel Applaus einstimmig gewählt. Zur Verabschiedung von Gründungsmitglied Beatrice Tschopp führt Heinz Brunner ein «Kaminfeuergespräch». Sie erzählt, wie Pro Senectute sie vor 28 Jahren mit der Idee der Nachbarschaftshilfe für das Projekt «Senioren für Senioren» begeistern konnte. Die erste Vereinssitzung als Ortsvertreterin Zollikon hielt sie an ihrem Esstisch. Welches war der markanteste Einschnitt? Die Digitalisierung als Chance zur Entwicklung des Vereins. Beatrice Tschopp ermutigt alle für Freiwilligenarbeit: Persönliche Kontakte, das Engagement für das Gemeinwesen bedeute nicht nur geben, es komme auch sehr viel zurück.

Lebenswelten mitgestalten

Auch er ist Mitglied bei «Senioren für Senioren»: Ludwig Hasler, promovierter Physiker und Philosoph, Autor des Bestsellers «Für ein Alter, das noch was vorhat» – ein Plädoyer für die Zukunft. Er bringt nach dem offiziellen Teil das Publikum zum Nachdenken und Lachen. Der Traum vom Glück im Nichtstun sei ein Traum von 57-Jährigen im Hamsterrad. Ludwig Hasler zitiert eine Werbung im Tram: «Spaziere, höckle, gnüsse». Die steigende ­Lebenserwartung eröffne eine Art zweite Pubertät. Ein Privileg, eine Premiere in der Menschheitsgeschichte. Dazu gehören Möglichkeiten wie sich frisch verlieben oder als E-Bike-Held. Trotzdem ­zeigen empirische Studien, dass Depressionen und Alkoholsucht ab 65 Jahren zunehmen. Die Suche nach ­einem erfüllten Alter beschäftigt mittlerweile die Stiftung Genera­tionen-Forum Zürich, angestossen durch Ludwig Haslers Buch. Wie Generationen sich vertragen sei eine Schlüsselfrage, oft würden sie aneinander vorbeireden. Im dynamischen Wandel der Zeit ändern sich Lebenswelten innerhalb einer Generation gleich mehrfach. «Junge Menschen erleben sich als Einzigartigkeit, seit dem Pillenknick sind ja alle Wunschkinder. Wogegen wir Alten nebenher geboren wurden, wenn zwei sich liebten oder nicht beherrschen konnten.» Ludwig Hasler pflegt einen Briefwechsel mit der 50 Jahre jüngeren Samantha Zaugg als Kolumne in der Zeitung «Schweiz am Wochenende». Darin diskutieren sie über Einstellungen und Erwartungen. Letztes Jahr ist eine Sammlung der ersten 62 Kolumnen als Buch erschienen, «Jung & Alt». Mit der Langlebigkeit ergebe sich eine Passivmitgliedschaft in der Gesellschaft, die sich in Sinnproblemen manifestiert. Den Fachkräftemangel bezeichnet Ludwig Hasler deshalb als «hausgemacht». Erfahrung sei jedoch in der schnellen Entwicklung ein Innovationskiller. Was tun? Der Verein «Senioren für Senioren» sei ein wohltuender Schritt – Überflüssigkeit sei das ­Altersproblem. Wichtig sei eine ­Bedeutung zu haben, nicht nur für sich, auch für andere. Dies zeige auch eine Harvard-Glücksstudie. Massgebend sei teilzunehmen am Leben, die Lebendigkeit in Beziehungen zu Menschen. «Mitwirken in einer Welt, auch wenn sie nicht mehr meine sein wird – das macht froh.»

Werbung

Verwandte Artikel

Newsletter

Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter und lesen sie die neusten Artikel einen Tag vor der Print-Veröffentlichung.

ANMELDEN

Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.