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«Niemand hat von mir gehört, aber alle haben mich gehört.»

Von Aline Sloksnath ‒ 4. Mai 2023

Die Musik ist Martin Tillmans Sprache. Mit ihm wohnt einer der wohl prägendsten Film­musiker unserer Zeit in Zollikon.

Mit seiner Musik begeistert Martin Tillman weltweit unzählige Filmfans. (Bild: Nora Nussbaumer)
Mit seiner Musik begeistert Martin Tillman weltweit unzählige Filmfans. (Bild: Nora Nussbaumer)

1964 zur Welt gekommen, ist Martin Tillman in der Stadt Zürich und auf dem Jolimont aufgewachsen, einem Molassehügel im Kanton Bern. Stadtleben im Winter, Landleben im Sommer. Seit 2018 wohnt er in Zollikon. Zwischen seiner Kindheit und seinem Umzug ans rechte Zürichseeufer liegen 30 Jahre Hollywood und unzählige Stunden in den Tonstudios der Traumfabrik. Denn Martin Tillman ist Musiker – Cellist und Komponist, hauptsächlich für Filmmusik.

In Berichten über ihn stösst man oft auf dieselbe Aussage: «Martin Tillman ist der erfolgreichste Filmmusiker, den die Schweiz je hervorgebracht hat.» Darauf angesprochen, zeigt sich der Cellist zwar geschmeichelt, aber eher unbeeindruckt. Doch er hat mit seiner Filmmusik bei unzähligen Hollywood-Blockbustern beigetragen, das Publikum in den Bann der Geschichte zu ziehen. In Filmen wie «Fluch der Karibik», «The Dark Knight Rises» und «The Da Vinci Code – Sakrileg» ist er auf seinem Cello zu hören – um nur einige der über 100 Produktionen zu nennen, bei denen er mitgewirkt hat. Per Du mit allen, die in der Branche Rang und Namen haben, arbeitet er eng mit dem deutschen Filmkomponisten Hans Zimmer zusammen und stand schon mit Elton John und Sting auf der Bühne. Danach gefragt, erzählt er auch gerne die eine oder andere Anekdote. Beispielsweise vom Mammutkonzert, das Elton John anlässlich seines 60. Geburtstages gab und zu dem er als Special Guest eingeladen war: ­«Elton John hatte sechs Monitore auf der Bühne. Weil er nicht mehr gut hört, sind diese wahnsinnig laut. 140 Dezibel, so laut wie ein Jumbojet, der abhebt. Ich musste beim Konzert eine Wand aus Plexiglas um mein Cello bauen, damit es nicht explodiert.» Doch wer meint, bei Martin Tillman auf Starallüren zu treffen, liegt falsch. «Die Menschen erkennen mich auf der Strasse nicht», erklärt er und fügt an: «Niemand hat von mir gehört, aber alle haben mich gehört.» Das Schönste sei, wenn Menschen auf ihn zukommen und erzählen, dass ihnen seine Filmmusik gefallen hat.

Das ­Cello begleitet ihn seit seiner Kindheit. «Meine Eltern führten eine Privatschule. Sie organisierten im Sommer jeweils ein Musiklager. Bereits als Dreijähriger war ich mit dabei. Auf das Cello bin ich gekommen, weil ich Cellisten die Coolsten fand», erinnert er sich schmunzelnd. Bis zu seinem 16. Geburtstag habe seine Mutter jeden Tag mit ihm geübt. «Ich habe es damals zwar gehasst, aber ohne meine Mutter, die sagte, ich müsse das durchziehen, wäre ich nirgends hingekommen.» Heute ist die Musik seine Leidenschaft und sein Beruf.

Von Hollywood nach Zollikon

Die Musik war es auch, die Martin Tillman vor rund 30 Jahren als ­Student nach Hollywood zog. «Ich träumte immer davon, in einer Rockband zu spielen.» Es wurde zwar keine Rockband im klassischen Sinne, aber er entdeckte das Elektro-Cello, das in seither begleitet. Ihm sei stets klar gewesen, dass das klassische Cello nicht sein Instrument bis ans Lebensende sein wird. «Mit dem Elektro-Cello habe ich meine Sprache gefunden.»

«Ich habe in Los Angeles die schönste Zeit erlebt. Ich konnte beruflich alles und noch mehr machen. Aber irgendwann sagte ich mir, das war ein cooles Kapitel, doch jetzt ist Zeit für das nächste.» Dazu kommt, dass er sich in Los Angeles nie wirklich zu Hause, sondern eher als Tourist gefühlt hat. Auf die Frage, ob er sich denn in Zollikon daheim fühle, nickt er. Die Wahl war jedoch ein Zufall. Ein Freund hatte ihm vor fünf Jahren die Wohnung vermittelt. «Ich fühle mich hier wohl, vor allem zum Leben. Das ist für mich das Wichtigste.» Doch sozial integriert in die Gemeinde sei er nicht. Dem liegt nicht fehlendes Interesse zu Grunde, sondern ein Schicksalsschlag.

2019 ist seine Frau Eva verstorben. «Ich brauchte Zeit um mich zu erholen», erzählt er. Er blieb in seiner Wohnung, habe viel geschlafen, sich sozial wenig gezeigt. Sie litt an Multipler Sklerose, einer autoimmunen, chronisch entzündlichen Krankheit. Er hatte seine Frau die letzten vier Jahre ihres Lebens gepflegt. Um dennoch Zeit für seine Musik zu haben, baute er das ­Gartenhäuschen zu einem Tonstudio um. «Eva hatte ihr Schlafzimmer mit dem offenen Fenster und konnte hören, was ich komponierte.» Während der Aufnahme für sein Album «Superhuman» habe sie ihm immer wieder Nachrichten geschrieben – Feedbacks zu seiner Musik. «Eigentlich hat sie vom Schlafzimmer aus das Album koproduziert.» Auch die Songtitel der Stücke auf «Super­human» sind von ihr.

Mit dem gleichnamigen Programm steht der Musiker dieses Wochenende, am 5. und 6. Mai, im Theater 11 in Zürich auf der Bühne, zusammen mit einer Rock-Band, zehn Cellisten, Perkussionisten und einer Soulsängerin. Musikalisch reicht das Programm von Electronic Dance Music über Techno bis hin zu Rock ‘n’ Roll im Stil von Pink Floyd – gemischt mit klassischer Filmmusik. Die Frage nach dem Lampenfieber beantwortet Martin Tillman lachend mit «Ja». Entweder man habe Bauchweh oder es werde einem schlecht. «Ich denke mir meistens: Was habe ich mir da wieder eingebrockt? Am meisten Lampenfieber plagt mich, wenn ich vor meiner Familie spiele. Ich stelle mir vor, sie werden mich anschauen und sagen: Und damit verdienst du dein Geld? Doch es braucht etwas Lampenfieber und Unsicherheit. Man spielt anders, als wenn man zu selbstsicher auf der Bühne steht.»

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