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Sanfte Akkorde, grosse Gefühle

Von Joël J. Meyer ‒ 3. August 2023

Lily Claire bewegt mit Chansons die Gemüter ihrer Fans. Im Arbeitsalltag kümmert sie sich um Kleinkinder.

Die Melodien von Lily Claire laden zum Schwelgen in Erinnerungen ein. (Bild: Nick Soland)
Die Melodien von Lily Claire laden zum Schwelgen in Erinnerungen ein. (Bild: Nick Soland)

Ihr Herz schlägt für kleine Kinder und grosse Lieder. Mit ihrem sanftmütigen Charakter begeistert Lydia Ecklin sowohl in ihrer Kitagruppe als auch auf der Bühne. Die 29-jährige Zollikerin arbeitet als Kleinkinderzieherin und musiziert in ihrer Freizeit als Chansonnière. Die Doppelbürgerin, Französin und Schweizerin, hat Wurzeln in Paris und ist zweisprachig in Zollikon aufgewachsen. Schon früh entwickelte sie eine Leidenschaft für französische Chansons. Ihre Vorbilder sind Françoise Hardy, France Gall, Carla Bruni und auch die unlängst verstorbene Jane Birkin. «Ich habe deren Musik dauernd gehört und auch die ­Videos geschaut; der Stil der Sängerinnen gefiel mir sehr.» Was sie besonders beeindruckte, war das dezente Verhalten ihrer Idole: «Françoise Hardy beispielsweise ist eine Frau von Format, tritt aber sehr zurückhaltend auf, nicht so wie andere Stars. Sie singt schön mit einer ruhigen Stimme, das ­alles hat Klasse.»

Chansons aus Zollikon

Nachdem die Lieder ihrer Idole ­Lydia Ecklins Jugend geprägt haben, steht sie heute selbst auf der Bühne und singt als Lily Claire ihre eigenen Chansons. Und wie Françoise Hardy setzt sie auf Stil und Feinfühligkeit, ganz ihrer Natur entsprechend: «Ich hätte mir nie vorstellen können, Konzerte zu geben, weil ich eher schüchtern bin.» Gesungen hatte sie schon als Kind, ob allein zu Hause oder auf dem Pausenhof. Als Teenager sparte sie mit Babysitting Geld für ihre erste akustische Gitarre. Mithilfe von Onlinevideos brachte sie sich das Gitarrenspielen bei, begann bekannte Lieder nachzuspielen und postete Coverversionen auf Instagram. Dort wurde ihr heutiger Produzent auf sie aufmerksam und fragte, ob sie auch eigene Lieder komponiere.

Dem war so. Sie hatte gerade ihr erstes Chanson geschrieben, um die Trennung von ihrem Partner zu verarbeiten. 2021 erschien «Mal Au Cœur» und im selben Jahr folgten fünf weitere Lieder. 2022 reiste
Lily Claire mit ihrer Band in die Bretagne, um die EP «Val-André» aufzunehmen. «Die Bretagne ist für mich eine zweite Heimat.» Als Kind verbrachte sie dort oft Ferien mit ihrer Familie; die sanften Töne des Lieds «Bretagne» wecken denn auch die Sehnsucht nach vergangenen glücklichen Zeiten. «Melancholie in der Musik gefällt mir», sagt die eigentliche Frohnatur. Es gehe nicht nur um Traurigkeit, sondern auch um die darin verwobenen schönen Erfahrungen, diese Ambivalenz. «Die tiefsten Abgründe schaffen die schönsten Melodien.»

«Heartbreak-Recycling»

Inspiration für neue Lieder findet sie in ihrer Vergangenheit: «Manchmal mache ich Heartbreak-Recycling. Dann versetze ich mich zurück in schwermütige Momente und probiere mich zu erinnern,
wie sich das genau anfühlte. Herzschmerzlieder funktionieren einfach am besten.» Ihren Musikstil würde sie trotzdem nicht als melancholisch beschreiben, eher in Richtung Indie-Pop-Chanson. Sie schreibt in erster Linie für sich selbst, freut sich aber, wenn Leute aus dem Publikum sagen, wie sehr die Musik sie berührt hat – obwohl sie oft kein Wort Französisch verstehen.

Dieses Jahr veröffentlichte Lily Claire zwei neue Lieder und in den nächsten Wochen soll ein weiteres erscheinen. Im September plant sie, mit ihrer Band an einem inspirierenden Ort eine weitere EP aufzunehmen. Aktuell arbeitet sie Vollzeit in einer Zürcher Kita, das Musikalische richtet sie sich in ihrer Freizeit ein, was nicht immer einfach sei: «Ich musste schon Angebote für Auftritte ablehnen.» Doch sie liebt ihre Arbeit als Erzieherin und schätzt die Abwechslung als Chansonnière. «Konzerte sind grossartig, aber mein Beruf in der Kita gibt mir Sicherheit und einen strukturierten Alltag.»

Singen in der Kita

Bevor sie mit Kindern arbeitete, betreute sie nach der Matura drei Jahre lang Flugpassagiere bei der Swiss, motiviert von ihren Eltern, die beide in diesem Metier tätig waren. Rückblickend scherzt sie, gebe es in der Kita viele Parallelen zum Fliegen: «Turbulenzen gibt es auch hier, und warme, feuchte Hand­tücher werden nicht nur in der Businessclass, sondern nach dem Mittagessen auch in der Kinderkrippe verteilt.» Langfristig möchte sie mehr Raum für ihre Musik und übernimmt deshalb im Herbst als Kita-Gruppenleiterin eine Stelle mit mehr Flexibilität. Wobei auch in der Kita viel gesungen wird: «Oh, du goldigs Sünneli» und «Heile, heile Säge» stehen täglich auf dem Programm. Die Kleinkinder sind ein privilegiertes Publikum, denn die Kita ist der einzige Ort, an dem Lily Claire nicht auf Französisch singt.

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