Wachsender Missmut gegen ein grosses Volksfest

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 24. November 2023

Der Zumiker Andreas Hugi zum Ende des bisherigen Züri Fäschts: «Die Schlinge hat sich immer weiter zugezogen.»

Spektakel am Züri Fäscht 2023. Das Feuerwerk stand dieses Jahr bereits auf der Kippe – nun ist das ganze Fest ins Wasser gefallen. (Bild: lfi)
Spektakel am Züri Fäscht 2023. Das Feuerwerk stand dieses Jahr bereits auf der Kippe – nun ist das ganze Fest ins Wasser gefallen. (Bild: lfi)

Es kam vergangene Woche ohne Vorwarnung: Der Verein Zürcher Volksfeste, die Trägerorganisation des Züri Fäschts, sieht keine Zukunft für ein nächstes Fest im bisherigen Rahmen. Und kündigte die Leistungsvereinbarung mit der Stadt Zürich per Ende 2024. Gründe sind die immer komplexeren Anforderungen an die Nutzung des öffentlichen Raums, die steigenden Auflagen, welche massive Mehrkosten verursachen, und die sinkende Akzeptanz gegenüber ­einem grossen Stadtfest. Federführend an der Organisation beteiligt war auch der Zumiker Andreas Hugi. Er äussert sich zu Gründen und Hintergründen.

Andreas Hugi, die Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Nachhaltigkeit wachsen. Werden weitere parlamentarische Vorstösse für das nächste Züri Fäscht kommen?

Wir stellen fest, dass nicht nur die Behördenauflagen, sondern auch die politischen Forderungen immer mehr werden: Die Flugshows wurden bereits verboten, das Feuerwerk ist auf dem Prüfstand und ein nächstes Züri Fäscht müsste Mehrweggeschirr einführen – bei zwei Millionen Besuchern logistisch ein Alptraum. Zudem darf immer weniger Grünraum genutzt werden, die Sicherheitsvorgaben werden strenger, man darf weniger Werbung machen und generell stellen wir im Stadtparlament einen Missmut gegen ein grosses Volksfest fest.

Wie parteipolitisch sind die Vorgaben rund um Recycling, Verkehr, Feuerwerk und der Nutzung des öffentlichen Raums?

Für mich ist klar, dass hier Ideologien aufeinanderprallen. Man will eine klimaneutrale, verkehrsberuhigte, lärmarme Stadt. So weit so gut, aber ein Volksfest mit zwei Millionen Besucherinnen und Besuchern kann diese Vorgaben unmöglich einhalten, auch wenn es nur alle drei Jahre stattfindet und damit die Stadt und ihren öffentlichen Raum nur punktuell und selten belastet. Schlussendlich ist es eine Frage der Prioritäten – und wir haben gemerkt, dass ein Stadtfest in der Form des heutigen Züri Fäschts keine Priorität hat.

Die Akzeptanz für das schweizweit grösste Volksfest ist in der Stadt gesunken. Hat das Fest vielleicht nur noch in Zürich stattgefunden, war aber nicht mehr für die Zürcher?

Zwei Millionen Gäste zeigen die Akzeptanz. Das Fest in dieser Form war ganz klar ein Stadtfest für die ganze Schweiz mit einer weltoffenen Ausstrahlung, die meiner Meinung nach zu Zürich gepasst hat. Offenbar will man das aber nicht mehr.

War es eine längere Entwicklung, die auf Seiten des Organisations-Komitees zum Ende führte oder gab es den einen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?

Die Schlinge hat sich stetig zu­ge­zogen. Das diesjährige Fest hat uns bezüglich Umsetzung und Finanzierung aller Vorgaben an die Grenze gebracht. Vor allem das Recycling- und Depotsystem war unglaublich aufwendig. Und bereits wenige Tage nach dem Fest trafen die neuen, ­zusätzlichen Auflagen für ein Züri Fäscht 2026 ein. Zudem hat der Stadtrat bereits 2020 für 2026 eine «grundlegende Neuausrichtung» gefordert. Wir realisierten, dass es mit diesen Bedingungen einen Neu­anfang braucht, wir aber dafür die Falschen sind. Deshalb haben wir den Leistungsauftrag an die Stadt zurückgegeben.

Bei der Medienkonferenz des diesjährigen Festes war ein gelöster Andreas Hugi zu sehen. «Besser hätte es nicht laufen können», kommentierten Sie. Schwebte damals schon ein Damokles-Schwert über Ihnen?

Das diesjährige Züri Fäscht war aus unserer Sicht ein voller Erfolg: Tolles Wetter, super Stimmung, kaum Zwischenfälle, sensationelle Rückmeldungen der Gäste. Aber ja, wir wussten im engeren Kreis schon damals, dass wir eine schonungslose Bilanz ziehen müssen, haben diese aber bewusst auf die Zeit danach verschoben.

Wie sind die Reaktionen auf die Kündigung der Leistungsvereinbarung?

Sehr viele bedauern unseren Entscheid, es gibt aber auch viele Stimmen, die einen Neuanfang begrüssen. Und dann gibt es natürlich diejenigen, die bereits wissen, was man alles anders und besser machen müsste.

Würden Sie um einen Rat gefragt – welchen würden Sie einem Nachfolge-Komitee geben?

Bevor irgendjemand beginnt, ein neues Züri Fäscht zu planen, muss ganz klar sein, was Stadtrat und Gemeinderat überhaupt wollen. Dann müssen sich Politik und ­Verwaltung hinter diese Strategie stellen. Ohne dies wäre es ein Himmelfahrtskommando.

Sie haben das Amt des Schulpräsidenten aufgegeben, nun fällt die Vorbereitung des Züri Fäschts weg. Müssen die vier Söhne befürchten, dass sich der Vater nun verstärkt um sie kümmert?

Ich werde auch ohne Züri Fäscht spannende Projekte haben, denen ich mit Herzblut nachgehen kann. Zurzeit bin ich mit meiner Work-Life-­Balance recht zufrieden. Sollte das zwischendurch mal nicht mehr der Fall sein, wirkt meine Familie als wunderbares Korrektiv.

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