Von Franca Siegfried ‒ 3. Mai 2024
In 20 Wochen – am 21. September startet die UCI-Rad- und Para-Cycling-Strassen-Weltmeisterschaft. Die Besten der Besten aus 75 Nationen, insgesamt 1300 Sportlerinnen und Sportler, werden neun Tage lang durch den Kanton Zürich pedalen. Landschaften, Dörfer, den See werden sie kaum wahrnehmen. Ihr Tunnelblick infolge Geschwindigkeit, Konzentration und körperlicher Höchstleistung wird sich erst beim Bellevue lichten. Auf dem Sächsilüüteplatz enden alle Rennen. Der Streckenverlauf erfüllt das Versprechen des Veranstalters: «Das Rennen soll zu den Leuten kommen.» Die Trägerschaft Swiss Cycling zusammen mit Kanton und Stadt Zürich wird durch ein operatives Organisationskomitee unterstützt. Zumikon und Zollikon werden zum Schauplatz der Veranstaltung. Die Grösse des Events bereitet den Gemeinderäten von Zumikon und Zollikon sowie den Gewerbetreibenden Sorge.
Die Bevölkerung wird in ihrem Alltag ausgebremst, in Sperrstunden aus Sicherheitsgründen in ihren Häusern und Quartieren sogar eingesperrt sein. «Vom Quartier Isleren unterhalb der Forchstrasse wird ein Einkauf mit dem Auto in der Migros nach heutigem Kenntnisstand nur mit Bewilligung möglich sein, da ein Kontrollpunkt bei der Itschnacher-Kreuzung in Zumikon die Zufahrtsbewilligung in Richtung Zürich – auch via Küsnacht – überprüfen wird. Somit gäbe es bei der Rückfahrt von der Migros Probleme», sagt Stefan Bührer, der Zumiker Gemeindepräsident. Vor zwei Wochen traf er sich an einem ersten Infoanlass für das Gewerbe mit etwa 40 Gewerbetreibenden. «Es konnten bereits einige Speziallösungen für die einzelnen Gewerbetreibenden gefunden werden. Trotzdem führt der Anlass zu enormen Einschränkungen. Insgesamt herrschte an der Veranstaltung jedoch eine recht positive Stimmung und viele waren dankbar, dass sie durch die Gemeinde frühzeitig und umfassend informiert werden.»
Die meisten Rekurse sind beim Kanton abgeblitzt, es gab Kompromisse bei Spitälern. Und die Kantonspolizei muss alles ausführen, da der Kanton zur Trägerschaft gehört. Während den Hauptrennen vom 25. bis 29. September ist die Stadt für den Individualverkehr von Osten her nur via Forchautostrasse A52 erreichbar. Dafür ist eine Zufahrtsbewilligung nötig. «Unsere Einsprache zusammen mit dem Gewerbeverband Bezirk Meilen hat über 30 000 Franken gekostet», sagt Roman Ribi, Präsident des Gewerbevereins Zollikon. Auch sie bekamen eine Abfuhr. Der Verein hat allein in Zollikon 120 Mitglieder und vertritt über 1000 Arbeitsplätze. Roman Ribi will am Rad-Rennsport nicht meckern, aber das Ausmass der Einschränkungen mit einer fragwürdigen Kommunikation ist für ihn unbegreiflich. Ein kollektives Abnicken aller Durchfahrtsbewilligungen als kantonale Entscheidung. Regierungspräsident Mario Fehr ist Vorsteher der kantonalen Sicherheitsdirektion mit dem dazugehörigen Ressort Sport. «Mario Fehr wohnt in Adliswil und sieht sich dort mit keinen Einschränkungen vor der Haustüre konfrontiert», sagt Roman Ribi. Am 30. Mai organisiert die Gemeinde eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung. «Ich werde einige Fragen stellen und auch aufzeigen, was bei uns geschehen wird», sagt er. «Zum Beispiel wird der Kreisel an der Dufourstrasse abgetragen, damit die Rennfahrer geradeaus fahren können.» Als selbständiger Bauleiter weiss er, wieviel Zeit solche Arbeiten beanspruchen: «Aus den neun Tagen könnten Monate werden.»
Kanton und Stadt haben insgesamt elf Millionen Franken, der Bund weitere drei Millionen für den Anlass gesprochen. «Der grösste Teil der Kosten für bauliche Massnahmen wird vom Kanton und den Organisatoren übernommen», sagt André Schmid, stellvertretender Gemeindeschreiber Zollikon. «Da es uns ein grosses Anliegen ist, die Bevölkerung schnell und direkt zu informieren, übernimmt die Gemeinde diese Kosten vorerst. Die betroffenen Gemeinden werden die anfallenden Kosten im Nachgang von den Organisatoren oder dem Kanton zurück fordern.» Warum übernimmt die Trägerschaft nicht schon jetzt diese Kosten? «Die Kommunikation ist im Gesamtkontext zu sehen. Jede Staatsebene – hier Kanton und Gemeinden – kommuniziert in ihrem jeweiligen Bereich, ebenso wie das lokale Organisationskomitee oder der ZVV und die VBZ», sagt Andreas Herren, Leiter der Kommunikation der Rad-WM 2024. «Die Gemeinden kennen die Verhältnisse vor Ort am besten. Sie entscheiden, auf welche Arten und wie umfangreich sie ihre Einwohnerinnen und Einwohner informieren.» Die effektiven Kosten werden erst nach der Rad-WM bekannt sein. Wer wird die Haftung übernehmen, falls die Kosten überborden? «Die Gemeinde Zollikon hat keinerlei Deckungszusagen gemacht», sagt André Schmid. Allenfalls müssten Versicherungen, der Kanton oder die Stadt Zürich übernehmen. Der Bezirk Meilen ist durch den Gemeindepräsidenten von Küsnacht im Organisationskomitee vertreten.
«Werde Gastgeber: in der UCI Rad- und Para-Cycling-Strassen-Weltmeisterschaften Zürich 2024 – werde Zürich 2024 Volunteer», so wirbt die Webseite. Freiwillige (mindestens 18 Jahre alt) sollen am Grossanlass in Uniform mitwirken. Als Entschädigung ist die Uniform versprochen und nach drei Tagen Einsatz ein Velohelm als Bonus. Für Übernachtungen wird auf die Jugendherberge verwiesen mit zehn Prozent Rabatt. «Werde Teil der Zürich 2024 Familie» – ein Sportanlass der Superlative mit sehr viel Euphorie und Marketing.
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